Kolumnen

O Baden where are thou ! – Das Ende einer Liebe

Kennt Ihr das Gefühl: Eure Lieblings-TV Serie mit David Hasselhoff wird nach 17 Staffeln ohne Grund abgesetzt und durch die Simpsons ersetzt. Oder der favorisierte WC-Duft wird vom Hersteller leicht modifiziert und kommt einfach nicht mehr an die kuschelige Note des Alten ran. Oder dann trifft man nach Jahren eine Ex-Flamme wieder, für welche man in jungen Jahren nächtelang geschmachtet hat und die nun wieder Single sein soll. Leider hat sie sich anstelle zu Cindy Crawfort zu der aus Marzahn entwickelt. In allen drei Fällen sitzt man mit bibbernder Unterlippe da und ganz langsam sinkt die Erkenntnis ein, dass man die lang gehegte Liebe endgültig aufgeben muss. Wut runterschlucken, Tränen wegwischen und weitergehen!

So in etwa fühle ich mich momentan, wenn ich dort hingehe, wo man sich gemäss Eigenvermarktung im „Mekka des Pokerns“ befinden soll. Es wird immer klarer, dass im Zusammenhang mit dem Umbau des Grandcasinos Badens und der damit verbundenen Verbannung der Pokertische ins Untergeschoss, auch der Stellenwert von Poker in Baden ein paar Prozentpunkte nach unten gesunken ist. So in etwa in den Bereich eines 2-Outers. Wenn ich da an die glorreichen Anfänge und den Pokerboom zurückdenke, dann erfüllt es mich mit Wehmut. Wie war das doch, als die alte Garde die nOObs beim Stud Cash Game wie Rotwild ausgenommen hat. Oder aber die Turniere auf Wochen hinaus ausverkauft waren. Und wer erinnert sich nicht mehr an die ersten grossen Turnierwochen, als Baden zusammen mit Everest einen grossartigen Rahmen inkl. Partyzelt und Ambiente schuf. Der Geschichten und Schwelgereien sind so viele !

Mehr als nur eine Baustelle
Zeiten ändern sich und Baden reagiert im Moment gerade auf die neuen Rahmenbedingungen. Trotzdem ist schwer nachzuvollziehen, wie in letzter Zeit mit den Pokerspielern umgegangen wird. Die Art und Weise würde in jedem Marketing-Lehrbuch Platz finden: „Kapitel 13 – Leider Nein!“.

Die Mängelliste ist lang und umfasst viele Teilbereiche. So hat es Monate gedauert, bis endlich klar war, wie fest und in welcher Form sich das Pokerangebot nach dem Umbau verändern wird. Die Gerüchte scheinen sich zu bewahrheiten: Es geht in den Keller und die Anzahl der Tische wird auf 6 reduziert. Zudem findet Poker neu zwischen Automaten und Rauchern statt: Wer muss sich bei einem 7.6K CHF Pot schon konzentrieren, ist ja eh alles nur Glück! Wann und in welcher Form die nächste Championsweek stattfindet, ist ebenso unklar. Es wäre natürlich schon spannend zu wissen, wie und ob man sich für gewisse Turnier qualifizieren kann/muss. Allerdings gehörte die Kommunikation (via Internet) noch nie zu den Stärken von Baden, warum sollte sich das nun ändern. Dass es allerdings ein 100 Mio CHF Betrieb wie Baden nicht fertig bringt, eine wild gewordene Klimaanalage im Pokerroom  so zu dämpfen, dass man nicht gleich schockgefroren wird, ist ein Armutszeugnis und zeigt die Wertschätzung gegenüber den Pokerspielern. Über die Qualität des Gastroservice und des Dealings gibt es ja schon seit längerem Klagen. Allerdings gehen die Meinungen bei den Dealern weit auseinander und es ist  wohl wie beim Fussball: Für den Verlierer ist immer der Schiri Schuld. Hey Dealer, ich weiss wo Dein Haus wohnt…

Wobei ich die Dealer und Floors auch in Schutz nehmen muss: So wie ich als Lohnunabhängiger die Situation einschätze, sind sie genauso unter- und desinformiert. Nur werden sie von uns Kartenjunkies  auch noch permanent angepisst. Da wundert es nicht, dass das Pokerteam ein paar gewichtige Abgänge zu verzeichnen hat. Denn dieser Fisch stinkt vom Kopf her und wieder beschleicht mich das dumpfe Gefühl, dass für die Wärter des Jahresberichtes eigentlich nur die schlechten Pokerspieler gute Kunden sind. Denn nur sie müssen die Zeit vom Turnier bis zum Cashgame mit Spielen an den Automaten überbrücken, resp. die beim Pokern erlittenen Verluste mit Roulette und Blackjack wieder ausgleichen *hüstel*.

Die ESBK als Sündenbock, wie bizarr…
Ich bin überzeugt, wenn man die Casinoleitung mit den Vorwürfen konfrontieren würde, dann käme wie aus der Pistole geschossen, dass die ESBK mit den Zürcher Lizenzvergabe an einen anderen Betreiber exklusiv an dem momentanen Schlamassel Schuld ist und man gezwungen sei, zu redimensionieren. Prima, aber warum im Pokerbereich? Lange war gar nicht klar ob und in welcher Form in Zürich überhaupt Poker angeboten wird. Hinzu kommt, dass gerüchteweise auch Basel seinen Pokerbetrieb einstellt. Hätte man da nicht die Chance packen müssen und sagen sollen: Hey, lasst doch die Schnösel in Zürich glitzern und glänzen, wir bauen hier ein ‚echtes‘ Poker-Mekka auf. Anstatt dessen hat man am Tag nach dem ESBK Entscheid einen Drittel der Belegschaft auf die Strasse gestellt. War das Selbstmord aus Angst vor dem Sterben? Und das alles nachdem man wie ein Pitbull auf Koks um die Pokerspieler gekämpft hat und bis vor Bundesgericht gegangen ist. Wenn 6 Tische alles ist, was von diesem Sieg übrig bleibt, dann sagt das viel über die ursprüngliche Motivation aus, mit welcher unzähligen Cardrooms inkl. Angestellter der Gar ausgemacht wurde.

Vom Regen unter Umgehung der Traufe direkt in die Schei….
Es gibt Stimmen die darauf verweisen, dass das Casino Zürich in Kürze seine Pforten öffnet und dass die es ja vielleicht besser machen. Ganz ehrlich, glaube ich da nicht dran. Oder wie ist das zu verstehen, wenn ein Casino auf seiner Homepage verkündet „…während die durchschnittliche Einkommenssituation der Gäste bestehender Schweizer Casinos weitgehend diejenige der Gesamtbevölkerung widerspiegelt, richtet sich Swiss Casinos Zürich an ein gut situiertes Publikum, das sich den Casinobesuch besonders gut leisten kann“. Sitze ich bald mit Phil Ivey und Durrrr „Chranke-Siech“ Dwan an einem Tisch und spiele PLO 200/400 ? Und ob die anderen Casinogäste meine Sneakers und meinen Gangsta-Hoodie genauso sexy finden, wie Ihre Brioni-Anzügen und Gucci-Täschli, darf bezweifelt werden. Es gibt natürlich noch andere Alternativen. Wer einen Helikopter und Landerechte im Verkehrshaus besitzt dem sei das Grand Casino Luzern wärmstens empfohlen, Die machen einen riesen Job. Nur müsste man die Stadt wegbomben, damit man im Feierabendverkehr auch wirklich dahin kommt. Die restlichen Casinos haben sich bisher puncto Poker nicht mit Ruhm bekleckert und dürfen ignoriert werden. Vielleicht müssten wir dann Campione halt doch irgendwann mal  ganz annektieren. Bleibt in letzter Instanz bleibt momentan doch nur die legale Illegalität oder dann halt Bregenz. Well played Bundesgericht !

Ich weiss nicht, ob es ich als regelmässiger Gast von Baden, das Recht habe, diese Zeilen zu schreiben, denn eigentlich kackt man nicht dahin, wo man isst. Aber irgendwann, wenn der Schleier der Liebe gefallen ist, dann kommt Wut. Wut, begleitet von der inbrünstigen Hoffnung, dass doch noch alles wieder gut wird. Aber auch begleitet von der Angst vor weiteren Enttäuschungen. Was das alles fürs Pokern im Gesamtkontext bedeutet, ist nicht klar. Aber die sich ankündigende Öffnung des Pokermarktes für gute, private Anbieter kommt keinen Moment zu früh. Und möglicherweise richten sich ja die Proteste in der islamischen Welt bald nicht mehr nur gegen die Mohamed-Schmäh-Videos, sondern konzentrieren sich neu auch auf das Grandcasino Baden: Wer Mekka so in Verruf bringt, der muss mit fliegenden Steine und brennenden Barrikaden rechnen.

In diesem Sinne Inshalla und Aloha, taffareu

Mit freundlicher Genehmigung von buy-in.ch.


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