Mit Stolz erfüllter und Sakkoinnentasche voll von Geldscheinen gefüllter Brust, laufe ich mit dem Gefühl eines Unbesiegbaren durch die Straßen. Mit einer Geste wie Abramovic beim Spielerkauf gebe ich dem Obdachlosen das Geld für seine Zeitung und dazu noch Trinkgeld, so viel, dass es für uns beide peinlich sein sollte, mir nicht. Ich lache innerlich jeden aus, der nach zehn Stunden Stress in stickiger Luft gehetzt aus dem Büro kommt und noch schnell zu Aldi rennt. Ich gehe in mein Kaffeehaus und echauffiere mich, dass ich zu lange auf meinen Espresso warten muss, ich der Star des Backgammons, ich der Beste, ich der Unbesiegbare.
Wann immer ich das Kaffeehaus betrete, sitzt Aret dort. Aret ist ein alter, weiser Armenier mit grauen Haaren und gepflegten Manieren, Anzug und kurzgeschnittenem, weissen Vollbart. Er sitzt immer am selben Platz, trinkt immer den selben Tee und trägt immer dieselbe, geheimnisvolle Mappe mit sich. Aret ist Märchenerzähler, er erzählt mystische und heitere Geschichten aus dem alten Orient, von Tänzerinnen und Derwischen in einem kleinen Theater. Wenn Aret mich sieht, so voll von fehlgeleiteter Selbsteinschätzung sagt er zu mir: „Werthan ich möchte dir helfen“, macht dann eine bedeutungsvolle Pause, „Lass uns Tavla spielen.“
Wir spielen dann nur um einen Kaffee die drei Varianten des Backgammons: Tavla, Fewga und Plakoto und nach kurzer Zeit, bezahle ich gedemütigt und fürchterlich besiegt Arets Kaffee und habe doch gewonnen, nämlich Bescheidenheit. Wenn ich glaube unbezwingbar zu sein, ist es gut einen Freund wie Aret zu haben, der für eine Tasse Kaffee mir meine Grenzen zeigt und diese Grenzen hat jeder Spieler. Oft sehe ich Pokerer, welche einen kleinen Lauf am Pokertisch haben und dann völlig selbstüberschätzt zu hohe Limits spielen und fragwürdige Moves machen, um dann in kurzer Zeit wieder alles zu verbraten. Ihnen fehlt Bescheidenheit und ein Freund wie Aret, der ihnen hilft für einen Espresso, ebendiese wieder zu erlernen.
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