Kolumnen

Florian Silbereisen, Albert Camus und meine vollschlanke Nachbarin

Zeilen wie „ Ich glaub an Gott, ich  bet zu ihm  – Er hat mir schon so oft verziehen – Und wenn einer sagt es gibt ihn nicht – So gibt es ihn doch für mich“ gemahnen mich unaufdringlich und musikalisch an den Tag des Herren.

Über die religiösen Ansichten meiner Nachbarin weiß ich wenig, ihre irdene Begierde jedenfalls gilt ganz allein Florian Silbereisen, besonders seitdem sie Hansi Hinterseer aus mir unerklärlichen Gründen verstoßen hat.  Säuberlich gestappelte DVDs, Cds und noch ein paar ehrwürdige, wenn auch langsam verstaubende Videokasetten. Bereichert wird diese Sammlung seit kurzem durch ein für die Nachwelt aufzeichneten Auftritt von Florian Silbereisen bei der Pokerstars.de TV Total Pokernacht. Gewonnen hat der Junge und meine vollschlanke Nachbarin von schräg gegenüber hat alles gesehen, kaum was verstanden und war trotzdem mächtig stolz.

Bisher war alles, was uns verband, der gemeinsame Hass auf den unbekannten Psychopathen, der sein Styropor in den Altpapier Container stopft, und jetzt haben wir was pokerspielendes Singendes gemeinsam. Zeit das Kriegsbeil zu begraben und die Sache von jenem düsteren Sonntag ein für allemal zu vergessen und am besten gar nicht mehr darüber zu sprechen.

An Sonntagen widme ich mich ganz gerne den komplizierten Büchern meiner doch recht ansehnlichen Bibliothek. In meinem Job als Chefredakteur von Pokerfirma.de muss man Bildung zumindest gekonnt vortäuschen. Auch kein leichtes Unterfangen, wenn man sein ganzes Leben den Karten, den Frauen und dem Fußball widmet und den Rest der Zeit  auf der Pirsch nach Pekuinären versucht, das alles zu finanzieren. Seit Jahren scheitere ich an Albert Camus „Der Mythos des Sisyphos“ und seit Jahren versuche ich es immer und immer wieder aufs Neue – quasi „sisyphös“ im Ansatz. Und dann war mir das ganz ehrlich gesagt eine Belastung zu viel mit der Musik von schräg gegenüber: „Ich glaub an Gott ich bet zu ihm …..“ Was würde Camus dazu sagen, wenn er nicht schon bald seit fünfzig Jahren tot wäre? So habe ich mir meinen existenzialistischen schwarzen Rollkragenpullover anzogen und meinem Recht nach sonntäglicher Ruhe und Bildungszuwachs beharrt – in angemessener Eindringlichkeit selbstverständlich.

Vielleicht klopf ich heute wieder an und vielleicht nehme ich eine Schachtel Pralinen und wir verfolgen gemeinsam die Live-Berichte und Videos und solange Silbereisen nicht singt, drücken wir gemeinsam die Daumen und wenn es sein muss bis zum Finaltisch. Und wenn wir dann wieder Freunde sind, meine vollschlanke Nachbarin von schräg gegenüber und ich, verhandeln wir über einen stillen Sonntag und dann versuche ich es nochmals mit dem Myhtos und dem Sisyphos.

Übrigens und passend zu meiner Theorie der angewandten Bildungsvortäuschung. Einen Satz von Albert Camus aus ebendiesem Werk kann ich bereits zitieren und es ist – bei aller Bescheidenheit  – der beste und schlaueste Pokersatz, der jemals gesagt wurde. Hilft in allen Lebenslagen und ganz besonders vorteilhaft in der Anwendung für chronische Bubbleboys: „Es gibt kein Schicksal, welches nicht durch Verachtung überwunden werden kann“. Das sitzt und wirkt und ich stehe jetzt auf und läute drüben an. Einfach so und ohne Plan. Drücken Sie mir die Daumen und Florian Silbereisen selbstverständlich auch.

PS: Ich hoffe die Anwälte von Ralph Siegel klagen mich nicht wegen unerlaubten Zitierens seiner Songtexte.

PPS: Und für alle die glauben, einen universell schlaueren Pokersatz zu kennen, nur zu. Benutzen Sie die Kommentarfunktion. – Unter allen Versuchen verlose ich (richtig geraten) ein Exemplar von „Der Mythos des Sysiphos“.


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