Kolumnen

Und plötzlich ist man vorne

Wir waren mit dem kompletten deutschsprachigen Team vor Ort. Jeder konnte uns im Heads Up oder auch per SnG zeigen wo der Hammer hängt. Dazu boten einige von uns in offenen Themenworkshops ihr Fachwissen an. Doch man muss schon sagen, die wirkliche Show gehörte den Amerikanern. Selbst ein Mathematiker wie ich, dem ja nur allzu leicht menschliche Züge aberkannt werden, bekam eine Gänsehaut, als das Team Full Tilt von Licht und Soundeffekten getragen die Showbühne der vollen Hallen betrat.

Vor allem aber möchte ich heute auf eine Begebenheit eingehen, die sich in Salzburg in meinem Taktikworkshop zugetragen hat. Zehn Spieler aus dem Publikum spielten am Pokertronic Tisch NL Holdem. Ich hatte nur 20 Big Blind ausgeteilt, wollte vor allem auf die ersten Setzrunden eingehen, erklären, wie man Valuespots ausmacht und warum man auf die Bluffline zunächst einmal gerne verzichten kann. Im Publikum sah man immer alle Hände, ich sah diese nicht.

Das gefällt mir. Denn so kann es zwar vorkommen, dass ich mich aufgrund der konkreten Kartenvergabe mal verhaue, aber dafür sieht das Publikum, dass ich nicht aufgrund der konkreten Kartenverteilung zu bestimmtem Verhalten rate, sondern auf Grund der taktischen Situation. Das gibt meinen Aussagen mehr Gewicht, macht sie integer.

Dann geschah dies. UTG minraist. Das sind ja gleich 10% des gesamten Stacks. UTG+2 callt und unmittelbar danach 3-bettet ein Spieler. Ich erkläre dem Rest des Tisches, dass offensichtlich gerade Krieg herrscht und dass man sich hier nur einzumischen hat, wenn einen QQ+ entgegen springt. Letztlich spielt UTG mit und das ganze Geld fließt zwischen UTG und dem 3-Better. Als der 3-Better mit A7s gewinnt, erkläre ich ihm, daß er zwar gewonnen hat, seine Hand aber keinen Value trägt. Dass er nicht einmal als Openraiser gegen die 6 dann verbleibenden Randomhands Value in der Hand hat.

Denn A7 fürchtet 77+ und A8+. Die Summe dieser 14 Kombinationen hat eine Auftrittswahrscheinlichkeit pro Spieler von knapp 11%. Doch diese Chance hat jeder der 6 Spieler im Rücken von A7. Mittels Milchmädchenmathematik käme man somit auf 2/3 Wahrscheinlichkeit, dass ein Openraise gegen 6 unbekannte Hände vom Kollektiv ge-own-t wird. Nun ging aber eine UTG Minraise, die zudem bereits gecallt wurde, dem 3-Bet von A7 voraus. Schnell und überzeugt behaupte ich, dass keine einzige Hand im Range von UTG liegt, die A7 nicht rult.

Dazu befrage ich UTG himself. Schon seine konkrete Hand A5 lässt mich fast das Mikro verlieren, dann meint er noch, auch A2 so zu spielen. Für KQ und KJ sieht er die Sache ebenso. Doch KT läge nicht mehr im Range. Nach den Paaren frage ich gar nicht mehr.

Ich rudere also etwas zurück, ein Fehler bleibt A7 aber natürlich dennoch. Denn selbst gegen diesen wirklich unerwarteten Range, liegt A7 öfter hinten als es vorne ist:

A7 führt gegen A6 – A2, KQ und KJ, was absolut einen Range von 8,4% abbildet.
A7 liegt gegen 66 – 22 in etwa gleich auf, was 2,25% Wahrscheinlichkeit hat.
Schließlich wird es von AA – 77 und AK – A8 klar geschlagen, was eine Wahrscheinlichkeit von 10,8% aufweist.

Man sieht also, obwohl hier Dinge passiert sind, die mich echt überraschen, bleibt es fehlerhaft, in solche Action mit einer Hand wie A7 hineinzufahren. In den Muck damit und Schluss.

Zahler zocken – Könner kalkulieren
Stephan M. Kalhamer
the-gambling-institute.de


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