Kolumnen

Johannes „Seri Ace“ Vogel – Alles nur kein Portrait

Aber genau das wird nie passieren und genau das legitimiert meinen Versuch. Möge die Übung gelingen und hoffen wir ein wenig auf Wahrhaftigkeit. Ich mag den Jungen und ich wünsche ihm nur das Beste. Zugegeben auch keine Kompetenzgarantie, aber immerhin eine schöne Entschuldigung.

Johannes „Seri Ace“ Vogel ist wieder da. Sein Auftritt bei den PokerOlymp-Open ein sentimentaler Triumph des charismatischen, aber scheinbar verlorenen Sohnes. Zwei Turniere gespielt und zwei Turniere gewonnen. Viel besser geht es nicht. Ein Buch hat er sich mitgebracht. Einen inhaltlich voluminösen Roman hinter den man sich trefflich verschanzen kann, um den Blicken deren auszuweichen, die sich von den Schadenfreude geleitet, monatelang das Maul zerreißen konnten. Wobei Johannes Vogel vielleicht mehr Probleme mit den Wohlmeinenden haben dürfte. Mit Missgunst umgehen muss man einfach können, wenn man sich schon als ganz junger Spieler aus dem virtuellen Fenster lehnt, um die Welt an seinen Erfolgen am Pokertisch teilhaben zu lassen.

Seri Ace

Heute werden seine Video-Blogs aus alten kommunikativen Tagen gerne zum „Kult“ erklärt. Einen Begriff, den wir alle gebrauchen, wenn etwas unerklärlich anders und gut ist und man es jemanden, der es aus sich heraus nicht zu verstehen und erfassen vermag, irgendwie erklären möchten. Wir erinnern uns an den großen Jungen mit den ebenso großen Augen in seinen wechselnden Wohnzimmern. An seinen Kampf mit den Zigaretten, der nikotinmäßigen Last mit der Lust. Immer wieder wurde dem Glimmstängel cora publikum abgeschworen, um dann die mitleidende und mitleidige Pokeröffentlichkeit mit Sätzen wie: „Jetzt rauche ich wieder nach zwei Tagen und es fühlt sich super an“ zu beruhigen. Der Junge raucht wieder und es ist wahrscheinlich in dem seltenen Fall auch schlauer, weil es dümmere Dinge gibt, mit der man die Ambivalenz seines Lebens zudröhnen könnte.

Das Missverständnis von uns allen und selbstverständlich auch von mir bestand ja darin, anzunehmen, Johannes „Seri Ace“ Vogel würde zu und mit uns sprechen. Irgendwo sagt er einmal: „Black Jack, Roulette und all die anderen Casino-Games die es da gibt sind die Gefahr. Das wollte ich hierbei nur mal mir selber gesagt haben.“ Sich selbst was zu sagen, ist gar nicht so schwer, sich selbst zu glauben, wird dann aber manchmal steinig und schwer und ob das in dem Fall auch immer gelungen ist, darf bezweifelt werden.

Keinen Zweifel hatte anfänglich die immer schlaue Pokerindustrie. Einer der tatsächlich irgendwann mit den berühmten 5 Dollar angefangen hatte, um sich in schwindelerregende Höhen zu spielen. Von Händen wurde nur noch in Zehntausenderpaketen gesprochen und die Gewinnkurve zeigte steil nach oben. Aber ganz egal, wieviel er damals auch gewann, das Gefühl des Verlorenseins bestärkte sich für all die, die ein wenig hin schauten.

Die Zimmer wurden größer aber nicht heimeliger. Johannes Vogel war ein begehrter junger Mann auf der Suche nach einer repräsentativen Bleibe und auch da durften wir alle dabei sein. Ein Haus wurde gemietet, aber nicht bezogen. Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg – der Hauch von Dekadenz manifestiert in einer besprochenen Taxifahrt von Hilden nach Hamburg. Irgendwie schräg, irgendwie sonderbar und irgendwie ein wenig traurig.

Kommen wir nochmals zum PokerOymp Open. „Homo Faber“ von Max Frisch war der Roman mit dem sich Johannes Vogel die Zeit am Pokertisch so erfolgreich und wohlgenutzt vertrieb. Max Frisch eine schlaue Wahl. Ich erinnere mich zufällig an die erste 1-Millionen Euro-Frage bei Günter Jauch. Ein junger sympathischer Student der Philosophie und Musik. Wer denn als Architekt ein Freibad in Zürich erbaut habe, wollte Jauch wissen. Der alkoholkranke Frauenheld Joseph Roth, Friederich Dürnmatt, Martin Walser und eben Max Frisch standen zur Auswahl. Der junge Student schien fast ein wenig beleidigt über den geringen Anspruch dieser Millionenfrage und gab die richtige Antwort: Max Frisch.

Hoffentlich findet Johannes „Seri Ace“ Vogel auch die richtigen Antworten auf seine Fragen, bei denen es vielleicht um viel mehr geht als nur eine schlappe Million. Einen Konzertflügel wolle er sich kaufen, sonst brauche er nicht viel – das war die Antwort des jungen Philosophiestudenten auf die Frage von Günter Jauch, was er denn anfangen wolle mit dem vielen Geld. Johannes „Seri Ace“ Vogel hat auch eine Menge Geld aus Schenfeld mitgenommen. Hoffentlich weiß er auch, was er braucht und vor allen Dingen was er nicht braucht.

Schließen möchte ich diese vielleicht gescheiterte Annäherung an ein Portrait mit einem Max Frisch Zitat. Weil es so gut passt und ich weiß, dass es schlau ist, ohne es selbst genau zu verstehen. „Jeder Mensch erfindet sich früher oder später seine Geschichte, die er für sein Leben hält“. Ob erfunden oder nicht, was spielt das schon für eine Rolle. Möge Johannes „Seri Ace“ Vogel eine schöne und glückliche Geschichte für sein Leben halten oder besser noch möge sie zu seinem Leben werden. Manchmal sind Bücher wirklich die besten Freunde und manchmal ist es schlau sich zurück zu ziehen – ich weiß wovon ich da schreibe. Aber noch schöner ist es, wenn man dann wieder auftaucht. Und Johannes „Seri Ace“ Vogel wird wieder auftauchen und darauf dürfen wir uns jetzt schon freuen und gespannt sein, welches Buch er das nächste Mal mitbringt. Es wird das richtige Buch sein. – Ich weiß das einfach, weil ich es mir so wünsche.

Götz Schrage


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