Kolumnen

52 Shades of Donk

Poker ist Hardcoresadomaso für Menschen, die Schmerzen mögen. Für Menschen, die mit Erniedrigungen leben können und für Stuttgart-Fans. Schlag mich, ich war unartig. Bestrafe mich, ich will es doch auch. Und immer wieder, immer wieder aufs Neue.

Fetisch Holdem no limit sexmax. Mit Win the Peitsche und Knickknack. Ja, Poker kann der Ponyhof des Grauens sein. Und wir machen das alle freiwillig. Und das ist keine Perfidie des Autors, sondern reale Realität. Rationale Befürchtungen einer emotionalen Qual. Wir wissen doch schon vor der ersten Hand, dass es auch heute wieder auf die Ohren gibt. Und auf den Arsch. Wir wollen doch die Prügel. Als Beweis und als Befriedigung. Schaffung von latenten Wunden. Poker hat kein wirkliches Narrativ hervorgebracht. Es ist kein geschlossener Diskurs, vielmehr die Verteilung von zu erwartenden Schlägen. Nicht selten geahnt, nicht selten erst spät. Auf dem River. Damit es noch mehr schmerzt.

Poker als Botschaft einer neuer unfreudigen Ausrichtung. Als Verbeugung vor der Kontinuität einer schmerzhaften Kultur. Das romantische Modell mit seinem Freiheits- und Gleichheitsideal ist am bröckeln. Poker gibt uns heute ein anderes Versprechen. Und hält es auch immer. Du willst leiden? Gerne! Du willst bestraft werden? Immer! Du willst Prügel? Natürlich. Einfach nur hinsetzen, Kohle auf den Tisch und schon geht‘s los. 52 Shades helfen uns dabei. Poker als Sadomaso-Trend, als Paradigmenwechsel, als Prozess der Respiritualisierung. Poker als Werkzeug eines metaphysischen Bedürfnisses; einherkommend im Gewand des Obskurantismus. Eine spirituelle Macht, die uns immer wieder aufs neue begeistert. Anders ist die permanente Lust auf Prügel und Schmerzen nicht zu verstehen.

Manchen nennen es Varianz, einige bezeichnen es als Mathematik, die meisten jedoch empfinden es als Schlag in die Eier. Oder Tritt in den Arsch. Manche hadern mit der Welt und mit Gott. Dabei ist Poker ein moderner Atheismus. Gottlob. Es ist keine Religion. Es hat keine religiösen Normen. Wir unterwerfen uns keiner Gottheit. Lediglich dem fast schon religiösen Wunsch nach Schmerz. Ideologisch ist Poker das allerbeste Unterwerfungssyndrom. Der Mensch ist Gott unterworfen, die Frau dem Mann und wir alle dem River. Und das macht uns glücklich. Weil nur die wenigsten von uns das anders kennen.

Das also heute mal wieder eine Geschichte mit vielen schweren Wörtern. Nicht jeder wird sie verstehen, nicht jeder wird sie mögen. Dessen bin ich mir bewusst. Aber diese Geschichte als Tribut an die intellektuelle Ehrlichkeit muss mir erlaubt sein. Weniger als ganzheitliche Betrachtung des Universums, mehr als Ausdruck meines intensiven Leidens ob des Pokervergnügens. Ja, ich will es doch auch.

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