Der Wettanbieter Tipico hat keine Rückstellungen für Rückerstattungen an deutsche Spieler gebildet. CEO Axel Hefer erklärt in einem aktuellen FAZ-Interview, dass bislang keine finanziellen Vorkehrungen getroffen worden seien, um Spieler im Umfang von bis zu 20 Millionen € für ihre Verluste zu entschädigen. Der Grund dafür ist einfach: Bei Tipico geht man bislang nicht davon aus, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Unternehmen zu Rückerstattungen verurteilen wird.
Tipico setzt auf riskante Wette gegen Rückerstattungen
In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Urteile zu Rückerstattungen an Spieler, die vor dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrag 2021 bei Online-Buchmachern und in Online-Casinos Geld verloren hatten. Mal entschied ein Gericht zugunsten der Spieler, mal zugunsten der Glücksspielanbieter.
In diesem Jahr wird ein Urteil des EuGH (AZ I ZR 90/23) zu dieser Thematik erwartet, das juristische Klarheit schaffen soll. Entscheidend ist dabei die Frage, ob Anbieter wie Tipico vor der Einführung der neuen Glücksspielregulierung im Jahr 2021 in Deutschland Online-Sportwetten anbieten durften. Axel Hefer macht im aktuellen Interview deutlich, dass man bei Tipico diese Auffassung vertritt.
Ansonsten müsste das Unternehmen Rückstellungen in der Bilanz bilden, um mögliche Rückerstattungen finanzieren zu können. Doch derzeit sieht man bei Tipico kein hinreichendes Risiko, dass es zu Rückerstattungen kommen könnte. Erst wenn sich dies ändert, insbesondere durch ein entsprechendes Urteil des EuGH, werde man die nötigen finanziellen Schritte einleiten.
Tipico argumentiert, dass die damaligen EU-Lizenzen ausgereicht hätten, um in Deutschland Sportwetten anzubieten. Für dieses Argument spricht auch, dass Deutschland bereits ab 2012 Wettsteuer von Buchmachern mit EU-Lizenzen verlangte. Ob dies aber auch juristisch genügt, um die Legalität der damaligen Angebote zu belegen, wird sich zeigen.
Anders sieht die Situation bei Online-Casinos im Zeitraum vor dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags 2021 aus. Während Online-Buchmacher in Deutschland mehr oder weniger geduldet wurden, gab es derartige Regelungen für Online-Casinos (außer in Schleswig-Holstein) nie. Vor dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 wurde auch keine Glücksspielsteuer von Online-Casinos mit EU-Lizenzen in Deutschland verlangt.
Tipico setzt auf legales Geschäft in Deutschland
Tipico hat für das Geschäft in Deutschland eine Lizenz der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL). Auf dieser Basis wird es zumindest in Zukunft keine Probleme mit Rückzahlungen an Spieler aufgrund problematischer rechtlicher Rahmenbedingungen geben.
Tipico gehört zu den bekanntesten Namen auf dem deutschen Sportwettenmarkt. Laut Axel Hefer hat dies viel damit zu tun, dass Tipico sehr früh auf dem damals noch jungen deutschen Sportwettenmarkt mit zahlreichen Wettbüros präsent war. Aber auch aufwendige Werbekampagnen, über viele Jahre mit Torwart-Titan Oliver Kahn als Testimonial, haben sich tief in das Bewusstsein der Fußballfans eingegraben.
Hefer äußert sich im Interview auch zu der Kritik, die von Fußballfans immer wieder geübt wird. Der Tipico-CEO glaubt, dass ein großer Teil der Kritik auf Unkenntnis basiert. Ob das wirklich der Fall ist oder ob sich Fußballfans vielleicht auch um die Integrität ihres Sports Sorgen machen, kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden.
EuGH-Entscheidung gegen Tipico hätte erhebliche finanzielle Folgen
Sollte der Vorstand von Tipico falsch liegen bei der Einschätzung der juristischen Situation, könnte eine erhebliche finanzielle Belastung auf den Wettanbieter zukommen. Die Tipico-Bilanzen sind allerdings nicht öffentlich, sodass schwer einzuschätzen ist, wie einfach es für Tipico wäre, Rückerstattungen in Höhe von möglicherweise 20 Mio. € zu stemmen.