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Big O – viele Karten, viel Adrenalin

Ad-2d-3d-Kh-Ah und ich gehe mit meinen übrigen $80 nach einem Standard-Raise preflop All-in. Nein, das sind nicht die fünf Karten auf dem Board, sondern in meiner Hand. Und nein, ich habe nicht falsch gezählt. Das „neue“ Spiel im Rio, das jeweils an der WSOP seit einigen Jahren zusehends in die Mitte der Cash Game Zone vorrückt und mehrere Tische ($1-2 und $5-5) gleichzeitig beansprucht, heisst „Big O“ oder 5 Card PLO 8. Das heisst, dass es fünf Karten gibt, und die Hi/Lo Variante (mit zwei zu verwendenden Karten aus den fünf gedealten) gespielt wird. Wodurch natürlich entsprechend viele Kombinationen möglich sind. Und entsprechend viele Spieler innert weniger Stunden reich werden oder broke gehen können.

Die Pots bei diesem Spiel schossen durch die Decke. Kaum eine Hand, bei der nicht $300 bis $700 in der Mitte lagen. Kein Wunder, gönnen sich auch viele Pros nach einem Turnier zur Abwechslung auch diese Hi/Lo-Variante, manche in Drunk Calling Mode, andere einfach zum Spass und als „Ausnüchterung“ von der NLH-Trance. Die relativ loosen Calls der Gegner bei gelimpten oder leicht geraisten Pots gründen in der Erwartung, einen „Scoop“ (also den Pot zu gewinnen, ohne den Hi/Lo Pot teilen zu müssen) einzuheimsen oder andere Spieler zu  „quartern“ oder „vierteln“ (also einen der beiden Hi/Lo Pots zu gewinnen, und den anderen zu teilen). Deshalb lohnt sich oft auch ein Call auf dem Turn mit lediglich einem Draw in einem Multi-Way-Pot. Wer aber Small Ball Poker postflop liebt, ist hier definitiv am falschen Ort.

Der $5-10 Button Straddle war fast obligatorisch, und der Initial Open-Raiser (auch ohne Straddle) konnte nach Hausregeln $15 setzen, da von einem Bring-In von $5 ausgegangen wurde. Das schöne an diesem Spiel ist, dass es viel Action generiert und daher (auch für Nicht-Cash-Game Spieler) nie langweilig wird. Der Nachteil, könnte man als NLH-Spezialist einwenden, der das Spiel vermeintlich berechenbar macht: Wenn Du nicht Hi oder Low (oder beides) die absoluten Nuts hast, ist ein Call, Raise oder Bluff oft eine sehr schlechte Idee. Insbesondere Out of Position. Doch diese Regel gewinnbringend auszunutzen, macht gerade gute Spieler zu erfolgreichen Bluffern bei dieser Variante.

Die Action geht oft auf dem Turn los. Spieler, die ihre Sets, Strassen oder 2nd Nut Flushes auf dem Flop getroffen haben und wegen der vielen starken Draws nur gecallt haben, legen bei einem drawlastigen Board auf dem Turn (z.B. Q-4-5-Q mit 4-4-X-X-X in der Hand) eine Pot-Bet ein. Wenn dann der Re-Raise kommt, leuchten die Alarmlampen.

Der Weckruf kam für mich nach dem Abendessen relativ früh: Nachdem ich selbstgefällig abermals nur mit den 2. Low Nuts Ax 3x XXX auf dem River (und nach mässiger Turn-Action) und Two Pair oder ähnlichem als Hi-Hand callte, worauf dann die beiden Gegner die jeweiligen Nuts zeigten, begann bereits das Small Stack Spiel.

Die Bankroll ist bei diesem Game zentral. Denn tatsächlich floppte ich dann mit meinem kleinen Rest und einem All-In mit A-A-2-X-X die 2nd Nuts: A-10-10. Die Action ging von da an richtig los, leider ohne meine Beteiligung: Der Franzose, dessen Stack gerade einmal von Minus $500 durch loose Calls und geriverte Nuts auf plus ca. $2000 katapultiert war, und die beiden asiatischen Grinder, bauten den Pot wieder auf mehrere $100 auf. Und ich schaute mit der besten Hand hilf- und teilnahmslos zu. Kurz darauf kam ein junger Engländer an unseren Tisch und verballerte in den ersten zwei Händen seinen $200 Stack. Offenbar schien heute seine Small Stack-Strategie nicht aufzugehen. Kaum besser ging es ihm bei seinem zweiten Buy-in, wobei er nun aber von Loose auf tight-super-agressive wechselte.

Das Geld wechselt bei diesem Spiel die Besitzer so schnell, dass ein Besuch auf der Toilette scheinbar ganze Berge Chips versetzen kann. Klar, als Anfänger bei diesem Spiel war mir bewusst, dass ich Lehrgeld zu bezahlen hätte – und die Fehler, die man wohl als „Hi/Lo 8-Spieler“ macht, machte auch ich. So kommt es, dass man dann nach zwei, drei Second Nut Sucker-Calls oder  Quartered auf einem scheinbar trockenen Board money scared wird und eben im richtigen Moment NICHT callt. Da ich mich bereits mit zwei fragwürdigen Calls entweder mit den Second Nuts oder als „geviertelter“ zu Beginn als einer der potentiellen Fische am Tisch vorgestellt hatte, versuchte ich diese Rolle etwas zu bemühen und von ihr zu profitieren. Doch um einen grossen Pot aufzubauen, braucht es letztlich eben auch Karten. Und eine grosse Bankroll.

Stutzig wurde ich bei Händen wie dem Half-Pot-Riverbet des supertight spielenden Amerikaners, nachdem ausgerechnet er auf dem River bei einem Board von A-9-9-8-8 und einem gecheckten Turn zum zweiten Mal out of Position in mich hinein feuerte. Ich war weit von den Nuts entfernt, hatte aber die 9, König Kicker. Seine Bet versetzte mich zunächst einmal in Tank-Mode. Reichte die 9? Meine Verzögerung wiederum schreckte den Franzosen mit den zitternden Händen (leider kein Tell, wie ich schnell feststellen musste) auf: „Get on with it! We are playing on Time-Rake.“ (Mach schon, wir zahlen die Rake halbstündlich). Das Rake war mit $6 aber im Verhältnis zu den Pots ohnehin klein. Wenigstens reute es mich gerade bei diesem Amerikaner nicht, den Pot an ihn abzugeben. Kurze Zeit später verliert er seinen halben Stack gegen den Franzosen, weil er gequartered wird auf einem Board von A-2-3-5-X und der Hand 4-6-A-X-X, da Letzterer (ebenfalls mit der Low Strasse oder dem „Wheel“) auf dem River noch den Flush kriegt.

Wie dem auch sei. Ich foldete natürlich die beste Hand, da es mir peinlich gewesen wäre, wieder Chips zu verschenken. Zuverlässig wie eine Schweizer Bank und durchsichtig wie ein Glas Wasser hatte ich nun auf supertight Mode umgeschaltet. Ich hoffe, dieser Abend wiederholt sich nicht, denn ich will das Spiel auch weiter verfolgen. Und etwas weniger den Low Draws nachjagen. Die Disziplin Postflop ist hier das A und O. Was öfter als beim Hi/Lo mit vier Karten bedeutet, die Low oder Hi Nuts eben auch zu folden. Und die second Nuts sowieso.

Ob der Name „Big O“ vom langen, oft schmerzverzerrten „Oooooh“ des Unterlegenen nach dem Aufdecken des Rivers herrührt? Und das „Big“ allenfalls für die durchschnittliche Potgrösse im Verhältnis zu den Blinds steht? Oder für die Anzahl Karten? Man weiss es nicht so recht. Es würde jedenfalls durchaus Sinn machen.

P.S. Das zweite Mal lief es schon um einiges besser. Und nein, Mama, falls du dies liest: Ich bin immer noch nicht overall im Minus. Das wäre wirklich grausam: Denn in diesem Fall habe ich Dir ja versprochen, aufzuhören mit Poker.

 

Mark

 

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