Kolumnen

Die Unschuld verloren

Es ist mal wieder nötig und es ist mal wieder Zeit. Zeit für ein kritisches Resumee. Zeit, die Gedanken zu sortieren, die einen rund um das Pokern beschäftigen.

foto pokerfirma unschuld 12.1Irgendwie verändert sich die Branche. Irgendwie hat Poker seine Unschuld verloren und es mutiert immer mehr zu einem mehr oder weniger komischen Business. Komisch nicht zwangsläufig im Sinne von lustig und unterhaltsam. Manchmal fühle ich mich, als hätten wir einen Freund und eine Legende verloren. Wie damals bei Robin Williams. Oder aktuell bei Lemmy.

Poker ist heute kein Gentleman mehr und benimmt sich auch nicht wie einer. Poker steht noch ganz gut da, aber wirklich vorne sind wir nicht mehr. Der Nimbus der Lichtgestalt ist weg. Was auch für den Franz gilt; und das ist bei genauer Betrachtung nicht einmal eine ganz andere Geschichte.

Masochismus statt Hedonismus. Keine allzu glücklich machende Entwicklung. Poker hatte mal das Zeug zum Kanzler, heute müssen wir aufpassen nicht unter die Fünf-Prozent-Hürde zu fallen. Poker aber darf doch bitte nie die FDP der Kartenspiele werden. Auch dort gibt es schon an der Basis viel zu viel Unstimmigkeiten, viel zu viel irritierenden Ärger.

Früher, viel früher waren wir Kultur. Kult. New Wave. Dann wurden wir laut, manchmal zu laut. Poker aber ist kein Heavy Metal. Diese Art von Verdichtung mit extremer Wüstheit steht uns nicht zu. Wir sind eher eine himmlische, kaiserlichere Klassik. Kein schlechter Andrea-Berg-look-and-sing-a-like-Contest. Eher eine eigenständige visuelle Identität. Nur müssen wir dieses auch hegen, pflegen und schützen. Unser Beschützerinstinkt ist zu einem nicht immer gesunden Egoismus geworden. Ja, Poker wird all zu oft ein komisches Business. Und, nein, ich werde jetzt hier nicht explizit die Geissens nennen. Nein, das werde ich nicht.

Poker ist ein alter Mann mit wackeligen Beinen und schlechtem Gehörgang geworden. Zwar immer noch mit Charisma und Raffinesse ausgestattet; aber auf einem erkennbaren Weg, der dieses irgendwann auch einmal ablegen wird. Und spätestens dann müssen wir von der guten, alten Zeit reden.

Ich weiß, es ist zu früh für Grabesreden, aber wir müssen aufpassen. Noch müssen wir keine Angst vor dem Tod haben; wir müssen uns aber um den Patienten kümmern. Die Probezeit des Pokerns ist gut gestartet worden, nun aber im fortgeschrittenen Alter lassen sich zu viele negative Begleiterscheinungen erkennen.  Die Frage nach dem Quo Vadis können wir im Prinzip nur jeder für sich selber beantworten. Poker wird das, was wir daraus machen.

Der Text übrigens sollte zum Nachdenken anregen. Mehr nicht. Und nun freuen wir uns auf die nächsten Hände.


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