Kolumnen

Media Markts Agenda 2010

„Jeder 10. Einkauf für umsonst!“ Vergangenen Samstag war ich im Gewimmel einer dieser Elektrolagerhallen. Ich kaufte eine Nespressomaschine für die Coachingarea des Gambling Institutes. Die Verkäuferin weckte den Pokerspieler in mir.

Sie meinte: „Vielleicht müssen Sie die Maschine ja gar nicht zahlen.“ Ich war fassungslos. Zum einen hatte ich ihr schon mehrfach signalisiert, ja offen zugesagt, dass ich gerne kaufen möchte, doch sie beriet unbeirrt fleissig weiter und stahl damit munter unser aller Zeit – unter anderem eben mit genanntem irritierenden Satz.

Zum anderen ist das ja schon interessant, wenn man nicht bezahlen muss, vor allem, wenn das kaum vorhandene Kleingedruckte ausnahmsweise einmal schnörkellos und ohne Haken bleibt. Das Prinzip der aktuellen Media Markt Aktion ist so einfach wie die TOTO Lotterie. Jeder Kassenbon hat eine ihn identifizierende Nummer. Die letzte Ziffer dieser Nummer ist das Los. Bis zum 9. Januar lost Media Markt jeden Abend nach 22:00 die Gewinnziffer des Tages. Alle Kassenbons des Tages mit dieser Endung werden rückbezahlt. Ein 1:9 Shot also. „Nicht zu fassen“ war mein erster Gedanke. Mein Zweiter war: „Da gibt es einen Haken, denn das könnte dem Media Markt das Genick brechen. Ich bin ja wohl kaum der einzige der sofort sieht, was hier möglich ist.“

Das entscheidende Schlagwort an dieser Stelle heißt: Umtauschrecht. Damit wird die Aktion zur Freeroll mit einem Preispool in beliebiger und damit gigantischer Höhe. Das muss doch tödlich sein für einen Anbieter, der verrückt genug ist, solches zu tun.

Ich sagte also: „Das kann doch nicht sein! Stellen sie sich vor, ich kaufe nun 10 solcher Maschinen, dann gewinnt wohl eine und die anderen 9 gebe ich morgen zurück.“ Nun war die Dame irritiert und sagte: „Aber so etwas tut doch niemand.“ Ich sagte nichts mehr und ging zur Kasse.

Inzwischen sind einige Tage vergangen und ich habe mir die Sache genauer angesehen. Ich sehe wirklich immer noch keinen Haken. Die Nummern sind fortlaufend. Auszahlungen funktionieren problemlos und der Umtausch (Geld zurück) ebenso. Ich bin nicht ins Extreme gegangen, habe tatsächlich zehnmal das Gleiche erworben und es dann 9-mal zurückgetauscht. Hierfür kann ich also nicht persönlich bezeugen, dass es klappt. Aber ich fahre täglich hin, kaufe mir ein paar teure Dinge und lasse mich am nächsten Morgen überraschen, was ich denn behalten darf.

Doch nun zu dem, was mich an dieser Sache wirklich interessiert: Wieso gibt es diese Aktion überhaupt? Was sagt das über uns als Gesellschaft und/oder den Entscheider beim Media Markt aus?

Gesellschaftlich denke ich spielt dreierlei dem Media Markt in die Karten. Viele erkennen wohl den gigantischen Wert dieser Geschichte nicht und von denen, die es erkennen, haben manche entweder nicht die Mittel oder die Zeit, die Aktion auszubeuten. Im letzten Verb „ausbeuten“ liegt das dritte Argument, was das Überleben dieser Kette retten wird. Es scheint unmoralisch, etwas zu kaufen in dem Wissen, es sicher wieder zurück zu geben, wenn man nicht gewinnt.

Ich will auch die Seite des Anbieters etwas beleuchten. Entweder der Herr (oder die Dame), der/die das veranlasst hat, versteht selbst die Tragweite nicht oder aber er/sie weiss wie träge Deutschland als Kollektiv ist und nutzt dies bewusst aus.

In jedem Fall liegt ein klarer Fall für die Kernidee meines Gambling Institutes vor: „Edge suchen und dieses ausnutzen.“ Wir halten die Augen offen. Erkennen wir ein Szenario, das sich nutzen lässt, so tun wir dies.“ Der Pokertisch ist eine super Spielwiese für solches. Aber hier gibt es doch glatt ganz real vor unserer aller Tür eine Handelskette, die meint, sie wäre ein Casino. Dabei bewegt sie sich auf Glatteis, denn sie bietet ein ausbeutbares Spiel an. Es lautet: Bestimme den Einsatz und lose. Jedes zehnte Mal gewinnst du. Die anderen neunmal passiert nichts.

Was ist also mein Einsatz als Spieler? Meine Zeit. Was ist mein erwarteter Gewinn? 10% des Umsatzes. Habe ich es also nicht all zu weit zum Mediamarkt, so brauche ich im Normalfall nicht länger als 2h für die Gesamtaktion inklusive Rückgabe und eventueller Auszahlung. Setze ich 1.000 Euro um, so liegt mein Erwartungswert bei 100 Euro, den ich binnen 2h erzielen kann – ein Stundensatz von 50 Euro also. Das ist doch gar nicht so schlecht. Sinn macht es also.

Final will ich auf die Aussagen eingehen, die bei dieser Aktion (zumindest für mich) mitschwingen. Der Begriff ‚Risiko‘ beziehungsweise ‚risikoneutrales Denken‘ ist in unserer Gesellschaft nicht annähernd verstanden. Eine solche Aktion wäre für ein Onlinecasino Selbstmord. Stellt euch vor, was passieren würde, wenn es eine solche Turnierform gäbe? Zehn Spieler zahlen 1.000 Euro. Nach 2 Stunden bekommen alle ihre 1.000 Euro zurück bis auf einen. Der bekommt ZUSÄTZLICH einen Fernseher für 1.000 Euro. Ihr seht wie unentwickelt Risiko- und Chancenbewusstsein im Alltag noch ist, denn am Montag wird es die Kette Media Markt noch geben. Ich bezweifle sogar, dass sie mit dieser Aktion „verloren“ haben wird. Das ist meiner Meinung nach eine Niederlage für uns als Gesellschaft: Da winkt einer eine Woche lang frech mit Geld und wir schaffen es nicht, dass er auch zahlt.

Am Pokertisch heißt es: „Es ist unmoralisch einem schlechten Spieler sein Geld nicht wegzunehmen.“

Zahler zocken – Könner kalkulieren

Stephan M. Kalhamer
the-gambling-institute.de


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