Das erste Match vs. Antonius ist nach 3 Sessions und ungefähr 5.000 Händen zu ca. 10% vorüber. Der Lead wechselte nach jeder Session, aktuell liegt Tom vorne, aber noch ist kein Trend zu erkennen. Soweit , so bekannt. Ich möchte hier darlegen, was Toms Angebot eigentlich bedeutet – wie stark und auf welchen Feldern er sich der Welt gegenüber im Vorteil wähnt, da doch zumindest er selbst, seine Wette als PlusEV sehen sollte. Vielleicht ist sie es auch…
Als Maßstab für Cashpartien wird meist der Quotient BB/100, also gewonnene Big Blinds pro 100 gespielte Hände, herangezogen. Dies macht auch Sinn. Jede Pokerpartie beginnt mit dem Kampf um die Grundeinsätze. Je effizienter man diese erringt, desto höher ist die eigene Überlegenheit einzuschätzen.
Tom sieht sich im Vorteil. Klar! Jeder, der ein HeadsUp spielt, muss sich – zumindest unter Rationalitätsannahmen – im Vorteil sehen. Ich zum Beispiel spiele nur dann HeadsUp, wenn ich mich meinem Gegner überlegen fühle. Da dieser natürlich auch das Recht hat, so feige oder wirtschaftlich (je nach Standpunkt) seine Gegner zu filtern, ist streng genommen jedes HeadsUp ein einziger großer Irrtum! Denn entweder spiele ICH zu Unrecht gegen mein vermeintliches Opfer oder umgekehrt. Wäre Pokerskill so transparent wie etwa Spielstärke am Tennisplatz, würden bei Leibe nicht so viele um so Vieles HeadsUp spielen. Spinnt man diesen Gedanken gar zu Ende, gilt dies sogar für jede Form von Poker. Doch der Irrtum funktioniert und wir haben Spaß dabei! Beati sunt pauperi… wie auch immer.
Zurück zum Thema: Wie viel ist Toms angenommener Vorteil wert? Seine Erwartung ist einfach hoch zu rechnen. Erwartet er zum Beispiel 1 Big Blind pro 100 Hände zu erspielen, so ist die Action, die er für 50.000 Hände bekommt, für ihn $400 x (50.000 /100) = $200.000 wert. Gewinnt er gemäß dieser Erwartung, so siegt er natürlich auch in der Sidebet und gewinnt zusätzliche $500.000. Verliert er aber, so sind neben dem Verlust am Spieltisch weitere $1.500.000 zu bezahlen.
Die Differenz von 1 Million ist Lockmittel und zu bewertendes Angebot zugleich. Die besondere Situation, in die Tom seine Gegner und sich selbst versetzt, muss das zusätzliche Risiko kompensieren, um ein für Tom interessantes Geschäft daraus zu machen. Die Wette verändert vor allem dreierlei:
– Die Action. Tom bezahlt quasi dafür, ein Heimspiel bestreiten zu dürfen. Er bestimmt die Limits, die Dauer, die simultane Anzahl der Tische. Er kann also Partien spielen, die sonst in dieser – seiner gewünschten – Form nicht stattfinden würden oder – gerade wenn Tom hier wirklich ein Edge hat – schnell zusammenbrechen. Er sieht vielleicht also sein Edge in der Ausnutzung des Momentums: Spieltischübergreifendes spielen auf einen Mann.
– Die Gegner. Die Herausforderer sind allesamt selbst Favoritenrollen gewohnt. Gerade Ivey, Antonius und auch Benyamine sind bekannter als Tom. Vielleicht hat er sie dadurch zwar nicht gleich auf Tilt, aber doch ein wenig aus ihrer Comfortzone gebracht.
– Das Finish. Ein Art „Torschlusspanik“ könnte gegen Ende einer jeden solchen Partie noch einmal richtig viel Geld für denjenigen einspielen, der in dieser Situation, wo die Sidebet zum eventuell alles entscheidenden „Mutterpot“ wird, besser agiert. Auch hier muss Tom klares Edge für sich sehen, um profitabel diese Wette anbieten zu können.
Einen vierten Punkt möchte ich separat erwähnen. Ist Tom schlau – wovon klar auszugehen ist – dann wird er spätestens jetzt beginnen, das von ihm ausgelöste Medieninteresse, bewusst für sich auszunutzen. Vielleicht also ist es am Ende Tom, der over all freerollt…
Zahler zocken – Könner kalkulieren
Stephan M. Kalhamer
the-gambling-institute.de