Kolumnen

Nachruf

Nachruf. Nachgottruf. Bringt nichts. Es gibt keinen Pokergott. Und auch sein einziges Kind kümmert sich nicht darum, was der Turn und der River so bringen. Die beiden haben wichtigeres zu tun. Also kümmert euch selber drum. Immerhin wollte ihr das ja so. Ihr hättet ja zuhause bleiben können. Oder zumindesten preflop folden. Oder was auch immer. Was auch immer, lasst das Geschreie nach dem Pokergott sein. Oder nach Gerechtigkeit. Die gibt es nicht. Nicht im wirklichen Alltag und schon gar nicht beim göttlichsten aller göttlichen Kartenspiele. Wenn es Gerechtigkeit gäbe, würde ich besser pokern. Wahrscheinlich dafür aber dann nicht so unfassbar gut aussehen.

foto nachruf 12.5.Dieses Spiel ist Himmel und Hölle gleichzeitig. Und wir lassen uns in diese beiden Parallelwelten treiben. Wir schreien mehr Bad Beat als Halleluja. Wir loben ihn nicht, wir danken es ihm nicht. Warum also soll er für uns da sein? Wegen dem Pik-Buben auf dem River, wenn wir dringend einen Buben oder ein Pik benötigen ? Wegen unserem Gejaule nach der definitiven Nichtgerechtigkeit, die auf den Tischen dieser Welt herrscht? Nein, Gott hilft uns nicht, aber er hat gute Gründe dafür. Wie sagte eins Peter Ustinov „Wenn man sieht, was der liebe Gott auf der Welt alles zulässt, hat man das Gefühl, dass er noch immer experimentiert“. Wahre, weise Worte. Und damit ist nicht Pot Limit Omaha Hi Low gemeint.

Es gibt viele Götter. Jeder kann sich den für ihn passenden heraussuchen. Das sage sogar ich in meiner atheistischen Evangelität. Aber es gibt keinen Pokergott. Und alle anderen himmlischen Herrscher, vor allem die in dem klassischen, schon vor mehr als 2.000 Jahren in dem meistverkauftesten Buchbestseller aller Zeiten beschriebene oberste Instanz hält Poker für ein Glücksspiel und folglich für ein Teufelswerk. Skat übrigens kann er auch nicht leiden. Auch das hält er für eine Sünde. Wie auch die Geissens und Bauer sucht Frau.

Wir dürfen Poker nicht als das Leben begreifen. Und schon gar nicht als Religion. Wir müssen lernen, mit Niederlagen umzugehen, ohne dass wir fluchen und in der nächsten Kathedrale zweiundfünfzig Kerzen anzünden. Wir sollen nicht nach ihm rufen. Nachihmrufe bringen nichts. Ehrlich nicht.

Mein Gott, war das wieder eine herausragende, himmlische Kolumne. Mein Gott, waren das wieder unübertreffbar heilige Worte zu dieser Thematik. Dem Himmel sei gedankt dafür. Und nun werde ich mich meiner Gläubigkeit hingeben, dass man erst einmal jede Hand spielen muss. Glaubt mir und folget meinen Worten und meinen Taten. Im Himmel mag zwar bessere Luft sein, aber am Pokertisch ist ganz sicher mehr Spaß und die bessere Gesellschaft.


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