Kolumnen

Lieber gut gegessen als schlecht gepokert

Der gestrenge Leser wird sich nun fragen, was das eine mit dem anderen gemeinsam hat. Ich, der Autor dieser Zeilen denke, dass sich die Antwort darauf im Laufe des wohl wieder einmal launigen Textes ergeben wird. Falls nicht, falls Unverständnis vorherrschen mag, bitte ich offene Fragen per Mail an die Chefredaktion der Pokerfirma zu stellen.

Auf jeden Fall wird hier nicht um den heißen Brei herumgeredet, sondern direkt wie mit der Gabel in das entsprechend zubereitete Fleisch hineingestoßen. Dieses entspricht weder beim Essen noch beim Pokern meiner sinnlichen Gesinnung. Ich bin ja eher der unfatalistische Lukullus unter den Spielern. Aber auch hier bei diesen mit Stift auf weißem Papier vorgeschriebenen Zeilen, gewinnen die Sätze ihre Delikatesse aus stilistischer Eleganz und Wagemut. Vergleichbar nur mit der damaligen Küchenrevolution eines Bocuse. Oder eines Witzigmann. Nein, ich bin nicht witzig, Mann. Was für ein schlechtes, billiges, lediglich auf Effektheischerei basierendes Wortspiel. Dafür wäre jeder Kartoffelschäler schon entlassen worden.

vinorossoWie also, zum für jeden Leser verständlichen Paramater, aus dem richtig zubereiteten Braten der Duft entsteigt, so konträr ergeht es immer wieder meinem Pokerspiel. Ich habe aber ja gottlob meine Schreiberei. Aus gewürzter Prosa entwickelt sich reinste Poesie. Kulinarische Akribie, mit sich harmonisch verbindenen Geschmäckern.

Gerade die poetisch veranlagten Pokerspieler sind es doch, die sich mit Leidenschaft und mit Hingabe engagieren. Ihnen reicht eine Wurst als Lob. Applaus ist das Dinkelbrot des künstlerisch anmutenden Pokerspielers.

Wie sagte schon Johannes Thiele, einer der ausgewiesensten Fachmänner für Kulinarik: „Ist es nicht ein schönes Spiel, im artikulierenden Mund dem sinnlichen erfahrenen Augenblick des Essens, des Trinkens eine stete Dauer zu verleihen?“. Er meinte sicherlich das Pokerspiel. Zumindest behaupte ich das hier und an dieser Stelle einmal. Da den Satz sowieso niemand versteht, kann er mir auch nicht widerlegt werden. Außerdem hat Tim Mälzer schon mal die Pokernacht von Raab gewonnen.

Ich bin wahrhaftig ein semiprofessioneller Gourmet, ich bin wahrhaftig ein Hobbyalkoholiker und ich noch wahrhaftiger ein grottenschlechter Pokerspieler. Die Liebe, die Lust, das in mir stetig brennende Feuer fürs Kochen, für Essen, für Sterneküche, für Rotweine nicht unter 15 Euro, all das, all dieses Verlangen, dieses Brennen in mir geht mir beim Pokern vollständig ab. Ich korrigiere im Prinzip meine Überschrift in „Lieber gut gegessen als am Final Table“. Die Behaglichkeit bei Tisch ist deutlich höher beim selbigen des Essens denn als beim selbigen des Pokerns. Außerdem dauert bei mir jedes 2 Gänge Menü deutlich länger als irgendein MTT-Event.

Gutes Essen verschafft mir eine Art orgiastischen Zustandes auf der Zunge; wohingegen ich beim Pokern noch nie das Höschen feucht hatte. Gutes Essen verschafft mir Geschmackserinnerungen noch Jahre später; wohingegen ich beim Pokern mich nicht mal mehr an die letzte Hand erinnern kann, wenn ich sie dann auf dem River endlich und viel zu spät folde. Essen also hat im Sinne eines Erlebnisses und eines Bewusstseins eine deutlich höhere Rekapitulierbarkeit. Natürlich wird von dem ein oder anderen Spieler unter euch das Spiel selber im ganzen Wesen genossen, nicht nur mit den Augen und den Händen. Ihr, die Ravioliausderbüchsefraktion, versteht sicherlich nicht meine Worte. Meinen Appetit mit Leib und Seele. Zum Sattwerden reicht der pappige Burger aus einer der amerikanischen Schnellessketten. Natürlich. Aber der höhere Genuss, das Erleben, die Befriedigung geht doch völlig ab. Wie Tomaten aus holländischen Gewächshäusern. Vergleichbar mit 5 2 off. Es sei denn, es kommt runner runner der Vierling. Gegeben von einem quasi 3-Sterne-Dealer.

eva_whiteNatürlich ist die Kreuz-Dame lecker anzuschauen und natürlich hat auch die Pik-Dame ihre Relevanz; aber eine gut gemachte Poularde mit Gänsestopfleber hat ein deutlich höheres Maß an Sinnlichkeit. Und, meiner bescheidenen Meinung nach, auch an Sinnhaftigkeit.

Ohne Essen geht es nicht. Ohne Poker ist es auch langweilig, dennoch ist das Spiel manchmal eine karge, unappetitliche Kost. Ein lieblos zubereitetes und noch freudloser auf den Teller geklatschtes Touristenmenü. Essen ist mehr als reine Nahrungszufuhr, wie auch Poker mehr als nur ein Spiel ist. Das gestehe ich ja trotz aller bislang vorgebrachten Argumente eindeutig zu.
Dennoch ist genauso eindeutig und zweifelsfrei, welches die genüsslichere Sache ist. Ich bin mit keiner anspruchslosen Zunge und mit einem gebildeten Magen ausgestattet. Nur mein Pokerspiel ist keine Feinschmeckerei.

In diesem Sinne, ich hätte gerne noch ein Viertel von dem Burgunder und „guten Appetit“. Ich übernehme die Rechnung.


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