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Black Friday – wie es überhaupt dazu kommen konnte

Während in Europa das Online Poker Business (trotz einiger anders lautender Meldungen) größtenteils wie bisher abläuft, hat der „Black Friday“ die Pokernation USA mehr erschüttert als es 2006 die Verabschiedung des UIGEA (Unlawful Internet Gambling Enforcement Act) tun konnte.

Das Federal Bureau of Investigation (FBI) und das U.S. Department of Justice (DoJ) haben mit PokerStars, Full Tilt Poker sowie Absolute Poker und UltimateBet, die drei großen Online Poker-Anbieter vom Netz genommen.

Wenig überraschend finden sich nun in Foren, Blogs und Kommentaren allerlei Meinungen, Kommentare und Verschwörungstheorien die das gesamte Spektrum von „Interessant“ bis „Absolut daneben“ umfassen. Dementsprechend schwierig ist es, gerade wenn man kein Experte im amerikanischen Rechtssystem ist, hier den Überblick zu behalten.

Dank eines Tweets des bekannten Poker-Fotografen BJNemeth bin ich dann allerdings auf das Blog von „CKBWoP“ gestoßen. Hier findet sich eine sehr ausführliche und komplexe Analyse der Vorgänge, die zum Black Friday geführt haben. „CKBWoP“ ist in der Szene als „Black Widow of Poker“ bekannt, beschäftigt sich seit über 10 Jahren beruflich mit dem Glücksspielrecht, lebt inzwischen in Vegas und spielt selber Poker. Wir respektieren an dieser Stelle auch ihren Wunsch, ihren Namen nicht zu veröffentlichen und belassen es dabei, dass „CKBWoP“ bei den Spielern genauso wie bei den Medienvertreter als anerkannte Expertin für das Glücksspielrecht gilt.

Ich möchte an dieser Stelle versuchen die wesentlichen Punkte von „CKBWoP’s“ Analyse zusammenzufassen – wer möchte kann sich natürlich auch die gesamten Texte mit den entsprechenden rechtlichen Verweisen direkt hier durchlesen: http://bwop.blogspot.com

Was war der Auslöser für diese großangelegte Untersuchung/Anklage? … solche Dinge passieren nicht „einfach so“!

Natürlich passiert so etwas „nicht einfach“ so. Aber leider gibt es auch keinen einzelnen Auslöser. Letztendlich zeigt die Antwort auf diese Frage aber auch auf, dass der „Black Friday“ für die Betroffenen weit weniger überraschend kam als es zunächst den Anschein hatte.

Begonnen hat alles 2006 mit der Verabschiedung des UIGEA. Auch wenn dieses Gesetz allgemein als das Verbot des Internet Glücksspiel bezeichnet wird, ist es genau das nicht. Zwar wird beim UIGEA auf illegales Glücksspiel verwiesen aber eigentlich adressiert das Gesetz den Geldtransfer zwischen Glücksspiel-Institutionen und Banken und anderen Anbietern die den Geldverkehr regeln. Ein anderes Gesetz, das zur selben Zeit eingebracht wurde und Glücksspiel per se als illegal erklärt hätte, wurde nie verabschiedet.

Diese kleine aber feine Unterschied führte aber schlussendlich zur Situation der letzten paar Jahre. Wäre das härtere und eindeutige Gesetz verabschiedet worden, so hätten sich sicherlich alle Anbieter direkt vom amerikanischen Markt verabschiedet (denn nicht nur für sie, sondern auch die Kunden wäre das Spielen im Internet dann ein Straftat gewesen).

Mit dem UIGEA sah die Situation nun anders aus. Während sich einige (z.B. Party Poker) vom US-Markt verabschiedeten gingen die „großen Drei“ eben einen anderen Weg. Man versuchte den UIGEA zu umgehen um der US-Kundschaft weiterhin seine Dienste anbieten zu können. Um dies zu tun mussten „kreative“ Wege gefunden werden um den Geldfluss zu steuern. Und letztlich ist genau dies nun Teil der bestehenden Anklagepunkte.

Wofür wurden die „großen Drei“ nun explizit angeklagt?
1. Verstoß gegen den UIGEA
2. Illegales Glücksspiel
3. Bankbetrug
4. Geldwäsche

Betrachtet man die Anklagepunkte im Einzelnen, so ist interessanterweise der zum Thema „illegales Glücksspiel“ derjenige der den Angeklagten die geringsten Sorgen macht. Vielleicht wäre man sogar glücklich darüber diese Thematik einmal vor einem Bundesgericht verhandeln zu können und ein Grundsatzurteil herbeizuführen. Anzumerken wäre hier noch, dass sich dieser Anklagepunkt explizit nicht auf den sogenannten „Wire-Act“ bezieht. Der „Wire Act“ verbietet die Weitergabe von Sportwetten mittels des Telefonnetzes über Bundesstaatsgrenzen hinaus und wäre nach Ansicht vieler Experten auf Online Poker nicht ohne weiteres anwendbar.

Auch der Verstoß gegen den UIGEA sollte denen die „kreativ“ genug waren nur bedingt sorgen machen. Denn hätte man offensichtlich gegen den UIGEA verstoßen, so wäre der Hammer wahrscheinlich schon viel früher gefallen.

Dagegen haben die Behörden aber mit den Punkten Bankbetrug und Geldwäsche sicherlich ein Ass im Ärmel. Denn genau die beschrieben „Kreativität“ könnte den Online-Anbietern jetzt mit diesen beiden Anklagepunkten auf die Füße fallen.

Der Stein des Anstoßes: Neteller und Anurag Dikshit

Aber noch einmal zurück ins Jahr 2006/2007. Denn zu dieser Zeit kam es zur Anklagen gegen Neteller. Neteller einigte sich letztendlich mit den Behörden und erklärte offiziell, dass man mit den angebotenen Diensten das illegale Glücksspiel gefördert und unterstützt hätte. Neteller zog sich aus dem US-Markt zurück, zahlte $135 Millionen Strafe und versicherte künftig mit den Behörden zu kooperieren.

Auch wenn „nur“ Neteller angeklagt und bestraft worden war musste ab diesem Zeitpunkt jedem der klar sein, dass man sich auf sehr dünnen Eis bewegte, wenn man weiter seine Dienste für US-Bürger anbot.

Auch Anurag Dikshit und Party Gaming erklärten sich schuldig und zahlten Strafen in Millionenhöhe. Zu dieser Zeit betrachteten viele die Situation natürlich auch unter dem Aspekt, dass Party Gaming neben Poker auch allgemeine Casinospiele angeboten hatte. Damit wiegten sich wohl viele der reinen Pokerrooms in einer vermeintlichen Sicherheit. Klar war aber seitdem auch, dass Glücksspielanbieter und mit ihnen verbundenen Institutionen und Personen (nicht Spieler an sich) spätestens seit 2006 (wahrscheinlich sogar schon deutlich früher) unter Beobachtung standen.

Daniel Tzvetkoff bringt den Stein ins Rollen

Wer bis zum 16. April 2010 noch hoffte, dass man damit durchkam den UIGEA zu umgehen, hätte spätestens zu diesem Zeitpunkt eines besseren belehrt worden sein müssen. An diesem Tag wurde Daniel Tzvetkoff nämlich angeklagt in Summe etwa $500 Millionen Dollar transferiert zu haben und dabei versucht haben dieses Transfers jeweils so zu verschleiern, dass sie nicht mehr direkt mit „Glücksspielaktivitäten“ in Verbindung gebracht werden konnten. Letztlich sind die Anklagen gegen Tzvetkoff in weiten Teilen identisch mit denen die nun gegen die „großen Drei“ bestehen. Hätten nicht die Pokermedien über diesen Fall berichtet, so wäre der Fall „Daniel Tzvetkoff“ wahrscheinlich völlig an der Öffentlichkeit vorbeigegangen. Zumindest in 2010 hat es wohl auch in Europa kaum jemand gegeben der den Namen von Daniel Tzvetkoff überhaupt kannte. Aber in den oberen Etagen der „großen Drei“ dürften seitdem die Alarmglocken geläutet haben.

Zurück zur Frage: Wie konnte es zum „Black Friday“ kommen?

Aufgrund der Timeline kann man aus heutiger Sicht sicher sein, dass die Ereignisse nicht durch etwas ausgelöst wurden das erst kürzlich geschah. Wie bereits weiter oben erwähnt standen alle Betroffenen spätestens seit 2006 unter Beobachtung. Da es aber um ein komplexes Verfahren geht haben die Behörden eben nicht die „großen Drei“ von Anfang an direkt attackiert sondern sich Stück für Stück durch den Dschungel der Finanz-Verstrickungen gearbeitet. Erst nachdem man genug Beweismaterial zusammengetragen hatte ging man mit den Anklagen vom „Black Friday“ gegen die „großen Drei“ vor.

Das Unheil rückte also über mehrere Jahre Stück-für-Stück näher, aber sicherlich kam man am Ende auch einfach nicht mehr aus der verzwickten Situation heraus. Also „business-as-usual“ bis zum letzten Moment. Oder man hatte einfach auch auf Zeit gespielt … in der Hoffnung, dass endlich das Gesetz zur Regulierung des US-Marktes doch noch in der einen oder anderen Form verabschiedet würde.

Dabei hat man aber dann leider übersehen, dass das DOJ (Departement of Justice) als unabhängige Behörde arbeitet. Das DOJ ist – unabhängig von politischen Führern (Busch oder Obama) oder politischen Gesprächen in Senat/Abgeordnetenhaus – nur mit der Umsetzung (und Einhaltung) bestehender Gesetze beschäftigt. Solange keine explizite Anklage von anderer Seite erfolgt ist das DOJ sicherlich relativ frei in der Entscheidung, welche Fälle tatsächlich (und mit welchem Aufwand verfolgt werden). Hier ist man aber sicher auch über die eigene Popularität gefallen – ein Fall der mit möglichen Strafen von bis zu $3 Milliarden Dollar zu beziffern ist, ist einfach zu interessant um ihn in den Archiven liegen zu lassen. Umgekehrt ist die Pokerlobby zu klein um hier genug Einfluss zu haben, dass solche Untersuchungen eingestellt werden könnten. Im Gegenteil gibt es auf diesem Spielfeld vielleicht sogar den einen oder anderen finanzkräftigen Konzern der eventuell sogar nicht unglücklich wäre, wenn man vor der gesetzlichen Regulierung wieder bei „0“ anfangen könnte.

Und wer ist am Ende verantwortlich?

Wer ist also nun derjenige den man für die ganze Entwicklung verantwortlich machen kann? Bill Frist (der Initiator des UIGEA), Anurag Dikshit, Daniel Tzvetkoff, Preet Bharara (der Ankläger im Fall gegen die „großen Drei“) oder sogar Barak Obama selbst? Letztendlich ist es ein Prozess der hier abgelaufen ist in dem Personen austauschbar wären und der Prozess trotzdem weiterlaufen würde.

Hätte Frist den UIGEA nicht eingebracht, dann hätte ein Anderer diesen oder einen ähnlichen Gesetzentwurf eingebracht. Bestrebungen gab es genug. Hat Anurag Dikshit zu früh aufgegeben und sich für schuldig erklärt? Die Frage stellt sich nicht, denn auch ohne den Fall Party Gaming wären die bereits angelaufenen Untersuchungen weitergegangen. Es hat vielleicht nur manches erleichtert und beschleunigt.

In der Pokerwelt ist Daniel Tzvetkoff wohl der, den die meisten als „Verräter“ sehen. Es dürfte ziemlich klar sein, dass Tzvetkoff um seine eigene Haut zu retten mit den Behörden kooperiert hat (und damit wahrscheinlich den letzten Anstoß für die endgültigen Aktionen gegen die „großen Drei“ gegeben hat). Aber auch hier gilt: Sicherlich hat man nicht nur gegen Tzvetkoff ermittelt … und wäre es nicht er gewesen hätte man am Ende jemand anders gefunden. Abgesehen davon, dass sich niemand bei so einem großen Fall auf einen einzelnen Zeugen verlässt.

Und sowohl Preet Bharara als auch Barak Obama waren noch nicht mal im Amt als die Untersuchungen tatsächlich begonnen hatten.

Aus dem, was hier in den letzten 5 Jahren passiert ist, könnten Autoren wie Tom Clancey oder John Grisham sicherlich einen exzellenten Thriller schreiben. Denn auch die US-Behörden waren hier „kreativ“. Die Aktivitäten der „großen Drei“ wegen illegalem Glücksspiel an sich zu unterbinden war ein kaum durchführbarer Akt (alleine schon weil es sich um Off-Shore Unternehmen handelt). Aber sie wegen anderer „Verbrechen“ zu belangen nur eine Frage von geschickter und langwieriger investigativer Arbeit. Und Bankbetrug, Geldwäsche gehören genauso wie Steuerbetrug zu den Dingen bei denen man in den USA keinen Spaß versteht. Das mußten in der amerikanischen Geschichte schon einige andere erfahren.

Der Image Schaden für Poker in der Öffentlichkeit

Und genau das ist irgendwie auch das traurige an der Geschichte. Denn mit ihrem „Augen-zu-und-durch“ Kurs haben uns die „großen Drei“ am Ende eventuell einen Bärendienst erwiesen.

Alle die mit mehr mit dem Thema Poker zu tun haben wissen, warum bestimmte Dinge so abgelaufen sind wie sie sind. Wer aber seit Jahren versucht Freunden und Verwandten zu erklären, dass Poker ein „Skill-Game“ ist und nichts mit dem „Untergrund-Image“ der Vergangenheit zu tun hat muss nun auch erklären warum dann „respektable“ Unternehmen der Poker Branche angeblich Geldwäsche und Bankbetrug begehen!

Da war Poker inzwischen medientauglich und speziell in den USA auch dabei „Mainstream“ zu werden kehrt sich das Ganze nun wieder in die andere Richtung. Jeder Sender muss sich nun überlegen wie und in welcher Form er künftig über Poker berichten kann. Denn man möchte weder bei den eigenen Zuschauern mit der Förderung illegaler Aktivitäten in Verbindung gebracht werden, noch ins Fadenkreuz der Ermittler geraten. Selbst ein Chris Ferguson sitzt in Interviews (freiwillig oder auf Druck der Medien) nun ohne Full Tilt Patch da. Dementsprechend wird sich auch bald zeigen wieviele Jobs die gerade in den Medien mit Poker zu tun haben in der nächsten Zeit verloren gehen.

Bevor wir aber nun alle auf die Online Pokerrooms einschlagen sollten wir uns auch mal kurz an die eigene Nase fassen! Denn wer war nicht glücklich darüber dass es noch Pokerrooms gab die uns auch den Wettstreit mit den US-Bürgern ermöglichten? Wer war nicht von den immer höheren Garantien und Teilnehmerzahlen begeistert?

Nicht begreifen kann ich allerdings, dass es immer noch Pokerrooms gibt die auch jetzt noch die US-Kundschaft bedienen. Mit welcher Ignoranz nimmt man dort an, dass der Kelch an ihnen vorbeigeht? Jedem muss klar sein, dass man sich auf die „großen Drei“ konzentriert hat um hier Fakten zu schaffen. Sind diese Fakten geschaffen, dann ist auch das Ende für alle anderen gekommen.

Daher bleibt jetzt nur noch die Hoffnung, dass die Bestrebungen der gesetzlichen Regulierung endlich umgesetzt werden. Dies würde es auch den „großen Drei“ leichter ermöglichen eine Prozess zu vermeiden. Man könnte sich für die Aktionen der Vergangenheit teilweise schuldig erklären, Strafzahlungen leisten und eventuell dann sogar im Rahmen einer neuen Gesetzgebung wieder aktiv werden.

Und im Gegensatz zu UB/Absolute scheint man zumindest bei PokerStars und FullTilt die Zeichen der Zeit erkannt zu haben und hat für seine Kooperation mit den Behörden dafür nun auch die beschlagnahmten US-Domains wieder zurückbekommen. Damit kann zumindest der größte mögliche Schaden vermieden werden und die US-Spieler können ihr Geld zurückbekommen. Es wird spannend sein zu sehen wie weit diese Kooperation noch geht. Zumindest hinter den Kulissen dürfte auch jetzt schon einiges passieren das im Moment noch nicht ins Licht der Öffentlichkeit rückt.

Ein wesentlicher Punkt zur Rückgabe der Domains … auch für deutsche Spieler

Im Rahmen dieser Einigung haben PokerStars und FullTilt auch explizit erklärt kein Echtgeldspiel für Spieler in den USA anzubieten. Man wird dies über entsprechende IP-Sperren realisieren. Wer sich ein wenig mit dieser Thematik auskennt, weiß aber auch wie man solche Sperren z.B. mit Proxy Servern etc. umgehen kann. Da aber niemand daran gelegen sein kann, dass man sich wegen solcher Fälle erneut Vorwürfen der Behörden aussetzt nimmt zumindest PokerStars hier eindeutig Stellung: „Jeder der von innerhalb der USA … mit einem technischen Workaround diese Regelung umgeht läuft Gefahr, dass sein Konto gesperrt und seine Gelder eingezogen werden“.

Jeder heißt dabei auch genau das. Daher sollten auch alle nichtamerikanischen Spieler tunlichst jeglichen Versuch vermeiden dort zu spielen während sie sich in den USA aufhalten!

Fazit

Ich hoffe diese Ausführungen konnten Euch die Hintergründe zum „Black Friday“ ein wenig näher bringen und aufzeigen, dass er letztlich nur das Ergebnis einer Maschinerie ist die bereits vor mehr als fünf Jahren angelaufen war und diese (außer vielleicht mit einer entsprechenden gesetzlichen Regulierung des US Marktes) so oder so nicht mehr aufzuhalten gewesen wäre.

Wie es genau weitergeht kann derzeit keiner sagen. Aber nach dem ersten Sturm sieht es so aus, als ob auch die US-Behörden keinen unerbittlichen Konfrontationskurs fahren. Die Tür für Gespräche scheint noch nicht komplett geschlossen zu sein. Und auch wenn sich PokerStars und FullTilt am Ende tatsächlich komplett aus dem amerikanischen Markt zurückziehen müssen, dürfte ihre Existenz nicht auf dem Spiel stehen. Bei UB/Absolute würde ich meine Hand dafür nicht ins Feuer legen wollen.


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