Kolumnen

Mein Spiel ist keine Fälschung

An mir ist vieles nicht echt. Nur mein Spiel. Das ist wirklich keine Fälschung, das ist wirklich so schlecht.

Zur Zeit jagt ein Kunstfälscherskandal den anderen. Große, bedeutende Werke werden nachgemalt, werden kopiert, mit fingierten Stempeln und Gutachten versehen und an sammlungswütige Sammler verkauft. Die Fälscher kommen dafür 18 Monate in Gewahrsam mit Hofgang, schreiben danach gut verkaufende Bücher und machen sich in ihrem Domizil auf Ibiza vor lauter Lachen in die Hose.

Auch bei geschriebener Kunst wird gefälscht und abgeschrieben, was das Zeug hält. Literatur wird verfälscht und muss für mehr oder weniger sinnige Kolumnen für mehr oder weniger uninteressante Branchen herhalten. Beispielsweise für das Fachorgan der deutschen Kakteenzüchter. Oder für Hamsterliebhaber. Oder Poker. Auch hier werden Romane geschrieben, die es in dieser Form schon gibt.

In einem modernen Roman rettet der Held die ganze Welt. Oder nur sein eigenes Leben und das einer schönen, aufregenden, vor allem aber ihm zugewandten Frau. Der Held entscheidet in schicksalhaft geschriebenen Worten das weitere Geschehen.

Im wirklichen Leben ist das nicht wirklich so. Und beim Poker auch nicht. Hier entscheiden Umstände, über die wir wenig Kontrolle haben, ob wir leiden oder lieben, ob wir glücklich oder verzweifelt sind, Reichtümer besitzen oder hoch verlieren. Von Weltrettungsphantasien ganz zu schweigen. Wir sind einfach nur normale Menschen. Die meisten glücklichen Menschen wachsen in glücklichen, liebevollen Familien auf, die meisten unglücklichen Menschen hatten verrückte Eltern. Und die ganz verrückten spielen Texas Holdem. Ohne Limit.

Ja, natürlich, das Leben ist kein Roulette. Auch hierbei verstehen wir nicht immer die Mechanismen, von Beherrschen erst gar nicht zu reden. Poker ist eine neue Art von Roman. Von Literatur, die gefälscht werden kann. Wenn man keine eigenen Ideen für eine gelungene Story hat. Ein Roman, in welchem die individuelle Freiheit einem deutlich stärkeren Gesamtmechanismus unterworfen ist. Dieses unbescheidenen Projekt zu realisieren ist mir trotz aller Anstrengungen; die der ein oder andere möglicherweise als halbherzig bezeichnen mag; bislang nicht gelungen. Möglicherweise kann ich solch einen Roman gar nicht schreiben. Was ich bislang am Tisch zu bewegen vermochte, gleicht eher  einem durchsichtigen Krimi heiteren Charakters, ohne große Wagnisse, von denen dann auch verständlicherweise alle den erwartenden Ausgang nehmen. Lustlos, dennoch irritierend. Dabei sind mir gelegentlich ernste Intentionen gar nicht fremd, aber noch kein Kritiker pries mich als munter, sprudelnd oder beschwingt. Auch wenn das alles nicht zu meinem Nachteil ist.

An mir ist vieles nicht echt. Nicht alle Buchstaben sind von mir; vor allem nicht in der dargestellten Reihenfolge. Nur mein Spiel ist echt, wirklich echt. Das ist wirklich keine Fälschung, das ist wirklich so schlecht.
Falten


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