Kolumnen

Der Präsident und ich

Zuletzt hatte ich wieder einmal das große Vergnügen, mit Stephan Kalhamer gemütlich bei einem guten, perfekt medium gegrillten Stück Fleisch aus Argentinien zusammenzusitzen.

foto kalhamer udoManche meinen, wir beide seien so unterschiedlich wie Rotwein und Kamillentee oder wie Feuer und Wasser. Manche meinen, wir könnten unmöglich einer Meinung sein, was Poker, das Spiel an sich und das Spielen an sich angeht. Dieses stimmt nicht. Wir sind erstaunlicherweise sehr oft übereinstimmend in unseren Ansichten über das Spiel der Spiele. Manchmal ergänzen sich leicht differierende Sichtweisen zu einem globalen Ganzen. Und nur ganz selten vertreten wir komplett gegenteilige Meinungen.

So beispielsweise beim Thema Deal oder kein Deal. Für mich keine Frage, ich bin ein großer Befürworter von Deals. Vor allem, wenn es morgens gegen vier Uhr und ich alters- und rotweinkonsumbedingt ins Bett möchte. Vor allem, wenn wir alle am Final Table dann einverstanden sind mit einer entweder gleichen Teilung oder der Aufteilung des verbleibendes Preisgeldes gemäß der Chipstände. Vor allem, wenn die Relation vom Buy-In zum auszahlbaren Betrag stimmig ist. Ich teile lieber zu sechst und gehe mit sagen wir € 1.000 nach Hause, als dass ich durch welche widrigen Umstände auch immer Vierter werde und „nur“ € 590 bekomme. Was immer noch ein Vielfaches des Buy-Ins ist. Natürlich aber ist es weniger als das ausgeschriebene Preisgeld für die Plätze eins und zwei. Dessen bin ich mir durchaus bewusst, dennoch kann man nicht so arrogant sein und einen Tausender als „zu wenig“ abwerten.

Stephan Kalhamer hingegen geht es vordergründig nicht ums Geld. Das ist nicht sein Hauptargument, Deals vehement abzulehnen. Womit er übrigens in guter Gesellschaft ist; viele bekannte Pokerpersönlichkeiten sind keine Freunde von Teilungen. „Das Spiel ist unfair“, sagt Stephan Kalhamer. „Es ist irrational und nervenaufreibend, aber nicht unberechenbar. Pokern bedeutet, mit sehendem Auge in ein feindliches Umfeld zu investieren. Ich werde jedem alles wegnehmen, wenn ich kann. Umgekehrt brauche ich aber nicht zu jammern, wenn mir die anderen ans Leder wollen. Der Starke dominiert den Schwachen. Die Freiheiten des Pokerns im Vergleich zu anderen Kartenspielen kann ich mit den Möglichkeiten der Mathematik und der Psychologie ausloten. Und dennoch bleibt der Zufall, der unkalkulierbare Rest. Dieses macht die Faszination von Poker aus. Das Prinzip Poker zelebriert das Gegeneinander auf Kosten des Miteinanders.“

Und genau aus diesen Gründen ist Stephan Kalhamer kein Befürworter von Deals. „Ein Deal macht spieltechnisch keinen Sinn. Ich muss mich doch fragen, warum ich Poker überhaupt spiele. Es hat nichts mit Ethik und Moral zu tun. Ich will doch den Druck haben. In jeder Phase des Spiels. Ich will robust sein gegen diesen Druck. Dadurch habe ich eine höhere Edge, wenn ich besser mit dem Druck umgehen kann als meine Gegner. Poker ist zu keiner Phase des Spiels eine Wohlfühl-Area. Vor allem nicht zum Schluss des Spiels. Dort muss ich die Eier haben und  um die ultimativen Entscheidungen spielen können. Wann ist denn eigentlich der richtige Zeitpunkt für einen Deal? Am Final Table, vorher oder wenn wir nur noch zwei Spieler sind ? Auch wenn die Payoutstrukturen nicht immer richtig angelegt sind und sicherlich auch zu hinterfragen sind, kann es sein, dass ich Geld verschenke. Und das ist nicht das Spiel. Wir spielen doch mit maximaler Gewinnerzielungsabsicht, da kenne ich dann keine Freunde und keine Kumpel. Wir sind keine Freunde in einem nicht freundschaftlichen Spiel. Kein asoziales Verhalten, das nicht, aber Wettkampf und purer Egoismus. Das Elixier des Spieles ist doch, maximalen Profit zu erzielen. Auch in dem Wissen, dass es natürlich nicht immer klappen kann. Außerdem ist das Anbieten eines Deals ein Zeichen von Schwäche. Ich weiß dann, der Spieler ist müde, er will nach Hause, es ist jetzt schon ausreichend Geld für ihn oder er hat Angst vor mir. Kein guter pokertechnischer Schachzug“.


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