Kolumnen

Airport

Liebe Pokerfreunde, ich weiß, ihr erwartet die großen Erkenntnisse über Poker und das Spiel an sich. Aber manchmal ist das Leben der große Lehrmeister – man muss bloß hinschauen.

Zum Beispiel ist mir vor einigen Wochen etwas am Flughafen passiert. Ich entschied mich, zu einem Turnier in London meine Freundin mitzunehmen. Einfach mal das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Wobei ich jetzt nicht verraten möchte, was an dieser Konstellation das Nützliche und was das Angenehme war. Jedenfalls sollte es am Morgen relativ früh Richtung England gehen. Drei Tage auf die Insel. Für mich reichen für so einen Trip drei Shirts, drei Paar Socken, drei Unterhosen, zwei Jeans und eine Zahnbürste. Was fehlt, wird vor Ort besorgt. Ich war also nach fünf Minuten mit dem Packen fertig und wartete auf meine bessere Hälfte. Die hatte sich schon den großen Koffer vom Dachboden geholt und ihr Beautycase, das größer war als mein ganzes Gepäck. Nach einer halben Stunde, die ich mit Kaffee, Frühstück und dem regelmäßigen Blick auf die Uhr verbrachte, hörte ich sie im Schlafzimmer wild fluchen. Mir bot sich ein Szenario der schlimmsten Sorte. Es schien, als wäre ein Hurrikan durch den Raum gefegt. Der gesamte Inhalt ihres Schrankes lag auf dem Bett, und ein großer Teil der Kleider bereits im Koffer, auf dem meine Freundin saß und versuchte, ihn zu schließen. Mit Tränen in den Augen erklärte sie mir, sie bekäme nicht alles mit. Da mir die Geduld und die Zeit fehlten, mit ihr darüber zu diskutieren, warum sie alles mitnehmen wolle, bot ich ihr an, meine paar Habseligkeiten in den zweiten großen Koffer zu packen, damit sie den auch noch füllen konnte.

Nach 20 Minuten war es geschafft. Alles verpackt – und meine Freundin hatte genügend Klamotten mit, um zwei Monate in London zu verbringen. Und dabei wäre die Jahreszeit völlig egal. Sie war für jede Eventualität des Wetters gerüstet. Im Hinblick auf die Gepäckbeschränkungen riet ich ihr, alle schweren Sachen in ihr Beautycase zu stecken und dieses dann als Handgepäck mitzunehmen.

Am Flughafen angekommen, wollten wir schnell einchecken, und ich erlebte mein erstes blaues Wunder. Die zwei Koffer waren zu schwer. Die freundliche Schalterangestellte fuhr sich mit den manikürten Fingernägeln durch ihre blonden, langen Haare und sagte mit einem leicht überheblichen Blick über die Sekretärinnenbrille hinweg: „Das sind aber ein paar Kilo zuviel. Wollen Sie gleich bezahlen, oder haben Sie die Möglichkeit, etwas umzupacken?“ Ich hätte platzen können. Wenn ich bedenke, ich sollte für meine paar Sachen jetzt auch noch Übergepäck bezahlen! Ich zerrte also die zwei Gepäckstücke vom Band, stellte mich ein paar Meter abseits des Schalters hin und packte um. Die schwere Winterjacke, von der ich beim besten Willen nicht weiß, wieso sie eingepackt wurde, drückte ich meiner Freundin direkt in die Hand und raunzte: „Handgepäck!“ Ebenso lief es mit zwei der acht Paar Pumps, den vier Gürteln, der Kette, dem Discman und den zwölf CDs: „Handgepäck, Handgepäck, Handgepäck. Und für so etwas hat der liebe Gott den MP3-Player erfunden.“
Meine Freundin stand neben mir, nahm alles entgegen und verstaute es in dem Beautycase, das ein wahres Raumwunder zu sein schien. Dann war alles so, wie es sein sollte, jedenfalls für die Blondine am Schalter. Sie lächelte milde und gab mir das Gefühl, ein kleiner Junge zu sein.

Ich schnappte mir meine Freundin, die Tickets und das Handgepäck, das ich kaum heben konnte, und eilte zum Sicherheits-Check. Handgepäck aufs Band, Gürtel ausgezogen, Münzen aus der Tasche, Portemonnaie ins Körbchen, Schlüssel dazu und ab durch den Metalldetektor. Kein Piepen. Gott sei Dank, das hätte ja auch noch gefehlt. „Entschuldigung, dürfte ich mal bitte in die Tasche schauen?“ Die nette Aufforderung des Zollbeamten wurde von mir mit einem argwöhnischen Blick zu meiner Freundin quittiert. Was kam jetzt?

Beim Blick in die Tasche stockte mir der Atem. Unter Winterjacke, Pumps, Gürteln und Discman kam alles zum Vorschein, was seit geraumer Zeit nicht mehr im Handgepäck mitgeführt werden darf: Duschgels, Body-Lotion, Shampoos, Parfum, Deo, Haarspray, Haarlack, Haargel, Haarwachs, Cremes und jede Menge Kosmetik. Voller Unverständnis fuhr ich meine Freundin an: „Sag mal, du weißt doch, dass das alles nicht erlaubt ist.“
„Aber du hast doch gesagt, dass ich die schweren Sachen ins Beautycase packen soll“, antwortete sie. „Und außerdem gebe ich meine Kosmetik nicht ab, ohne die fühle ich mich nackt.“ „Ach, und warum hast du dann die ganzen Klamotten eingepackt? Anscheinend reicht dir Schminke sowieso, um dich anzuziehen“, entfuhr es mir.
Da schaltete sich der Zollbeamte ein und riet uns, den kleinen Koffer noch separat aufzunehmen, das würde schließlich nur 20 Euro kosten. Ich schnappte mir also mal wieder mein Ticket und das Handgepäck und rannte zurück zum Schalter. Wieder lächelte mich die Blondine milde an, schaute auf mein Gepäckstück und fragte: „Was kann ich für sie tun?“ „Das wissen Sie ganz genau. Ich will das Teil hier loswerden“, sagte ich und wedelte mit einem 20-Euro-Schein, um sie zur Eile zu bewegen. Sie fertigte das Gepäckstück ab, gab mir den Schnipsel, erklärte mir „Das kostet dann 40 Euro. Aber zum Bezahlen müssen Sie zum anderen Schalter“ und wies mir den Weg durch die Halle. Also lief ich mal wieder durch den Flughafen. Mittlerweile mit zwei 20-Euro-Scheinen in der Hand. Am Bezahlschalter angekommen, legte ich den Gepäckschein und das Geld auf den Tresen und sagte völlig außer Atem: „Schnell, bitte!“ In diesem Augenblick schien ich auch noch aus den Lautsprechern der Halle zu hören: „Erster Aufruf für Herrn Galic. Bitte kommen Sie zu Ihrem Gate.“

Die Dame nahm das Geld, tippte wild auf ihrer Tastatur und sagte dann: „Das macht dann 40 Euro …“ Die du schon hast, dachte ich mir. „… und 20 Euro Bearbeitungsgebühr.“ Und da wären wir schon bei 60 Euro. Ich bezweifle, dass der gesamte Kosmetikinhalt der Tasche so viel wert war. Am liebsten hätte ich die Tasche wieder zurückgefordert und weggeschmissen. Aber die war ja bereits auf dem Weg in den Flieger. Zerknirscht bezahlte ich den Bearbeitungsbetrag und machte mich auf den Weg zu meinem Gate. Erneut hinten anstellen und durch den Sicherheitsbereich. Na toll, und immer später wird es auch noch. Meine Freundin empfing mich mit einem Lächeln und den Worten „Na, hat alles geklappt?“ Ich würdigte Sie keines Blickes und schritt wortlos auf die Gangway. Die Frage ist, ob ich etwas daraus gelernt habe. Bestimmt. Und sei es nur für den Augenblick.

Und wie sagt der Seemann so schön: Kommt der Wind mal hart von vorn, dann mach es wie der PokerStorm. 😉

Bleibt locker, geschmeidig und gesund und natürlich eurem Spiel treu. Auch im Leben.

Euer Dragan!.


Abonnieren
Benachrichtige mich bei
14 Comments
Inline Feedbacks
View all comments