Kolumnen

Liz Lieu, der Rumäne und Ich

Ich habe keine Ahnung wie ich hierher gekommen bin, aber jetzt ist nicht der Augenblick für Analysen. Was zählt, ist hier und jetzt, sie in ihrem schulterfreien, roten Etuikleid und ich. Irgendwo im Haus kracht ein Grammophon Pucciniarien. Sie erhöht und ich bin mir nicht sicher, ob es ihre tiefbraunen Augen sind oder der hohe Einsatz, welcher mir den Atem nimmt.

Es ist grausam, mit welcher Beiläufigkeit sie mir weh tut. Ich sehe in einer raschen Flucht auf meine Karten, den Cocktail, die Chips, meine Fingerknöchel und dann wieder auf sie. Ich versuche, mich auf mein Spiel zu konzentrieren. Schweiß glitzert fein auf ihren Schultern. Ihr Blick über die Sonnenbrille bohrt sich für den Bruchteil eines Augenblicks in meine Seele, ihre eleganten Finger streichen unterdes über Ihre Karten. Sie lacht und fasst sich mit einer Hand in ihr Haar. An ihrem Körper ist das hypnotisch sachte Wiegen einer Kobra. Ich bezahle ihren Einsatz.

Die ersten drei Karten am Tisch. Ich richte mich innerlich auf und lächle sie an. Mit dem linken Mundwinkel grinst sie klingendünn zurück. Mein Herzklopfen übertönt das Rauschen der Wellen und mein Vorgehen wird gläsern. Ihr graziles Re-raise hat die Anmut einer Boden-Luft-Rakete kurz vor dem Einschlag, vom Ziel aus betrachtet.

Turn. Ich stürze wieder aus meiner vorgetäuschten Gefasstheit, wie aus einem Wolkenkratzer, unrettbar in Lizs samtfeine Lockungen hinab.
Jetzt wissen wir beide, dass ich meine Hand überspiele, aber diese Frau ist jeden Dollar wert.

Die letzte Karte. Die Luft ist heiß und träge. Auf dem Wasser vom Pool springen Sonnenblitze, die auf ihrer Sonnenbrille widerstrahlen. Jetzt ist nichts außer dem Zirpen der Grillen zu hören. Mit einer generösen Bewegung, mit der sie ihre Sonnenbrille in ihr weit ausgeschnittenes Dekolltee hakt, haucht sie ein sanftes: All-In.

„Hey, spielst du?“
Warum starren mich alle an? Wie, ich soll setzen?
Bin ich eingenickt? Wo ist Liz? Wo sind die Palmen, die Sonne, der Strand?
Rund um mich wieder Neonlicht und Teppichböden.
Was spielen wir den hier überhaupt? Ach ja Hold’em 10/20…ich weiß schon. Mit dieser Hand soll ich wirklich das Re-raise des dicken, schwitzenden Rumänen mir gegenüber callen? Nein, wirklich nicht! Ich nehme meinen Drink, gehe an die Bar und träume weiter von der wundervollen Zeit, welche ich mit Liz gehabt hätte.

Die Siegerin schenkte dem Verlierer eine Nacht.


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