Kolumnen

Zensur statt Liberalisierung

Schade. Spieler und Anbieter hatten die berechtigte Hoffnung, das Auslaufen des aktuell gültigen Glücksspielstaatsvertrags zum Jahresende werde als Anlass genommen, dass sich ein paar schlaue Köpfe mit Weitsicht aus Politik und Glücksspielbranche zusammensetzen, um mutig und entschlossen ein Gesamtkonzept zur schrittweisen Öffnung des Glücksspielmarktes für private Anbieter zu erarbeiten.

Im Idealfall könnte man schließlich alle Beteiligten befriedigen: Spieler kämen nicht nur in den Genuss eines größeren Spielangebotes, sondern sie hätten endlich Rechtssicherheit und dürften ganz legal im Internet oder im Cardroom um die Ecke spielen. Die deutsche Wirtschaft könnte durch Unternehmensansiedlung und Schaffung von Arbeitsplätzen profitieren. Marktgerechte Konzessionsabgaben und Steuern würden dabei zu Mehreinnahmen in Bund und Ländern führen, gegen die die aktuellen Glücksspieleinnahmen der Länder von 3,3 Milliarden (2010) verblassen sollten. Mit einer umfassenden Liberalisierung trocknet man zudem die illegalen Glückspielangebote automatisch aus, was wiederum zur Folge hat, dass  sich durch die so verbesserten staatlichen Zugriffs- und Kontrollmöglichkeiten die Maßnahmen zur Suchtprävention flächendeckend durchsetzen ließen.

Soweit der Traum. Die aktuellen Entwicklungen zeigen jedoch, dass man dem Glücksspiel hierzulande nicht auf Augenhöhe begegnen will, sondern es lieber wie einen ungebetenen Gast behandelt, den man höchstens duldet, solange er strenge Regeln einhält und keinen Ärger macht.

I. Entweder-Oder: Voraussetzung für das Monopol ist der Zweck

Im September 2010 hatte der Europäische Gerichtshof die deutsche Ausprägung des Glücksspielmonopols für europarechtwidrig erklärt. Ein staatliches Monopol benötige demnach einen rechtfertigenden Zweck; hierunter fällt z.B. der Schutz vor Spielsucht.

Suchtprävention, Suchtbekämpfung, die Begrenzung von erlaubten sowie die Verhinderung von unerlaubten Glücksspielangeboten sind zwar in der geltenden Fassung des deutschen Glücksspielstaatsvertrages als Ziele definiert (siehe: § 1 GlüStV). Jedoch stellten die Europarichter fest, dass unser Monopol tatsächlich der Durchsetzung fiskalischen Interessen dient und dass Glücksspiel hierzulande nicht eingedämmt, sondern gar staatlich gefördert wird (durch Werbung etc.).

Zwei alternative Konsequenzen mussten die Bundesländer aus diesem EuGH- Urteil bei der Ausarbeitung des neuen Staatsvertrages ziehen:

1. Entweder  am Monopol festhalten, dann aber wären wirksame Maßnahmen zur Glücksspieleindämmung und zum Spielerschutz notwendig.

2. Oder das staatliche Monopol aufgeben und den Markt für private Glücksspielanbieter öffnen.

II. Neuer GlüStV: Ein bisschen Liberalisierung mit XL-Restriktionen

Folgt man dem aktuellen Entwurf (Stand: April 11) der Neufassung des Glücksspielstaatvertrages (GlüStV-E), der ab 2012 gelten würde,  so sollen die Vorgaben des EuGH in Bezug auf die Lockerung des Monopols enttäuschend halbherzig, in Bezug auf die Maßnahmen zur Glücksspieleindämmung dagegen umso radikaler umgesetzt werden.

1. § 4d GlüStV-E: Nur 7 Konzessionen an private Wettanbieter

Es bleibt bei dem generellen Verbot für private Anbieter. Gemäß dem Erlaubnisvorbehalt sollen 2012 jedoch bundesweit Konzessionen unter strengen Auflagen an 7 Wettfirmen vergeben werden, die dann eine Abgabe von 16, 66 % der Wetteinsätze leisten müssen. Warum man sich gerade auf den Sportwettenmarkt und so wenige Konzessionen beschränkt, erschließt sich mir nicht. Auf jeden Fall stellt dieses Modell keine Abkehr vom Monopol dar.

2. § 9 Abs. 1 Nr. 5 GlüStV-E: Deutscher „Black Friday“- Die Netzsperre wird möglich

Internetaktivisten sowie IT- und Datenschutzrechtler sind sich einig, dass in folgender Regelung einiges an Zündstoff steckt:

„Die zuständige Behörde kann… Dienstanbietern im Sinne des Telemediengesetzes, insbesondere Zugangsprovidern und Registraren, nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote die Mitwirkung am Zugang zu den unerlaubten Glücksspielangeboten untersagen. Das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 GG) wird insoweit eingeschränkt.“

Hierdurch werden die Aufsichtsbehörden dazu ermächtigt, den Zugang zu ausländischen Glücksspielwebsites zu blockieren. Nach Meinung von Experten würde dies zu einer Totalüberwachung des Datenverkehrs führen und damit einen schwerwiegenden Eingriff in die Kommunikationsfreiheit darstellen. Ein solcher Grundrechtseingriff wäre aber nur dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn man Sperrungsanordnungen in Relation zum damit verfolgten Zweck als verhältnismäßig einstufen könnte. Diese Verhältnismäßigkeit wird hier jedoch einstimmig verneint. Dabei wird auf einen Vergleich mit dem sog. Zugangserschwerungsgesetz abgestellt, welches den Zugang zu Webseiten mit kinderpornographischen Inhalten durch die Erstellung von Sperrlisten verhindern sollte. Dieses Gesetz wird derzeit nicht angewendet und soll noch 2011 aufgehoben werden, eben auch aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken in Regierungskreisen gegen solche Sperrungsverfügungen. Schlussfolgerung der Kritiker: Wenn selbst die Bekämpfung von Kinderpornographie keinen ausreichenden Zweck zur Legitimierung von Netzsperren darstellt, dann erst recht nicht die Bekämpfung von unerlaubten Glücksspiel.

III. Fazit

Mit einer Netzsperre könnten die Länder zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen wären die Vorgaben des EuGH zur Aufrechthaltung des Monopols erfüllt, da man nun ein verdammt effektives Mittel zur Eindämmung von unerlaubten Internet-Glücksspiel an der Hand hätte. Zudem sind die Sperren wahrscheinlich auch notwendig, damit die zukünftige Vergabe von Konzessionen überhaupt Anwendung findet. Denn kein Anbieter wird sich auf existenzbedrohende Abgaben und Vertragsstrafen einlassen wollen, solange die Konkurrenz im Onlinebereich weiterhin ungehindert das große Geschäft machen darf.

Andererseits hat die Vergangenheit gezeigt, dass sich in Deutschland sehr schnell die Massen mobilisieren, wenn es um Eingriffe in die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und Kommunikationsfreiheit geht. Dass hier nur der vergleichsweise unbedeutende Bereich des Glücksspiels betroffen ist, wird daran nichts ändern, wie bereits jetzt diverse Protestaufrufe und Beiträge zeigen. So liegt die Vermutung nahe, dass eine Netzsperre, falls sie denn wirklich kommen sollte, wohl nur vorübergehender Natur sein wird und wir am Ende zum status quo zurückkehren werden. Näheres hierzu wird sich in den nächsten Monaten ergeben.

Fest steht aber schon jetzt: Wir verspielen gerade eine super Chance.


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