Kolumnen

Pokerbuchschreiben für jedermann

Haben wir den Beschluss einmal gefasst, ist es das wichtigste einen knackigen Titel zu finden. Viele Anfänger vergeuden unnötige Zeit mit dem Verfassen ihrer Texte, statt sich dem Ausdenken eines viel versprechenden Titels zu widmen. Der garantiert schon den halben Erfolg. Der Titel sollte etwas mit dem Werk zu tun haben, notwendig ist es aber nicht.

Handelt es sich zum Beispiel um einen Poker-Kriminalroman, so kann der ruhig „Mord im Casino“ heißen, selbst wenn die Verwicklung sich im Hotel nebenan abspielt, überhaupt niemand ermordet wird, sondern nur der völlig unwesendliche Freund des Helden von einer Kellnerin träumt, der vergiftet wurde.

Handelt es sich um eine Poker-Liebesgeschichte zwischen zwei Spielerinnen (sehr fortschrittlich), wenn nach langem hin und her Katja die Liz endlich doch verlässt, so nennen wir das Werk “Götz“. Der ist zwar nur der Croupier im Hinterzimmer des kleinen Casinos, in dem die beiden sich heimlich treffen und spielt überhaupt keine Rolle für den Verlauf der Handlung, aber er verrät auch nichts über das eigentliche Thema. Das genügt.

Als nächstes müssen sie sich entscheiden, welcher Gattung der Roman angehören soll.

Da gibt es den Poker-Schlüsselroman (pikant), Poker-Kriminalroman (spannend), Poker-Gesellschaftroman (mehrbändig, überraschend), den gängigen Poker-Liebesroman (tränenreich) usw.

Vom intellektuellen oder sozialkritischen Pokerroman rate ich ab. Sie bekommen meist gute Kritiken, aber nur wenige Leser. Empfehlenswert sind besonders die beliebten Mischformen, also ein Poker-Gesellschafts-Liebesroman, ein Zukunfts-Pokersittenroman oder ein sozialkritischer Poker-Schlüsselroman. Vor allem, wenn wir an eine spätere Verfilmung der Vorlage oder an die äußerst lukrative Umarbeitung in eine acht Staffel taugliche Fernsehserie denken.

Zur Verdeutlichung ein Beispiel: Um einen einfachen Poker-Liebesroman handelt es sich, wenn der Casinochef eines in einem noblen Stadtteil gelegenen Casinos sich in die attraktive Croupiere verliebt und sie nach ca. 300 Seiten blödsinniger Missverständnisse und umständlicher Verwicklungen endlich heiratet.
Ist der Autor gezwungen, die Affäre in ein kleines Dorf nach Lateinamerika zu verlegen und die Namen von Kramser in Belhombre und der Dealerin Rosa in Salma zu ändern, weil er selbst als Floorman in eben jenem Casino arbeitet, handelt es sich um einen Schlüsselroman.
Wird die sich anbahnende Liebesbeziehung zwischen dem Casinochef und der Croupiere plötzlich durch einen Mord im High Limit Room und das Auftauchen eines Kommissars gefährdet und stellt sich zudem heraus, dass der Tote der frühere Geliebte der Croupiere ist, haben wir einen Kriminalroman vor uns. Erfahren wir, dass der Casinochef früher ein Verhältnis mit einer italienischen Putzfrau des Casinos hatte, die sich im Verlauf der Handlung als reiche Principessa entpuppt und dem verstoßenen Sohn des Geliebten zur Ehe mit einer armen pokerspielenden Studentin verhilft (die in Wirklichkeit eine amerikanische Dollarmillionärin ist); so weist dies auf einen Gesellschaftsroman hin.

Um einen Anti-Roman handelt es sich, wenn der Casinochef bei den intimen Begegnungen mit der Croupiere plötzlich aus dem kommunistischen Manifest vorzulesen beginnt und schließlich in die psychiatrische Abteilung einer Klinik eingewiesen werden muss.
Der Leser bleibt völlig im Unklaren, was mit den übrigen Personen der Handlung geschieht, da plötzlich ein in der Nähe gelegenes Kernkraftwerk explodiert und nur die Mitglieder der Irrenabteilung überleben. Der verrückte Casinochef übernimmt wieder seine frühere Funktion und wendet seine Liebe nun einem dem Versuchslabor entkommenen Affen zu.

Von einem Antiroman ist dringend abzuraten, wenn man einen Bestseller plant. Wer hingegen einen Literaturpreis anstrebt, sollte, erstens: einen negativen Helden wählen, der sich und andere verdirbt. Die Geschwindigkeit seiner Korrumpierung hängt vom geplanten Umfang des Romans ab.

Zweitens: reichlich Philosophie und sozialkritische Gedanken rund ums Pokern in das Werk einstreuen. Sie dürfen vielfältige Themenkreise berühren und keinesfalls nur vom Titelhelden geäußert werden. Besonderen Beifall von interessierter Seite erhalten Sequenzen über die Sinnlosigkeit des Pokerlebens, der Verfall des Kapitals durch Korruption, die Rolle des Einzelnen in der Gesellschaft, die Verlorenheit und das Geworfen sein des Individuums uvm. Auf Verständlichkeit und eine fortlaufende Handlung brauchen wir keine Rücksicht zu nehmen.

Wünschen wir hingegen den Durchschnittsleser zu erreichen, müssen wir den intellektuellen Höhenflug bremsen, was zwar eine gewisse Selbsterniedrigung zur Folge hat, der Verkäuflichkeit aber dienlich ist. Doch brauchen wir auf existenzielle oder pokerhistorische Erkenntnisse nicht verzichten. Das Büro des Casinochefs, die Garderobe, der herrliche Casinopark im Mondlicht, das karge Kleinappartment der pflichtbewussten Croupiere (vor dem Beischlaf mit dem Casinochef) eignen sich vorzüglich als Schauplätze tiefsinniger Reflexionen über Tod, Vergänglichkeit, das Spiel an sich, die Gier nach Geld etc etc ..

Selbstverständlich haben Sie noch die Möglichkeit eines Pokerfachbuches, dies erfordert aber in keiner Weise fundamentiertes Wissen.
Sie, als Pokerspieler fassen einfach Ihre Bad Beat Stories zusammen und nennen dieses Machwerk: „Pokern wie ein Profi“. Natürlich brauchen Sie ein wenig Selbstüberschätzung, aber die ist dem geborenen Pokerspieler in die Wiege gelegt.

Wie man seine Poker-Memoiren in Buchform erfolgreich vermarktet, wenn man erst 24 Jahre alt ist und nur einmal versehentlich bei einer Promotionveranstaltung des Casinos Bad Homburg ein Straight erglückte und bei Ihrem zweiten Pokerversuch bei einem Online-Freeroll mit der ersten Hand rausflogen, erfahren Sie in meinem nächsten Buch.


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