Kolumnen

Eine Kolumne soll es werden, Blogs sind nicht mehr erwünscht

Jedenfalls sollte man von mir keine mit Fremdwörtern gespickten, hoch auf Stilismus und Dramaturgie achtenden Artikel erwarten, dafür gibt es den Kollegen Schrage. Ich soll etwas niederschreiben, das hoffentlich ein paar Leute interessiert. Gar nicht so einfach, wenn man zur Zeit kein Poker spielt, das aber der einzige Bereich ist, in dem man seine Kompetenzen gegenüber anderen sieht.

Da berichte ich doch lieber von meiner kleinen Reise. Mit dem Zug nach Prag. Ich liebe das Zugfahren. Ich würde auch nach Las Vegas mit Zug fahren, Wenn es nicht so weit wäre und wenn ich dort nochmals hinwollen würde. Prag ist außerdem praktisch mit der Bahn zu erreichen. Wahrscheinlich schneller als mit dem Flieger, wenn man die ganze stressige Zufahrt zum Flughafen mit einrechnet.

Jedenfalls liebe ich das Zugfahren, das monotone Geräusch dabei, das zum Lesen und Nachdenken verleitet, die kleinen Ortschaften, an denen man vorbeifährt, die Bewegungsfreiheit im Vergleich zu einem Flugzeug. So kam es, dass ich mich durch Teile von Zeitungen und Magazinen im Wert von 30 Euro las, ab und zu Musik hörte und ansonsten mit Kafka dem Land Respekt zollte.

Die Zugfahrt war ein Erlebnis für sich und als ich ausstieg fühlte ich mich wie damals, lange vor Poker, als ich noch über breitere Interessen und jugendliche Wissbegierde verfügte. Ein schönes Gefühl.

Ich traf eine Freundin und wir gingen zum Coldplay Konzert. Die Band spielte bemüht auf und die Stimmung war dementsprechend großartig. Chris Martin studierte extra ein paar tschechische Floskeln ein, nur blöd für ihn, dass er seine einzige Forderung des Abends, nämlich nach 5 Minuten Ruhe für “The Hardest Part”, nur auf englisch sagen konnte. Auch zu einem Vergleich von Chris Martin und Bob Dylan sollte es mich anregen.

Das Bob Dylan Konzert diesen Sommer in Wien war nämlich subjektiv betrachtet ein großer Reinfall, die Songwahl suboptimal und der Sound gerade zu peinlich. Nun werden viele einwerfen, Bob Dylan ist ein Original und überhaupt, er und seine Mundharmonika sind einfach eine Sache für sich. Das hat natürlich was Wahres und dem kann man nicht so ohne weiteres widersprechen.

Doch dann zückte Chris Martin seine eigene Mundharmonika während einer Acapella Version von “The Scientist” und plötzlich war der Kampf um den Sieger in meiner persönlichen Castingshow entschieden. Eine nette Zugabe gab es auch noch.
So schön dieser Moment auch war, er sollte an diesem Abend noch getoppt werden. Gleich anschließend nämlich, auf dem Heimweg.

Einen eher gemütlichen Rolltreppenfahrer wie mich schüchtern die Highspeed Modelle der Prager Untergrundbahnen extrem ein und voller Sorge blickte ich auf zwei blinde Pensionistinnen, die auch noch durch die Menge an Konzertbesuchern zur ohnehin überfüllten U-Bahn wollten. Doch sie meisterten die Schwierigkeit bravourös, während ich wieder nicht umhin kam, meinem Vordermann sozusagen beim Absprung einen kleinen Stoß mitzugeben.
In dieser ganzen etwas komischen Situation musste ich auch daran denken, wie diese zwei Blinden wohl das Konzert erlebt haben müssen und ich war glücklich, das die Tour Coldplay nach Prag geführt hat. Jedenfalls durfte ich an diesem Abend überaus zufrieden durch die schöne Prager Altstadt spazieren. Der Kopf war frei, das Gefühl war gut und wieder einmal offenbarte sich mir eine Fülle an Leben abseits des Pokertisches.

PS. Kleiner Pokernachtrag aus der Goldenen Stadt. Eine Freundin hier erzählte mir nach dem Konzert, dass sie mit dem Full Tilt Grillset, welches sie von einer Independence Day Party bei Phil Gordon mitgenommen hatte, bei jedem Grillfest in ihrem Prager Studentenwohnheim ein willkommener Gast sei.


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