Kolumnen

Der fehlende Konsumentenschutz in der Schweizer Glücksspielbranche

Der Kreuzzug der Eidgenössischen Spielbankenkommission (ESBK) geht weiter. Diesmal wütete diese Bundesbehörde im Appenzellerland, und verursachte einer der grössten Polizeieinsätze in diesem Kanton überhaupt.

30 Beamte des etwa 60 Mann umfassenden Polizeikorps stürmten das Pokerlokal Glingg. Am Abschlussturnier mit Sachpreisen befanden sich 41 Spieler; die Betreiber, die Gebrüder Allemann, schliessen ihr Lokal aufgrund der fehlenden Gesetzeslage für Turnierpoker in der Schweiz. Sie wollten dies mit Anstand tun und sich mit Würde verabschieden. Es wurde vorgängig sogar eine Alkoholausschankbewilligung bei der Gemeinde eingeholt und eigentlich wurde alles getan um einen schönen abschliessenden Abend zu gestalten. Ein Fest sollte es werden unter vielen Freunden.

Doch hatte die ESBK die öffentliche Werbung des mit 0+0 Schweizer Franken Buyin Abschlussturniers um Sachpreise auch bemerkt. Dafür wurde an bekannten Orten ja auch schön geworben und so wurde dieser polizeiliche Durchsuchungsbefehl erwirkt.

Auch dieses Mal mussten sich die Anwesenden von der Polizei mit Nummer fotografieren und durchsuchen lassen. Natürlich haben die Spieler keine Strafmassnahmen zu befürchten, wurden sie jedoch ihrer freien Zeit beraubt. Und wieder fand man keine illegalen Sachen. Immerhin durften die Anwesenden ihre persönlichen Barschaften diesmal behalten. Die vielen Beschwerden von vorgängigen Razzien scheinen Wirkung zu zeigen. Der Hauptpreis, ein 64 Schweizer Franken (ca. 50 Euro) teurer „Ipod shuffle“ war die wertvollste Konfiszierung.

Leider findet man bei der genaueren Hinterfragung zum Aufbau der ESBK selbst einige Punkte welche zum Denken anregen. Diese Kommission scheint eine Herrschaft zu sein, und dies passiert gerade in unserem Land, dem Vorzeigeobjekt für direkte Demokratie. So ist zwar die Gewaltentrennung (Exekutive, Legislative und Judikative) in der Schweizer Bundesverfassung fest verankert, jedoch zeigt die Realität ein anderes System:

Beispiel:
Zurzeit sind für die A-Casinolizenz in Zürich fünf Konzessionen eingereicht.

Entscheiden über diese Millionenlizenz wird der Bundesrat. Beraten wird dieser von dem Präsidium der ESBK. So geschehen bei den ersten Bewilligungen, wo ein gewisser Herr Benno Schneider (Präsident der ESBK) dabei war.

– Die Bewilligung wird das Sekretariat der ESBK ausstellen, namentlich um den Präsidenten der Direktion des Sekretariats, Herr Jean Marie Jordan.

– Die Kontrolle, so geschehen wie bei der Razzia im erwähnten Fall im Appenzellerland, verfügte mit dem Durchsuchungsbefehl ebenfalls die ESBK, namentlich die Abteilung um Frau Andrea Wolfer, welche auch der Direktion des Sekretariats unterstellt ist. Allfällige Bussen für illegale Pokerturniere werden auch dort verfügt. Eine andere Abteilung auf gleicher Stufe ist für die Aufsicht der Casinos zuständig. Auch diese ist der Direktion des Sekretariats unterstellt.

Der Volkinteressierte fragt sich jetzt, wo die Gewaltentrennung geschieht. Gerade der Umstand, dass hier die ESBK über einen millionenschweren Markt die Fäden in den Händen hat, ergibt zwielichtige Zweifel über eine korrekte staatsrechtliche Trennung zwischen einem Präsidium der Kommission, und derjenigen des Sekretariats. Die identische postalische Adresse verstärkt übrigens diese Befürchtungen noch mehr.

Es stellt sich die Frage, was passieren würde, wenn ein Kläger beim Verwaltungsgericht mit der Argumentation auftreten würde, dass die Gewaltentrennung beim Spielbankengesetz nicht gewährleistet wird. Gerade bei einem Entscheid, wie bei der Vergabe der „A-Casinolizenz Zürich“ könnte dies die ESBK sehr schmerzen.

Leider wird unsere neue Justizministerin, Frau Bundesrätin Simonetta Sommaruga, von der Eidgenössischen Spielbankenkommission falsch beraten. Diese lächerlichen Razzien zielen auf medienwirksame Politik gegenüber unwissenden Bürgern.

Die ehemalige Konsumentenschützerin wäre besser beraten, würde sie einmal die mangelhaften Resultate der letzten Razzien anschauen. Tut sie dies nicht, so schützt sie die Casinos und die ESBK und letztlich auch die illegalen Cashgameclubs in denen wirklich illegales Pokerspiel stattfindet. Dort würden übrigens Razzien Sinn machen und wären auch medienwirksam.

Auf der Strecke bleibt der Pokerturnierspieler, welcher legal um kleine Einsätze spielen will und man schiebt diesen in die Casinos oder in die Illegalität ab. Dort ist ein Spieler einer wesentlich höheren Versuchung für bewährte Glücksspiele ausgesetzt, weil ein Pokerinteressent zum Beispiel in einem Casino zuerst einmal an den meist defizitären Tischen und Spielautomaten vorbei gehen muss, bis er einen Pokertisch antrifft. Meistens findet dort der Interessierte kein Angebot, weil die Kosten für ein Betrieb eines Pokerturniers für ein Casino zu hoch sind.

Und die Politik scheint sich mehr um die Vergabe der Verwaltungsratssitze des neuen Casinos in Zürich zu interessieren. Denn bisher setzt sich lediglich ein Mitglied des Nationalrats für legalen und fairen Pokersport ein. Mit dem SVP Vertreter, Lukas Reimann ist dies eine kleine Lobby. Der neueste Vorstoss verlangt eine Einführung der C-Konzession für Kartenspiele welche mit Geschicklichkeit und Glück entschieden werden.

Eine Verantwortung für diese lächerlichen Aktionen der ESBK übernimmt letztlich unsere neue Bundesrätin. Ob sie sich wie Herakles bei seiner fünften Aufgabe, „der Ausmistung des Rinderstalls des Augias“, wie der „Alpheios“ anstellen wird, bleibt abzuwarten.

Hoffen wir, dass Frau Bundesrätin Simonetta Sommeruga ihren alten Geist als Konsumentenschützerin nicht vergessen hat. Auch dann nicht, wenn eine Schaffung einer C-Lizenz nicht so attraktiv erscheint, wie die Vergabe der Lizenz für das Casino Zürich. Es wäre einfach nur Konsumentenfreundlich.

Cheers und frohe Festtage
Martin Bertschi


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