Kolumnen

Change

Aber gut. Da sich bereits andere zukünftige Literaturnobelpreisträger dieser hübschen Seite mit existenzphilosophischen Themen wie der Bedeutung des Geldes, dem Sinn des Lebens oder dem Streben nach Glück beschäftigen, werde ich Primitivling mich einfach zurücklehnen und über ein Pokerturnier berichten. Auch wenn mich dies wahrscheinlich meinen Job bei der Pokerfirma kosten wird – es ist zumindest authentisch und altersadequat.

Los geht’s. Ein Original von mir – für den Leser ohne Anspruch:

Nachdem ich meine ersten beiden EPTs in Prag und Budapest leider außerhalb der Geldränge beenden musste, wollte ich es in diesem Jahr noch einmal wissen und besorgte mir über Umwege ein Ticket für das WPT Finale. Nicht Las Vegas und keine $15.000 Buy In, sondern die Westspiel Poker Tour in Dortmund. Ein Sachpreisturnier.

Ich erinnerte mich an frühere Zeiten, wo es Horst Koch und die GPPA noch gab, und riesige Schafsherden, mich mit eingeschlossen, ihre letzten Kröten für einen Sit & Go mit Roulette-Struktur in die Mitte warfen, um am Ende die Chance auf einen 0815-LCD TV zu bekommen.
Doch schnell ahnte ich, dass dieses Turnier hier im Westspiel Casino Hohensyburg ein wenig anders sein sollte.

Mit einem 10.000er Starting Stack, angenehmen Blinderhöhungen sowie 30/45 min. Levels konnte man tatsächlich Poker spielen. Weiterhin lockten recht wertvolle Sachpreise im Wert von insgesamt rund € 300.000, wobei vor allem ein Audi R8 auf Platz 1 für erhöhten Speichelfluss sorgte. Nicht dass ich mir ein völlig neues Fahrgefühl erhoffte (ich fahre ja bereits Skoda), aber den Gegenwert dieses Wagens würde meine Bankroll sicher nicht ablehnen.

Im Vorfeld machte ich mir jedoch ein paar kleine Gedanken über Veränderungen:

Sollte ich mein Spiel überdenken oder gar eine Pause einlegen und mal wieder an der Uni vorbeilaufen? Sollte ich in diesem Jahr mehr Geld für Geschenke ausgeben? Hatte ich überhaupt noch Geld nach einer handvoll hochkarätiger Live-Turniere ohne Cash ?
Doch, ein bisschen war noch übrig, also besorgte ich mir eine Lkw-Ladung Bücher, welche sich immer gut und wahllos in meiner Familie verteilen lassen. Außerdem wurde ich dazu gezwungen, mehrere Exemplare von Goetz Schräge´s „ Der Schwärmer“ zu erwerben. Was soll ich zu dieser Buchstabensuppe sagen?… Naja, er hat es zumindest versucht.

Um meine momentanen Einstellungsprobleme zu beheben, mich neu zu motivieren oder vielleicht sogar um völlig neue Erkenntnisse zu erlangen, beschenkte ich mich selbst mit dem Buch „Poker Psychologie“. Leider wurde ich bereits in der Einleitung mehrmals beleidigt.
Ich rieb mir die Augen.

Da stand tatsächlich, wie schlecht und erfolglos mein Spiel doch sei, da ich mir ansonsten wohl kaum dieses Buch gekauft hätte. Wahrscheinlich wollte der Autor damit nur den Bullshit rechtfertigen, mit welchem der Leser auf den kommenden Seiten konfrontiert wird. Dank dieser Vorwarnung konnte das Buch direkt in den Muck wandern.

Schade. Dann eben ohne Motivation zur WPT!

Mein erster Eindruck von dieser Veranstaltung war sehr gut: Lobby sowie Turniersaal waren dekoriert mit Sportwagen, Harleys, dauergrinsenden Hostessen im knappen, weihnachtlichen Outfit oder nur mit Bodypainting „bekleidet“ –  Klischees wurden bestens erfüllt.

Optisch nicht minder attraktiv die beiden Blogger-Koryphäen der Pokerfirma Stefan „ Duke“ Hachmeister und Markus „Ossi“ Knoll , welche ebenfalls vorort waren. Neben erstklassiger Berichterstattung fiel vor allem Markus durch neuartige, atemberaubende oder zumindest kostenlose Massagetechniken auf. Auch die Eröffnungsshow, eine nette Vegas-Kopie plus Vorstellung der einzelnen Westspiel-Casino-Manager war sehenswert, wenn auch etwas zu lang für meinen Geschmack.

Schmackhaft, schnell, einfach, handgerecht und somit genau mein Ding war auch das Buffet – Hackbällchen, frisches Laugenbrot und ein Quoten-Apfel reichen vollkommen aus, um mich glücklich zu machen.

In der ersten Turnierpause passierte es: Fanboys kamen auf mich zu. Der eine fragte mich tatsächlich, ob er ein Foto mit mir machen könnte. Im Ernst? Ich musste lachen, woraufhin sein Kollege mich noch bat, sein behaartes Dekolletee zu signieren. Na endlich! Motivation pur! Audi R8 ich komme!

Ich kam natürlich nicht. Mein Turnier verlief relativ unspektakulär: Bis zum Ende des Starttages pendelte mein Stack zwischen 10k und 25k. Mit halben Average konnte ich in den letzten 20 Minuten direkt preflop pushen. Und dies tat ich auch ein paar Mal, da ich nur ungern völlig crippled in den Finaltag gehen wollte. Der Aufdoppler blieb leider aus. Ich wurde ein letztes Mal umgesetzt, als es schnell zur finalen Hand kam:

In später Position pushte ich first in mit K5 s; der Big Blind, ein mir völlig unbekannter Full Tilt “Pro“, überlegte sehr lange und entschied sich letztendlich, gut ein Drittel seines Stacks mit A9 zu riskieren. Fragwürdig aber letztlich die richtige Entscheidung – Ace high hielt.

Da ich jedoch auf keinen Fall ohne einen letzten Live-Turnier- Cash in das neue Jahr rutschen wollte (schlechtes Omen), entschied ich mich, noch das € 250 Buy-in Side Event am nächsten Tag zu spielen. Ca. 90 Spieler gingen an den Start und ich hasste sie alle, wollten sie doch mein persönliches Mini Happy End vereiteln und mich mit starken Selbstzweifeln in die Feiertage schicken.

Mit der Brechstange erreichte ich am Ende den Final Table.   – Und somit wurden aus frischen Vorsätzen banale Worthülsen. Ich beschloss einfach so zu bleiben, wie ich war. Warum auch nach Veränderungen streben. 2009 kann kommen. Prosit Neujahr!


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