Kolumnen

„Poker ist keine saubere Branche“ Ein Interview mit Deniz Yavuz

Werthan trifft in einem Nürnberger Cafe Deniz Yavuz und er sieht blendend, erholt und völlig entspannt aus. Manchmal läutet das Telefon. In den Telefongesprächen geht es über eine Sportbar, die er eröffnen wird, ein Telefonat mit seiner Freundin ums Abendessen und irgendetwas auf türkisch. Vor dem Interview Small-Talk und wir reden darüber ob er von Pero oder Ali etwas gehört hat (Hat er nicht) und wann er wieder auf Turnieren zu sehen ist (bald).


Seit der Aufdeckung des Full Tilt Skandals #1 in Salzburg ist jetzt fast ein Jahr vergangen. Du bist ja damals nicht gut weggekommen bei der Berichterstattung und bei dem „Kang-Tribunal“.

Ja, ich war Kangs Hauptschuldiger.

Warum hasst dich Ben Kang?

Vielleicht ist sein Penis zu klein. Ich weiß es nicht. Er hat mit Full Tilt gute Klickzahlen erzielt und über meine und andere Schultern gutes Geld verdient. Jetzt hat er einen guten Status unter den Pokermedien.

Kein Gram?

Was soll ich mit dem Kerl? Ich hab keine Rachegelüste oder sonst etwas. Im Grunde hat er nur seinen Job gemacht, das heißt, seine Redaktion. Am Ende stand er als Held da und so Leute wie Thomas Kremser und ich als Idioten. Was mich an Ben Kang und seiner Seite stört, ist, dass er nur die kleinen angeht, wie zB. den Tassilo Wik. Aber die Großen lässt er in Ruhe. Es ist falsch nur einen oder zwei anzuprangern, wenn Großkonzerne, wie Full Tilt, die Mitschuld tragen. Da habt ihr alle versagt Pokerfirma, Pokerolymp und die anderen. Gemeinsam hätte man damals eine Kampagne machen können für bessere Sicherheitsvorkehrungen bei den Turnieren und was passiert? Nichts! Statt dessen verbrennt man den Yavuz und steinigt den Kremser. Ich denke mit vereinten Kräften hätte man damals etwas bewegen können, aber diese Möglichkeit war leider schnell verpufft.

Ich denke du wirst von Full Tilt ohnehin keine Aufträge mehr bekommen. Jetzt im Nachhinein kannst du es ja sagen: Hast du deiner Meinung nach damals richtig reagiert?

Ich musste eine Entscheidung treffen. Sagst was los ist und sag ich die Wahrheit, dann gibt’s ein Erdbeben in der Branche. Oder du bist mitverantwortlich und schwärzt niemanden an und tust auch nichts dagegen, auch als Schutz für die Branche selber. Ich entschloss mich, die Fresse zu halten und die Sache als das zu sehen was sie war, nämlich bereits passiert. Tatsächlich war es so, dass ich Full Tilt am nächsten Tag Bescheid gesagt habe. Die Reaktion von Full Tilt war: „Deniz, das Ding ist abgedreht, ist im Kasten und alles andere interessiert uns nicht.“. Wie soll ich in dieser Situation reagieren? Ich hab die Verantwortung für 150 Dealer und 40 Floorleute und ein Sicherheitssystem, das ohne Ende Lücken hatte. Auf die Sicherheitslücken hab ich Full Tilt mehrfach aufmerksam gemacht…

Kam das Sicherheitsystem von Full Tilt?

Nein, aber Full Tilt hat mir die Budgets für ein richtiges Sicherheitssystem nicht freigegeben. Wir hatten kein Logistik-Check, keine Chiprunner, manche Bereiche sind offen gestanden. Da lagen die Chips in Tüten offen herum und die Chips mit denen gespielt wurde, wurden in Chipkoffern dann auch noch verschenkt. Also einfacher kann man es den Leuten ja wirklich nicht mehr machen. Ich hab dem Veranstalter die Sicherheitsprobleme erklärt und als Antwort kam immer: „Das ist ein Freeroll-Turnier, es interessiert uns nicht.“ Aber es ist doch nicht nur Full Tilt. Nehmen wir doch Pokerstars und die EPT. Die machen ein Turnier mit 8.800 Buy-in und nehmen 800 Fee und die Sicherheitslücken gibt es bei einer EPT genau so.
Es sieht immer so aus, als ob die die Veranstalter Idioten wären. Tatsache ist aber, dass es vom Auftraggeber keine Budgets gibt, um vernünftige Sicherheitssysteme zu entwickeln.
Die Sicherheitssysteme gibt es ja schon. Ich hab vielen Casinos Sicherheitskonzepte vorgeschlagen. Aber es ist kein Interesse da. Der Casinobetreiber sagt: „Interessiert mich nicht. Hauptsache der Spieler kommt und spielt“. Am Rouletttisch sind fünf Kameras und drei Leute, die auf den Tisch aufpassen, an dem fünf Leute spielen. Und in einem Pokersaal, in dem 200 oder 300 Spieler sitzen, ist ein Turnierdirektor und vier Floorleute und sonst nichts – keine Kamerasysteme, keine Checksysteme. Die meisten Casinos hatten nicht mal Infrarot-Kameras um markierte Karten zu entdecken. Dann spielen sie Montags ein Turnier für €20 Buy-in und mit den gleichen Chips spielen sie am Samstag ein 500er Freez-out.

Also das bezweifle ich, dass solche Fehler noch immer gemacht werden.

Aber klar doch! Noch immer. Das ist doch eine alte Chose. Das ist ja die Problematik, die in der Branche herrscht, diese Doppelmoral. Die Leute sagen immer, Schuld ist der Thomas Kremser, schuld ist der Tassilo Wik, schuld ist der Deniz Yavuz und verdienen sich die Taschen voll. Das stimmt aber so nicht. Wir sind die die verantwortlich gemacht wurden und den Kopf hingehalten haben. Schuld sind die, die den Auftrag geben.

Würdest du heute wieder so reagieren und die Fresse halten oder an die Presse gehen und aufdecken?

Schau, was bringt mir das? Ich hab einen Auftraggeber der mich bezahlt. Mich bezahlte nicht die Pokerfirma oder Hochgepokert, sondern mich bezahlte Full Tilt und Full Tilt sagte. „Junge, Schnauze halten“. Ich würde heute genauso wieder reagieren.

Ok, das funktioniert als Erklärung, wenn du einen Auftrag übernommen hast. Jetzt wirst du Veranstalter bei der Poker-Bundesliga. Düsseldorf hast du ja mitverfolgt. Wie würdest du heute als Verantwortlicher reagieren, wenn du kurz vom Finaltisch erfährst, dass zu viele Chips im Umlauf sind?

Einschreiten und den Spielern erklären, was los ist. Natürlich findet man in fünf Minuten nicht heraus wie die Chips ins Turnier kamen. Man kann aber den Spielern die Situation erklären und sagen: „Wenn ihr wollt breche ich jetzt ab und es wird recherchiert und später weitergespielt, oder wir ziehen es durch und ich will nachher keine Beschwerden hören.

Du kannst doch nicht ein Turnier mit 1000 Spielern wiederholen. Wie will ein Veranstalter das finanzieren?

Aber sicher, die letzten zehn kannst du immer wiederholen. Man muss dann einfach offen und transparent sein. Den Leuten muss aber auch klar sein, Hirngespinste gibt es nicht. Sie brauchen sich nicht vorstellen, dass, wenn sie ein € 30 Turnier gespielt haben, eine Lawine zurückbekommen. Es ist noch immer „nur“ ein Sachpreisturnier und keine EPT mit € 5.500 Buy-in.

Wie reagierst du heute, wenn du ein Cheating irgendwo beobachtest?

Wenn die Leute wirklich glauben, dass Poker eine saubere Branche ist und ein Spiel mit Charakter ist, dann liegen sie falsch und nur weil ich ein guter Beobachter bin, heißt das nicht, dass es mein Problem ist. Es ist das Problem vom Casinomanager und der Casinomanager muss merken, wenn in seinem Casino etwas nicht stimmt. Es gibt auch Casinomanager, die mit den Betrügern unter einer Decke stecken. Du gehst zum Casinomanager und sagst: „Schau mal die drei Rumänen da hinten die spielen falsch“, und abends bekommst du Besuch von drei Rumänen. So ähnlich ist es mir passiert, in Tschechien in einem ganz bekannten Casino. Ich musste mich dafür verantworten und die Sache ist erledigt. Ich hab mir einmal die Finger verbrannt, und ich bemerkte wo meine Grenze erreicht ist – ich hab Familie. Jetzt mische ich mich einfach nicht mehr ein. Egal was ich höre oder sehe, ich mische mich nicht mehr ein.
Bei diesen Betrügereien, da sind Namen im Spiel, die glaubst du mir nicht. Ich selbst hab Angebote bekommen. Nicht nur von Spielern, sondern von Casinos und von Veranstaltern. Ich kann den Spielern nur sagen, schützt euch bei Turnieren, seid wachsam. Mehr kann ich nicht sagen. Es ist ein Spiel in dem es um viel Geld geht. Beim Fußball und beim Boxen zum Beispiel geht es auch um viel Geld. Da werden Wetten manipuliert, Spieler und Schiedsrichter gekauft. Warum soll es bei Poker anders sein? Schuldig ist nicht der der es macht, sondern schuldig sind die, die es zulassen. Da meine ich jetzt nicht die kleinen Veranstalter, sondern von die Großen, die die Millionen verdienen. Die sparen wissentlich an Sicherheitssystemen und Sicherheitspersonal. Warum stellt man nicht drei „Kommissare“ in den Turnierbereich, die nur die Tische und Spieler beobachten? Das kostet nicht die Welt und du hast deine Ruhe. Wenn so ein Kommissar im Raum ist, dann schaut der Betrüger halt doch ein bisschen anders, als wenn ein Floorman herumsteht und irgendwo gerade Chips zählt. Es gibt so viele Sicherheitssysteme. Es gibt Systeme die die Chips direkt am Tisch zählen und die Karten dazu. Warum verwenden sie diese Systeme nicht? Dann gibt es keinen Chipsklau mehr und du hast volle Kontrolle über das Turnier.

Dort wo viel Geld im Umlauf ist, soll viel Geld in die Sicherheit investiert werden?

Genau. Aber diese Lücken gibt es ja nicht nur beim Live-Poker, sondern auch beim Onlinepoker. Ich sah einen Spieler der mit vier verschiedenen Internet-sticks an einem Tisch saß und die armen Raben am Tisch ausnahm wie Weihnachtsgänse. Alle haben sie Sicherheitslücken und da liegt das Problem.
Hochgepokert oder PokerToday und wie sie alle heißen, sollen doch anstatt auf dem kleinen herumzuhacken, mal bei den großen anklopfen und Fragen, warum sie solche Sicherheitslücken haben. Klar ist bei Live-Events der Veranstalter der Thomas Kremser oder der Deniz Yavuz, aber die stehen doch nur als Kopf da vorne und wenn dann dem sein Schädel abgeschlagen ist kommt der nächste usw., aber die Problematik ändert sich ja nicht. Die Leute zahlen € 500 Fee bei einem Turnier und spielen in einem Raum in dem genau eine Kamera hängt und 600 Spieler spielen. Dass dort, wo viel Geld ist auch Betrug ist, ist ganz normal, da brauchen wir uns nichts vormachen. Aber man kann etwas dagegen tun. Selbst ein bekannter Anwalt sagte „Wen willst du in diesem Spiel anklagen?“, du kannst niemanden anzeigen. Also muss man Systeme schaffen um Betrug zu verhindern. Der Charakter dieses Spieles ist nun mal auf drei Säulen gebaut: Betrügen, belügen und bestehlen. Ein Bluff Check/Raise ist ja nichts anderes wie stehlen, es ist zwar ein Spielzug aber eigentlich ist es moralisch ein Betrug.

Poker ist kriminell?

Nein nicht kriminell, aber es besteht aus diesen Faktoren. Wo setzt du dich als guter Pokerspieler hin? An einen Tisch wo vier sturzbetrunkene Anfänger sitzen und du von jedem die Karten sehen kannst weil er zu betrunken ist sie zu halten, oder zum Tisch mit den acht Onlineprofis? Natürlich geht jeder von uns zu den Betrunkenen.

Das nennt man dann Tableselection.

Ja, wir versuchen alles zu verharmlosen.
Noch so ein Punkt sind die privaten Runden. Lasst die Finger von privaten Homegames. Da wird von den Dealern beschissen, am Rake wird beschissen und es bescheißen die Mitspieler. Es wird überall beschissen, das ist einfach so. Geht in ein staatliches Casinos und spielt sauberes Poker. Höchstens du hast eine Runde in der du mit deinen Kumpels spielst, das ist natürlich etwas anderes.

Blödsinn, du hast keine Ahnung wie Gartenbach und der Pfarrer bei den 20/10 Cent Cashgames bescheissen. Da ist der Ali eine Klosterschülerin dagegen gewesen. Aber, was soll man tun? Trotzdem spielen, obwohl man weiß, dass man gefickt wird?

Selektieren. Was glaubst du, warum ich zum Beispiel nicht mehr in Zypern bin? Das was ich dort gesehen und erlebt habe hat gereicht. Rumänische organisierte Banden waren da. Die machen eine Woche Urlaub und nehmen im Vorbeigehen noch jeder € 30.000 mit. Die russischen Freier, die da kommen sind super zu spielen, also liegt es auf der Hand das jemand kommt und mit allen Mitteln die Kohle haben will.

Das ist doch ein erschreckendes Bild.

Nein, die deutschen staatlichen Casinos und die Casinos Austria sind absolut sauber. In ausländischen Casinos, soll man besser nicht nur den Hostessen auf die Titten schauen, sondern zuerst einmal schauen, wo die Kameras sind und wie es mit der Sicherheit aussieht.

Was anderes. Du bist jetzt Veranstalter bei der Poker-Bundesliga…

Ich werde für die Poker-Bundesliga eine Veranstaltungsserie starten. Ich komme meinem Hobby „Poker“ noch immer gerne nach. Mit Tassilo hatte ich die ersten Gespräche schon vor drei Jahren und jetzt hab ich mich entschieden, dass wir endlich wirklich etwas machen. Im Prinzip könnte ich auch Poker-Events veranstalten ohne PBL, aber ich finde, dass Tassilo gute Arbeit macht. Er versucht immer fair und ehrlich seinen Job zu machen. Ich finde die Sachen gut die er macht. Ich war in Düsseldorf und hab mir das Turnier angesehen und es war gut. Es war gut organisiert und die Preisausschreibung war auch gut. Dann liest man wieder in euren Foren diese Milchmädchenrechnungen. Die Leute haben keine Ahnung was Raummiete kostet, Security und Logistik, Personal, das kostet alles Geld. Was soll denn ein Veranstalter machen? Der macht das ja nicht weil ihm langweilig ist, sondern der macht das um Geld zu verdienen. Beim Tassilo bin ich mir sicher, dass kein einziger Cent unter dem Tisch landet. Das ist einer der alles darlegt und offen und ehrlich macht. Das war auch der Hauptgrund für mich, etwas mit der PBL zu machen. Geplant ist eine Luxusserie wo es einen Porsche zu gewinnen gibt und und und. Ich freue mich auf jeden Fall schon darauf.

Letzte Worte?

Ich möchte mich bedanken bei denen, die damals zu mir hielten. Ich bin enttäuscht vom Volker Pies, der mich etliche Jahre kennt, eigentlich am aller längsten kennt und Volker hat mich komplett abgesägt und zynisch gesagt, dass es „zu meinem Schutz sei“. Ich fand super wie sich Rosi eingesetzt hat, die versucht hat mich vehementest zu verteidigen. Danke

Danke für die Einblicke und die drei Espressi.


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