Kolumnen

Von der Rückkehr des Vierpunktespiels

Rau ist das Klima und leider auch das Gegnerfeld. Als wir in Baden baden gingen, lag das Geld in sprichwörtlich auf der Strasse. Hier, mit einem Buyin gerade mal ein Zehntel des Badener Niveaus, fällt es mir traurig schwer, klares Edge für unser mit Silke, Thomas, Jürgen und Jan stark besetztes Team auszumachen. Tja, Poker ist schon irgendwie verrückt. Da fliegen wir extra auf die Insel, haben Phantasien von guinessvernichtenden, jetonsverschleudernden Briten im Kopf. Und was müssen wir sehen?

Team am Pier

Tight teedrinkendes Teampoker der Iren, Schotten und Waliser mit einer Ruhe vorgetragen wie man sie nur beim berühmten britischen Queuing erlernen kann. Einzig die Engländer selbst erweisen sich durch manches Gastgeschenk als freundlicher Host. Dazu kommen die sehr gut aufgestellten Franzosen und mein persönlicher Turnierfavorit: Ungarn.
Was für eine Enttäuschung!

Die Organisation und die Struktur sind super. Des von der APAT macht einen tollen Job. Freundlich, kompetent und für alle offen nachvollziehbar leitet er die Veranstaltung. Auch hier wieder diese paradoxe indirekte Proportionale: Je mehr Geld hinter einer Veranstaltung steckt, desto besser müsste doch das Management sein? Hier aber sehe ich eine Lowbudget Geschichte mit wirklich fähigem Personal (und eben leider auch Playerpool).

Nun aber genug davon, nehme ich es eben ausnahmsweise Mal nicht streng mathematisch, also rein PlusEV orientiert, sondern versuche mich an dem Gedanken zu erfreuen, dass wir hier tolle „Kompetition“ haben. Tag für Tag höre ich mir dieses paradoxe Pokermärchen an, mach ich eben mal mit und freue mich über gute Gegner. „Denn solche Gegner können wir besser ausspielen, wenn diese verstehen was Sache ist.“

Nein! Ich kann das nicht. Es ist und bleibt erstrebenswert, möglichst schlechte Gegenspieler am Tisch zu haben. Punkt. Wer mit Suckern nicht zu Recht kommt, ist auch selbst kein guter Spieler. Punkt. Es macht den guten Spieler aus, die (Un)fähigkeit des schlechten Spielers zu erkennen und entsprechen zu handeln. Never bluff a Monkey, eben. Punkt und aus und Schluss.

Wie steht es nun um uns? Day one ist vorüber und wir liegen mit Platz 4 in Lauerstellung. Die APAT stellt den Verlauf recht nett und zeitnah online. Bisher standen 8 SnGs und 2 HeadsUps auf dem Plan. Ein Durchgang besteht aus 4 SnGs mit jeweils einem Landesvertreter pro Tisch, wobei die Punkteverteilung pokeruntypisch linear vorgegeben ist. So bringt der erste Platz 5 Punkte, der Zweite 4, der Dritte 3, der Vierte 2 und der Fünfte noch 1 Punkt. Tight ist da nicht nur right, sondern even righter! Wir setzten unsere Marschroute, als Kollektiv in die Punkte zu kommen und erst danach in eine kontrollierte Offensive überzugehen, um. In 7 von 8 Turnieren erreichten wir die Punkte. Leider sprang trotz vieler guter Spots keine Topplatzierung heraus.

Träume in Brighton

Thomas Kings fanden Preflop in den irischen KQ einen willkommenen Zahler, weniger willkommen war dann das Runner-Runner-Board und gut 60% aller Chips am Tisch wanderten in die falsche Richtung. Da mussten wir schon schlucken. Jürgens Szenario übertraf Thomas 90%er noch an Tragik, wenn gleich das Geld preflop „nur“ mit gut 7:3 für uns floss. Er brachte die Kohle mit AK gegen A5 im Battle of the Blinds unter und sofort küsste ihn das Glück am Flop durch einen K. Hätte nicht auch Judas Jesus durch einen Kuss verraten, so wäre dieser Kuss der wohl gemeinste. Denn Fortuna verbündete sich wieder mit den Lucky Irish und präsentierte sich sogleich mit Runner Runner 55 als Maitresse des Feindes. Auch in Jürgens Hand waren mehr als 50% aller Jetons am Tisch involviert. Unsere Spieler hatten die Gegner dort, wo man sie gerne sieht: im Hintertreffen.

Fast schon nebenbei verlor Jan in seinem Keygame die Asse gegen Pocketfives. Silkes letzte Hand führte sie gegen zwei Gegner ins Preflop Allin. Ihr AQ stand gegen jeweils 2 freie Karten. Das Board traf nur einmal, leider nicht bei uns…
Wir hatten aber auch Glück und zogen für unser erstes Heads-up eine Wildcard. Im zweiten Heads-up schickten wir Jürgen ins Rennen gegen den Irischen Glücksklee aus dem erwähnten AK Desaster.
Und kaum ist der Artikel zu Ende, schon macht die Überschrift richtig Sinn: Denn hier handelte es sich um ein klassisches Vierpunktespiel wie man es aus den Bundesligaabstiegskämpfen vor Einführung der 3 Punkteregel noch kennt.
Der Sieger bekommt zwar nur 2 Punkte, doch da diese Punkte einem direkten Konkurrenten zufielen, macht das Delta zwischen Sieg und Niederlage gleich 4 Zähler aus. Im Vergleich dazu bringt ein Heads-up Sieg in den SnGs nur einen zusätzlichen Punkt.

Jürgen machte seine Sache sehr gut. Er lotete innerhalb weniger Hände das Handlungsspektrum aus, prüfte wie der Gegner auf Standardopernings reagierte und war ständig Herr des Geschehens. Zu guter Letzt hatte er den Gegner am Turn mit Kickerproblem All-in. Diesmal fiel keine der drei noch im Deck befindlichen Wunderkarten und die Punkte gingen nach Deutschland.

Wir haben 19 Punkte. Frankreich führt mit 27 vor Ungarn mit 26 und Irland mit 25. Heute sind noch mal 136 Punkte zu holen. Es steht das finale MTT an. Der Erste erringt 16 Punkte, der Zweite 15 bis hinunter zu Platz 16 mit immerhin noch einem Punkt. Es ist noch alles drin. Morgen möchte ich mit „bright in Brighton“ eröffnen. Bis dann.

Zahler zocken – Könner kalkulieren
Stephan M. Kalhamer
the-gambling-institute.de


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