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Vom Charme der Casinoarchitektur

Diego Donnhofer hat das Montesino Wien besucht. Von den stilistischen Eindrücken vollkommen erschlagen, musste er diese sofort niederschreiben. Was dem selbsternannten Casinoinnenarchitekturkritiker so ins Auge gesprungen ist, lest Ihr hier.

Ausblick Montesino

Schon die Anfahrt zu den beiden großen Card Casinos in Wien ist durchaus eindrucksvoll. Ist das CCC malerisch unter der Stadtautobahnbrücke in der Gemeindebauhochburg Simmering gelegen (durchaus stimmig), erhebt sich das Montesino über einem Parkhaus zugehörig einer entvölkerten Shopping-Mall, in einem städtebaulich vernachlässigten Bereich zwischen Speditionen und Sondermüllverbrennungsanlagen.

Kennen wir das CCC schon als eine fensterlose Lagerhalle, dessen Betreiber statt eines Architekten (was kann der schon!) die Freundin eines Neffen mit dem Styling des Lokals betraut hat, so ist das Montesino in diesem Genre, selbst ein die Postmoderne hohnlächelnd hinter sich lassendes Inferno an architektonischen Missverständnissen. Das Konzept ein Glanzstück der wundervollen Allianz von Ignoranz und krimineller Dreistigkeit. Die Gestaltung des CCC mit seinen Plüschteppichen in dezenter Musterung, den Birke-Pressspan und Grablichtimitationen, was man in diesem Umfeld durchaus für nobel halten kann, solange das Personal Anzug trägt und nicht öffentlich raucht, ist durchaus noch von einer naiven Ehrlichkeit geprägt. Anders die Ausführung derselben Aufgabe im Montesino, die zwar im selben Geist, aber diesmal umgesetzt von ambitionierten Zynikern den Menschen vollkommen auf seine niedrigsten Instinkte zurückwirft.

Cashgame-Bereich

Durch ein sinnlos sich in Kanten und Plätzen verlierendes Gebäude voll unbrauchbarer entseelter Passagen, merkwürdig deplazierten Räumen (Montesino Essensausgabe: Jugendherberge 3***) und dann wieder unsinnig weitläufiger Gänge, in denen sämtliche Treppen so gelegt sind, dass man an allen Geschäften, die naturgemäß schon längst Pleite gemacht haben, heißt an all den potentiell leeren Schaufenstern, die das Montesino wohl billigst anmieten konnte, um sie dann avantgardistisch mit ausdruckslosen Schaufensterpuppen vor imitierten Spieltischen auszustatten, vorbei, kommt man in einen mit Pokertischen und Pappzwischenwänden willkürlich, anscheinend von der Putzbrigade, (hier kam nicht einmal die Freundin des Neffen zum Zug) verstellten Raum mit dem Charme von Jugendtreffs in der DDR. Der billige Beton und die mangelnde Aussicht mit „gefalteten“ Vorhängen verdeckt, die Tische verteilt nach dem System „such mich“, (die Tischnummerierung als Christbaumschmuck von der Decke hängend), die Bar eine Installation im noblen Stil des Bahnhofs Saarbrücken (im übrigen haben die Saarbrückner die Ausrede schwerer Kriegsschäden), alles in einer Farbe und Ornamentik in die sich Erbrochenes dezent einfügt, spricht eine deutliche Sprache hoch entwickelter Menschenverachtung.

Stimmig dazu kann das Montesino zudem mit einem akustisches Raum(konzept) punkten, das dem einer U-Bahn Station entspricht zumal die regelmäßig, schön laut eingespielte Stadionmusik den Verdacht des oben angesprochenen Kulturverständnisses erhärtet.

Bar

Die in diesem Rahmen eher seltsame Adjustierung der Dealer/innen (ua. weiße Krawatten) ist dann aber noch nicht das Ende der Geistlosigkeit.
Das Ende ist eine vor sich hin dünstende, das Versagen von jeder Art von Deo, Shampoo, Hautcreme oder Nagelschere manifestierende, Disney- Krawatten, Lederjacken und Stiefel zur Schau bringende Spezies von Mensch, die dicht gedrängt die oben erwähnten Räumlichkeiten bevölkern, um ihre Bedürfnis nach Sieg und Niederlage (oder nur Bestrafung) zu befriedigen.
Die Sportart bestimmt ja nicht nur die Garderobe, sondern natürlich auch die Physiognomie der Sportler. Pokern ist da (leider) nicht besonders vorteilhaft im Gesamtbild. (Schwimmen eher schon). Ich bin so schockiert, weil ich noch nie so einen Haufen …. an einem Fleck gesehen habe.

In der Gesamtschau stimmt das architektonische Ensemble wieder und man muss den Betreibern Recht geben keinen Cent in Gedanken an Stil investiert zu haben. Raumbenutzung trifft auf seine Benutzer.

Diego Donnhofer


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