Kolumnen

Falsche Doppelmoral

2003 brach der Pokerboom aus, der 2006 auch Europa erreichte. Seitdem wird nicht nur viel gespielt, sondern vor allem auch diskutiert. Ob Poker ein Glücks- oder Geschicklichkeitsspiel sei und seit neustem auch ob und wie Gewinne zu besteuern sind. In keiner anderen Branche wird dabei von Gesetzgebern und Gerichten eine solch deutliche Doppelmoral gelebt.

Fast zehn Jahre ist es schon her, dass ich damals für das „Royal Flush“ einen Artikel mit dem Titel „Die Welt ist nicht bereit für Poker“ geschrieben habe. Kurz zusammengefasst drehte sich der Text darum, dass die einzelnen Staaten mit dem Pokerboom nicht umgehen können und mit unkoordinierten und teils absurden Restriktionen versuchten, den Pokerboom einzudämmen.

Die Begeisterung für Poker hat nicht nachgelassen, wie alljährlich durch wachsendes Angebot und neue Teilnehmerrekorde bewiesen wird. Ebenso wenig hat sich aber die Kopflosigkeit der Regierungen verändert. Regionale Beschränkungen für Online-Poker werden wieder aufgehoben bzw. modifiziert. Lizenzen werden in Gesetzen definiert, dann aber doch wieder rückgängig gemacht wie man am Glücksspielstaatsvertrag und dem Alleingang von Schleswig-Holstein mitverfolgen darf. Ob Poker nur in Casinos oder auch in privaten Clubs angeboten werden darf, beschäftigt in quasi jedem europäischem Staat Gesetzgeber und Gerichte.

Aber nicht nur die Business-Seite von Poker ist ungeklärt, auch die Spieler sehen sich mit einem Dschungel von Urteilen und möglichen Problemen konfrontiert. Die deutschen Finanzbehörden sind sehr aktiv, um Gewinne von Pokerspieler zu besteuern und vor allem nachträglich Geld von Gewinnen zu kassieren. Hauptargument dabei ist, dass die Spieler durch besseres Können und Wissen einen Vorteil haben, mit einer Gewinnerwartung an den Turnieren teilnehmen und vor allem durch die Regelmäßigkeit quasi einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Poker als Geschicklichkeitsspiel anzuerkennen, steht dabei aber nicht zur Diskussion. Es bleibt ein Glücksspiel.

Die Suchtexperten schlagen andererseits Alarm, dass Pokerspieler hochgradig süchtig sind und ihre Existenzen verspielen. Genau deshalb braucht es Gesetze, die den Zugang zum Pokerspiel erschweren und unter staatliche Aufsicht stellen.

Zusammengefasst und vereinfacht dargestellt, sieht die aktuelle Vorgehensweise der Rechts- und Finanzbehörden so aus:

– Gewinne besteuern, aber keine Verluste – und vor allem keine Ausgaben wie Reisekosten – berücksichtigen
– Einnahmen aus einem speziellen Glücksspiel zu besteuern, obwohl alle anderen steuerfrei sind (Lotto, Rubbellose, Brieflos, Roulette usw.)
– Poker als Glücksspiel definieren und den Casinos das Angebot vorbehalten, obwohl die Finanzgerichte entscheidende Vorteile durch besseres Wissen als Basis für Urteile heranziehen.
– Informationsbeschaffung durch private Anbieter (Hendon Mob) ohne weitere Überprüfung, aber keine Berücksichtigung von Belegen über Ausgaben.
– Keine Definition des Berufs „Pokerspieler“ und damit fehlende Gewerbeberechtigung und Steuerregelung, dafür aber Definition des „Winning Players“ über die „All Time Money Liste“ des Hendon Mobs.
– Willkürliche Entscheidung einzelner Beamter, wann Regelmäßigkeit vorliegt und „erwerbsmäßig“ gespielt wird
– Rückwirkende Steuerforderungen auf Pokergewinne, obwohl die Gesetze keine Steuerpflicht vorsehen
– Besteuerung von offiziellen Gewinnbeträgen ohne Überprüfung, ob Spieler den angeführten Betrag tatsächlich gewonnen hat

Nach dem WSOP Main Event Final Table wurden wieder die Steuerdaten der Gewinner bekanntgegeben. Fast 40 % der Gewinne am Final Table gehen an den Fiskus und das wiederum entspricht mehr als $10.000.000. Sicherlich kann jetzt jemand sagen, ob man acht oder fünf Millionen Dollar gewinnt, soll keinen großen Unterschied machen. Andererseits jedoch sehen wir uns die Turniergewinne eines als Poker Pro eingestuften Spielers 2016 an. Da schlagen rund € 75.000 an Gewinnen zu Buche. Zieht man alle Buy-Ins ab, wird vielleicht noch die Hälfte übrig bleiben, von sonstigen Reisespesen ganz zu schweigen. Und nun darf man die Rechnung mit rund 30 bis 50 % Gewinnbesteuerung anstellen…..

Statt als Ziel zu haben, ein sauberes Spiel, beste Voraussetzungen und klare rechtliche Vorgaben für Pokerspieler zu schaffen, was nicht nur der Casinobranche zu Gute kommen würde, wird willkürlich agiert und Pokerspieler zunehmend wieder in die Anonymität und vor allem ins Hinterzimmer verdrängt. Und das wiederum dient der Arbeitsbeschaffung für Polizei, Justiz und Suchtbeauftragten.

Bei Forrest Gump hieß es „Das Leben ist wie eine Pralinenschachtel, man weiß nie was man kriegt“. In Sachen Pokerspiel ist die Verteilung vorher klar – Edelnougat für den Staat, Bittermandel für die Casinos und Rizinusölfüllung für die Spieler.


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