Kolumnen

Poker lehrt

Ich komme gerade von einem Vortrag bei der diesjährigen OMCap, einer Online Marketing Konferenz in Berlin. Dort habe ich den Tag als Keynote Speaker eröffnet und über Poker geredet: „Poker – Gedankengänge eines Pokerprofis“.

Von Online Marketing habe ich wenig Ahnung. Insofern war es ein ausgeglichenes Spielfeld, denn die ca. 250 Zuhörer hatten wenig Ahnung von Poker. Natürlich haben sie fast alle schon mal von Poker gehört, die meisten sogar schon ein Mal gespielt. Immerhin hat der Pokerboom in Deutschland einige Spuren hinterlassen. Aber über eine kurze Begegnung mit Poker im Freundeskreis ging es für die meisten nicht hinaus.

Besonders in den Dutzenden von Gesprächen im Laufe des Tages wurde klar, dass viele Poker nur als unterhaltsames Spiel betrachtet hatten.
Daran ist auch nichts falsch. Es geht mir nur nicht weit genug.

Viele der Konferenzteilnehmer haben sich für den spannenden Vortrag bedankt und waren überrascht von der Tiefe und Komplexität der Gedankengänge eines Pokerspielers. Viele haben Parallelen zu ihren täglichen Entscheidungsprozessen gezogen. Es war genau das Feedback, das ich von anderen Vorträgen und vor allem nach dem Coaching von den prominenten Gästen der TVTotal Pokernacht kenne. Alle sind begeistert und überrascht zugleich von den vielen strategischen Konzepten, die beim Poker zur Anwendung kommen.

Und das zeigt das Potential, das Poker in sich birgt.

Poker lehrt Logisches Denken.
Poker lehrt kritische Selbsteinschätzung.
Poker lehrt Risikobewertung.
Poker lehrt die Verarbeitung von massig Informationen. Unter Zeitdruck.
Poker lehrt Priorisierung von strategischen Konzepten.
Poker lehrt aber auch Gelassenheit, Wahrscheinlichkeitsrechnung, das Einschätzen von Gegnern, die Abhängigkeit vom zufälligen Ereignissen.

Poker lehrt.

Poker hat soviel Potential.

Poker wird auch mit Gefahren, negativen Einflüssen und Schreckensgeschichten in Verbindung gebracht. Wir kennen die Klischees.
Haus und Hof verzocken.
Alles auf eine Karte setzen.
Spielsucht.
Verbrecherspiel in Hinterzimmern.

Während ich diese Assoziationen nicht komplett abstreiten möchte (oder kann, denn einige sind zweifelsohne real), möchte ich doch darauf hinweisen, dass diese Gefahren nicht spielinherent sind.
Klar findet Poker in Hinterzimmern statt. Wenn es reguliert wäre, gäbe es sicherlich viele tolle PokerClubs.
Klar haben Verbrecher oft Poker gespielt. Aber halt, weil es das interessanteste Spiel ist. Was sollen sie denn sonst spielen, die Schurken? Monopoly? Wo nach 25 Minuten klar ist, wer gewinnt, es aber noch drei Stunden dauert? Wo kaum strategische Elemente auftauchen? Wo man mit einer Spielzeugschubkarre im Kreis würfelt? Aber diese Nachteile sind nicht pokerinherent. Sie sind sicherlich historisch gewachsen und sicherlich nicht aus der Welt zu diskutieren. Aber sie wiegen in keinster Weise die Vorteile von Poker auf.

Poker muss man nicht um viel Geld spielen. Poker muss man noch nicht mal um irgendwelches Geld spielen.

Im Juni war ich das erste Mal zu den Playoffs der DPSB Heads Up Team Liga in Hannover. Die Team Liga ist zu 100% motiviert durch den sportlichen Wettkampf und verzichtet auf jegliche Form von finanziellen Einsätzen und Preisgelder. Nichtsdestotrotz war der Enthusiasmus und das Engagement genau wie das Pokerniveau beeindruckend! Zwei Tage intensives Pokerspiel, auf hohem Niveau, auf eigene Kosten, mit 16 Teams aus ganz Deutschland.
Eine wirklich tolle Veranstaltung.

Poker braucht keine hohen Einsätze, um vielen Spaß zu machen. Aber Poker braucht eine Stimme, eine Lobby und vor allem ein besseres Image.

Ob es in bestimmte Definitionen von „Sport“ oder „Denksport“ genau reinpasst oder nicht, ist mir dabei relativ egal. Es ist aber jedem Pokerspieler relativ schnell klar, dass Poker ein Wettbewerb ist. Und zwar auf sehr hohem intellektuellem Niveau. Es sollte auch klar sein, dass man Poker wohlwollend zu Sport oder zu Denksport zählen kann. Viel wichtiger ist aber:

Poker ist absolut förderungswürdig.

Nicht jeder kann beim Poker langfristig Geld verdienen. Und noch weniger können davon leben. Das ist aber auch gar nicht unser Ziel.
Poker kann man eben auch gefahrlos ohne Geld spielen. Zeit und Einsatz reichen. Unse Ziel sollte sein, dass wir alle zu besseren Pokerspielern werden.


Abonnieren
Benachrichtige mich bei
36 Comments
Inline Feedbacks
View all comments