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„BEUTE GEBEN UND AUGEN ZU!“ – Der Überfall EPT Berlin


Wir haben uns länger Gedanken gemacht, ob wir dieses Interview überhaupt veröffentlichen sollen. Einerseits wird da über den Raubüberfall gesprochen als sei das ein normaler Brotberuf, andererseits wird in allen anderen Medien das Einschreiten des Sicherheitsmannes einseitig und unkritisch besprochen und dem wollten wir eine andere und durchaus qualifizierte Meinung entgegenstellen. Wir alle wünschen uns, dass es nie zu einer vergleichbaren Situation kommt, aber für den Fall brauchen wir Security, die mehr vernunftorientiert agiert und Leib und Leben der Menschen zu schützen muss immer das oberste und einzige Ziel sein.  Helden gefährden sich und andere und ein zweites Berlin soll und darf es es nicht mehr geben.  Lesen Sie dazu das folgende Interview. Götz Schrage traf sich mit einem einschlägig Vorbestraften um einmal die Sicht der “anderen Seite” zu analysieren.

Götz Schrage :“Du hast den Raubüberfall in Berlin sicher aufmerksam verfolgt. Was kommen da für Gefühle auf? Wärest du da gern dabei gewesen?”

Franco: “Gott behüte nein. Mit den Stümpern auf einem Raub. Pfui Teufel.
Dann noch ein geisteskranken Security, der den Helden spielen will – nie im Leben und überhaupt bin ich jetzt brav geworden wie du weißt.”

G.S: „Gratulation. Gute Entscheidung mit dem brav sein. Wir wollen ja nicht wieder zehn Jahre auf dich warten müssen. Aber was war so stümperhaft in deinen Augen?”.

Franco:”Acht Jahre und sieben Monate waren es exakt und das war lang genug”.

G.S:”Korrigiere mich – warum waren die Amateure?”

Franco: “Alles von vorne bis hinten eine einzige Improvisation. Bei einem Raub darf vom Start weg keine Diskussion über die Stärkeverhältnisse aufkommen. Die ganzen Securitys und alle, die zufällig vor Ort sind müssen einsehen, da gibt’s Null Chance. Klare Verhältnisse sind übrigens für alle vor Ort das Beste. Dann wird niemand verletzt und alles ist rasch vorbei-“

G.S:”Rasch vorbei war es ja und…”

Franco unterbricht mich:”Nicht rasch genug scheinbar für den Jungen mit dem Schwert (Machete – Anmerkung der Red.). Ist doch logisch, bei so einem Raub brauchst du mindestens fünf Leute. Der “Schmierer” steht unten und gibt Warnung wenn was Unvorhergesehnes passiert. Zwei weitere gehen mit nach oben und sichern den wichtigsten Mann im Team ab – den Beuteträger. Weil wenn man schon so einen Stunt versucht, muss man die ganze Kohle abgreifen und der mit der Beute in Hand ist ja angreifbar und genau das ist ja auch passiert.”

G.S:”Aber so war es ja offenbar geplant. Einer mit Revolver und einer mit Machete und einer, der …..”

Franco unterbricht mich wieder: “Ja aber was nutzt dass, wenn der mit dem Schwert (=Machete) zuerst abhaut. Das hat die Jungs € 500 000 gekostet der Schwachsinn, weil nur deshalb hat der Securitymann den Beuteträger angreifen können.”

G.S ”Immerhin ist der mit dem “Schwert” aber zurück gekommen.”

Franco:”Und genau deswegen wissen wir auch, dass das absolute Stümper waren. Hast du dir den Film bei Hochgepokert genau angesehen? Eine Machete ist zwar sowohl ein Stichwaffe wie auch eine Hiebwaffe. Nur als Stichwaffe ist sie viel effizienter. Jeder, wirklich jeder geht unwillkürlich nach hinten wenn du damit ein Stichbewegung andeutest.

Der Junge verwendet sie wie eine reine Hiebwaffe, dann soll er sich einen Baseballschläger mitnehmen. Bei einem Hieb bist du immer in Gefahr aus dem Gleichgewicht zu geraten und wirst angreifbar. Bei einer angedeuteten Stichbewegung bleibst du mit beiden Beinen fest am Boden stehe. Ein gutes Werkzeug wenn man damit umgehen kann.

Aber noch einmal zum Ablauf, wenn sich Profis an so eine Sache wagen. Erst wird die Beute gegriffen, dann werden die Sicherheitsleute im Schach gehalten, damit der Beuteträger hinter den Bewaffneten abziehen kann und erst dann geht es für die anderen auf  die Flucht. Unten ist dann der fünfte Mann in der Fluchtkarre, wenn er noch da ist.”

“Geisteskranker oder Held – da ist nicht viel dazwischen“

G.S:”Eines verstehe ich jetzt aber nicht. Einerseits stellst die Täter her wie Hühnerdiebe die sich in ein Casino verirrt haben und danach betteln überwältigt zu werden um von ihrer Dummheit erlöst zu werden, andererseits wirfst du dem Security-Mann genau das vor und nennst ihn wörtlich einen “Geisteskranken”. Es gibt viele die halten ihn für einen Helden.”

Franco: “Geisteskranker oder Held – da ist nicht viel dazwischen. Und mutig ist der Junge und ein Herz hat er auch. Nur du darfst eines nicht vergessen, wir haben jetzt Gelegenheit nachzudenken und uns die Filme vom Tathergang mehrfach anzusehen. Der Security-Mann musste in der Sekunde entscheiden und eben in der Sekunde war die Faktenlage eine andere und niemals hätte er auch nur versuchen dürfen dem Täter den Revolver aus der Hand zu schlagen beziehungsweise den Beuteträger festzuhalten. Das war Wahnsinn und hätte ganz leicht ganz schlimm enden können.”

G.S:”Ist es aber nicht und vielleicht hat der Securitymann einfach auf Grund seiner unbestrittenen langjährigen Erfahrung so entschieden und das Richtige gemacht.”

Franco:”Nicht bös sein Götz, aber den Schwachsinn glaubst du sicher selber nicht. Sonst habe ich ja durchaus Respekt vor dir aber so eine dumme Frage!

Du erzählt mir ja auch langweilige Pokergeschichten mit Prozenten und wie viele Prozente du gehabt hast und dein Gegner hat aber dann das Geld. Dieser ganze Pokerscheißdreck halt den ich nicht verstehe und nicht verstehen will. ABER glaube mir das die “Prozente” auf Blutbad schnellen gewaltig in die Höhe wenn der Securitymann einen bewaffneten Täter angreift.

Wenn er den Helden spielen will soll er ins Bierzelt raufen gehen, aber im Dienst darf er nichts riskieren und wenn ein bewaffneter Täter weg war und mit einem Messer schwenkend wieder zurück kommt, dann läuft gewaltig was schief. Bei mir würde der Arsch von dem Idioten in der geweihten Erde verfaulen und…”

G.S unterbricht:”Franco! Könntest du vielleicht ein bisschen weniger schreien und ich muss die Fragen stellen, von denen ich ausgehe, dass sie unsere Leser interessieren. Wir sind hier bei keiner Fachtagung für Gewaltdelikte und ich will auch nicht das der Eindruck entsteht wir wollen hier für Nachahmungstäter einen Schnellkurs machen in vier Lektionen. Also sachlich bleiben, wohin soll es gehen? Was sollen die Veranstalter beachten? Sind bewaffnete Security-Leute eine Lösung oder was schlägst du vor?”

„Schusswaffen auf beiden Seiten sind das Dümmste“

Franco:”Bewaffnete Sicherheitsleute, das muss man differenziert sehen. Desto mehr Abschreckung desto geringer ist die Gefahr, dass solche Hühnerdiebe wie in Berlin auf Ideen kommen. Wenn die jetzt sehe, da gibt es in Zukunft mehr Widerstand und so Fehler, dass angeblich zwei Sicherheitsleute Essen waren bevor das Geld im Haupttresor war, werden sicher nicht mehr vorkommen nehme ich an. – Insofern macht aufrüsten Sinn. Aber aufrüsten heißt in erster Linie aufrüsten im Kopf. Man muss das System verbessern, nicht noch wenig ausgebildeten Leuten Waffen in die Hand drücken.”

G.S:”Aufrüsten im Kopf gefällt mir, aber erläutere das ein wenig.”

Franco:”Schau es geht um den Faktor Zeit. Die Zeit ist der größte Feind der Täter und der größte Verbündete der Veranstalter. Alles was die magischen drei Minuten, die man halbwegs ungestört zu Gange sein kann in der Regel deutlich verlängert erschwert den ganzen möglichen Raub dermaßen, dass man damit die Sicherheit entscheidend erhöht.

Schusswaffen auf beiden Seiten sind das Dümmste. Schusswaffen bedeuten es gibt einen möglichen Schusswechsel. Geld kann man auch als Veranstalter neues verdienen. Aber ein Toter ist tot und das braucht niemand.

G.S:”Vorschläge zum “Faktor Zeit”? Beziehungsweise was kann man akut ändern?”

Franco: “Was nie wieder passieren darf ist das man eine Minute in ein Hotel spazieren kann und vor einer Million in bar steht. Da ist es auch egal ob alle Sicherheitsleute da sind oder essen oder am Klo. Wenn die richtigen Leute kommen nutzt das gar nichts. Der Weg zum Geld muss ein Hürdenlauf sein. Eine lange Wegstrecke, viele Treppen und viele Kameras das macht Stress für die Täter. Wenn eine Veranstaltung im ersten Stock ist, mache ich die Kasse im 20. Stock und Sicherheitsleute auf einem Haufen ist auch sinnlos, die kann ich dann gemeinsam in die Bedrohung nehmen. Das Geld weit weg und die Sicherheitsleute verteilt und das Ganze wird sehr unattraktiv und gefährlich für mögliche Nachahmungstäter.”

G.S:”Ich danke für das Interview. Am Ende ist es doch noch recht konstruktiv geworden und vielleicht konntest du mit deiner Erfahrung doch ein wenig Hilfestellung geben.”

Franco:”Gern geschehen, aber eines noch. Lesen auch die Sicherheitsleute von deinen Casinos deine Seite, weil ich hätte da noch ein persönliches Anliegen.”

„Beute geben und Augen zu“

G.S: “Nur zu, ich glaube sogar, dass der Securitymann mitliest, den du als “Geisteskranken” bezeichnet hast.”

Franco:”Na gut, dass möchte ich ihm sagen, dass er definitiv ein mutiges Herz und das hat meinen Respekt. Beruflich verstehe ich nicht was er gemacht hat, aber ich freue mich aufrichtig, dass ihm nichts passiert ist. Jeder macht einmal einen Fehler und für die Zukunft sollte er nie vergessen wofür er eigentlich da ist, nämlich die Sicherheit der Spieler zu garantieren. Wenn er kämpfen will und sein Leben riskieren, kann er das tun, aber niemals mehr das Leben riskieren, derer auf die er aufpassen soll.

Und zu meinen generellen Gedanken und das kann ein wenig länger werden. Du weißt, mich haben sie wegen Mord verurteilt, obwohl ich das als Notwehr sehe und ich bin mit den härtesten Jungs auf der Zelle gesessen. Und wenn ich da an manche zurückdenke mit welcher Härte und Todesverachtung die so eine Sache durchziehen würden wird mir ganz Angst und  Bange.

Wenn Schwerkriminelle mit einschlägigen Vorstrafen in so was rein marschieren, dann wollen sie nur dass Geld und schnell wieder weg. Das kann ich dir garantieren, die wollen keine Unruhe. Aber gerade wegen der einschlägigen Vorstrafen ist das Ganze so brisant. Für einen Fünfzigjährigen Schwerkriminellen sind die 18 Jahre, die ihm drohen, gefühlt wie lebenslang. Da gilt der Satz, lieber im Stehen sterben als auf den Knien leben und die meinen das auch so. Mit Waffen aufrüsten ist der falsche Weg. Macht es schwer, macht es unattraktiv, steigt auf alternative Zahlungsmittel um in Richtung bargeldlos. Aber wenn es mal passiert, dass ein paar Strumpfmasken vor euch stehen, Beute geben und Augen zu. Geld gibt es genug auf der Welt, aber jedes Leben ist einzigartig und ich weiß wovon ich da spreche.”

Götz Schrage:”Franco, ich danke dir für das Gespräch.”

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