Kolumnen

Ein Mädchen in Vegas – Teil 1

Also wende ich eine für mich völlig einfache Technik an: Nicht durchzudrehen, mit „Dealer-Ruhe“ drüber nachdenken! Egal was passiert, egal wie genervt ich bin und wie gerne ich meinem Gegenüber einfach eine reinhauen möchte.  Schließlich kann man Sätze wie „Oh Gott, die schon wieder“ oder „Jungs, die geht gar nicht“ manchmal nicht komplett ausblenden und dann heißt es  – ruhig bleiben.

Ein Koffer hat keine Empfindungen. Der liegt einfach nur da und wartet und ich greife zur Methode, an etwas Schönes denken und lächeln.  Der Rest ergibt sich von ganz allein. Was benötigt ein Mädchen in Vegas? Neben den völlig langweiligen Sachen wie T-Shirts, kurzen Hosen und Unterwäsche, dürfen natürlich etliche Pflegeprodukte nicht fehlen. Am Wichtigsten, besonders in Vegas, ist die Sonnencreme. Jedenfalls in meinem Fall! Ich werde erst rot, um dann hinterher wieder weiss zu werden, der Fluch der rothaarigen Menschen lastet auf mir. Jeder hat so sein Päckchen zu tragen, ne! Nach Sonnenschutz 30 fürs Gesicht, 20 für den Körper und noch 50 wenn’s gar nicht geht, schmeiss ich noch 4 Paar Schuhe, eine Ersatzhandtasche, braucht man halt, meinen Föhn, mein Glätteisen, klar meine Haare sind natürlich von Natur aus so arschglatt, und den Rest meiner Sommerklamotten rein und fertig bin ich schon.  – Mein Koffer und ich werden wohl doch noch Freunde.

Draufsetzen beim Zumachen ist ja sowieso Standard und los geht’s. Ich mache immer alles auf den letzten Drücker, bei einem Pokerspieler als Freund habe ich mir dieses nervige Verhalten einfach selbst angewöhnt, dann stresst es mich nicht mehr. Zwei Minuten später steht meine Freundin vor der Tür, um mich nach Hannover zum Bahnhof zu fahren, doch, wir haben in Bad Oeynhausen ebenfalls einen Bahnhof, aber so muss ich nicht umsteigen und meinen fast 25 Kilo schweren Koffer nur einmal in einen Zug hieven. Alles klappt wunderbar. Am Flughafen in Frankfurt treffe ich dann Vanessa, die Freundin von Jan Heitmann. Beim Check-In wundere ich mich dann über die Zettelwirtschaft die sie mit sich rumschleppt und werde in diesem Gedanken von der – wie heissen die eigentlich – „Check-In-Frau“ nach meiner ESTA-Nummer gefragt! What? ESTA-Nummer! Hab ich nicht! Vanessa fragt erstaunt, ob George mir nicht davon erzählt hat, dass man die wohl 72 Stunden bevor man fliegt beantragen muss?! Entschuldigung, wir sprechen hier von George Danzer! Einfach die „Dealer-Ruhe“ auspacken und gelassen bleiben. Die „Check-In-Frau“ empfiehlt, das noch irgendwie zu klären, weil sie nicht sicher ist, ob ich ohne Nummer einreisen kann, kommt auf die Stimmung des Einreisefuzzis in Amerika an.

George hat’s verbockt, soll er’s auch klären. Ich rufe ihn an und erkläre ihm in einem für meine Verhältnisse wirklich ruhigem Ton, um was es geht und was er nun machen soll! Nachdem Vanessa mir versichert hat, dass sie am Telefon durchgedreht wäre und ich selbst meine Gelassenheit ein bisschen bewundert habe, klingelt schon das Telefon und George gibt mir die Nummer durch. War was?

Im Flugzeug bin ich immer ziemlich schnell gelangweilt und gezwungen, mir dumme Gedanken zu machen, meistens über die Menschen um mich herum. Und das passiert mir wirklich nicht allzu oft, aber in solchen Situationen vermische ich mein „normales“ Leben mit meinem „Pokerleben“ und versuche mir vorzustellen, wie die einzelnen Personen sich am Pokertisch verhalten! Dabei interessiert mich weniger, wie sie welche Hand spielen, sondern viel mehr, wie sie sich dem Dealer gegenüber verhalten. Links neben Vanessa sitzt ein Typ, der so ziemlich den gesamten Flug über, irgendwelche Autos auf ein Stück Papier zeichnet, hört sich weniger cool an als es in Wirklichkeit war! Die Autos waren ziemlich genau gezeichnet und das brachte er auch noch in einer unglaublichen Geschwindigkeit zu Papier. Er ist natürlich der Kreative, der sich irgendwelche Ausreden einfallen lässt, warum er seine Platzreservierung beim Cash-Game nicht einhalten konnte, jetzt aber bitte trotzdem einen Platz möchte und der bei jeder Gelegenheit mit der Dealerin flirtet, weil er denkt es hilft. Tut es übrigens NICHT.

Vor uns saß ein Pärchen. Sie wirkte eher aggressiv und unruhig, er dagegen einfach nervig und anstrengend. Beides aus Dealersicht keine optimalen Eigenschaften, aus anderer Sicht auch nicht, aber darum geht’s ja hier nicht. Mir persönlich ist dann aber doch das aggressive und unruhige ein bisschen lieber. Ich bin selbst viel zu schnell aggressiv und unruhig und wenn dann jemand in der Nähe ist, der noch schlimmer ist, dann beruhige ich mich schnell. Wo hingegen ein nerviger und anstrengender Mensch mich wirklich auf die Palme bringen kann. Die aggressive Frau würde ihren Ärger wohl eher in sich hineingrummeln und vielleicht mal einen bösen Blick in meine Richtung werfen, mit dem ich gut leben kann, der nervige Mann jedoch wird völlig hibellig und fängt an mich anzuquatschen und mich nervös grinsend um bessere Karten zu bitten. Das geht nicht, du Vogel.

Hinter uns gehören offensichtlich zwei Reihen zueinander, denn ein Typ unterhält diese Reihen komplett bzw. er versucht es. Das ist der Entertainer. Unsicherheit und schlechte Spielweise versucht er mit dummen Sprüchen und noch dümmeren Geschichten aus seiner eigentlich wahnsinnig erfolgreichen Pokervergangenheit zu überspielen. Das sind mir die Liebsten. Den Müll muss nämlich meistens ich mir anhören, ich kann ja nicht weglaufen und werde schließlich dafür bezahlt, genau DAFÜR bin ich ursprünglich eingestellt worden, damit ich dem Nabel der Welt, dem besten Pokerspieler aller Zeiten, weiss nur noch keiner, zuhören kann.

Es gibt aber auch die angenehmen Spieler! Sie sind höflich, mir und anderen Spielern gegenüber, sie erzählen auch mal an den richtigen Stellen Geschichten, die dann auch wirklich interessant und lustig sind und sie sind einfach ruhig, wenn nicht der Zeitpunkt zum Sprechen ist. Diese Beschreibung passt, zu meiner Überraschung, aber auch zu meiner Freude, auf die meisten der Fluggäste. Das lässt hoffen. Meine Überlegungen und „Sieben Leben“ mit Will Smith (sehr toller Film) haben mich jetzt mit etwas weniger Langeweile nach Charlotte gebracht. Ich schätze mein Hintern ist auch mitgekommen, sicher bin ich aber nicht?! Den Flug nach Vegas hab ich dann verschlafen und um 20 Uhr sind wir endlich da!

Begrüßung hier, Begrüßung da, ab ins Haus! Begrüßung hier, Begrüßung da, die nette Poker Today Belegschaft wohnt mit im Haus und dann will ich nur noch duschen und schlafen! George hatte wohl andere Pläne und hüpft aufgeregt fragend durch die Gegend: „ Was machen wir jetzt? Wollen wir zum Strip fahren? Hast du Hunger? Wie war der Flug? Und und und?“ Und in diesem Moment fällt mir ein, was ein Mädchen in Vegas unbedingt braucht…die „Dealer-Ruhe“! Morgen fahren wir zum Strip, morgen…


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