Kolumnen

Born to be vorn

In letzter Zeit reissen die Sensationsmeldungen über meine Erfolge an den internationalen Pokertischen dieser Welt nicht ab. Wo und wann immer ich spiele, ich komme ins Geld. Oder sogar an den Final Table. Ja, ich kann‘s. Ja, ich bin ein natural born winning player. Zumindesten schaffe ich es aktuell immer ins vierte Level. Was vielleicht an meiner neuen Spielweise liegen mag.

Am meisten Sinn macht es; wenn man sich das vierte Level als Ziel für das heutige Turnier gesetzt hat; mit einer einstündigen Verspätung am Veranstaltungsort aufzuschlagen. Man bezahlt in Ruhe und in aller Gelassenheit sein Buy In, setzt sich dann erst einmal auf ein Glas welchen Inhaltes auch immer an die Bar und beobachtet das bunte, muntere Treiben. Je nach Spielstärke kann man dann frühestens Mitte des dritten Levels seinen Platz einnehmen.

Fortgeschrittene können sich auch schon im zweiten Level setzen und versuchen, mitzuspielen. Dann aber sollten sie sicher, von sich und der Tagesform überzeugt sein und erst einmal solides Poker spielen. Keine Dinge erzwingen wollen. Erst einmal die Karten spielen, weniger den Gegner. Vordergründige Konzentration auf die Vermehrung von Chips. Und Fokussierung auf das Beisichbehalten der Chips, die man schon hat. Das ist übrigens eine allgemeingültige theoretische Lektion in jedem Level. Jeder Chip, den man spart ist genau so viel wert die ein Chip den man gewinnt. Jeden Chip, den man verliert ist viel weniger wert als die Chips, die nun bei deinem Gegner liegen. Nicht ganz einfach Mengenlehre, aber Grundvoraussetzung des mathematischen Wissens beim Poker.

Und, natürlich, ganz ganz wichtig, zu jeder Zeit das Pokerface aufgesetzt lassen. Um nicht lesbar zu werden, denn sonst könnte es eng werden mit dem vierten Level. Hut und Zigarre im Mundwinkel. Oder die Hoodie-Kapuze bis über die Augen, darüber noch eine Kappe und die überdimensionale Sonnenbrille, die am unteren Rand mit dem Schal kollidiert. Nicht zu vergessen die dicksten auf dem freien Weltmarkt käuflich zu erwerbenden Kopfhörer. Dazu eine versteinerte Mimik und nicht den Hauch einer möglicherweise verräterischen Gestik. Niemals dürfen irgendwelche Tells gegeben werden, egal wie hoch die selbsteingeschätzte Edge auch immer sein mag. Mutation zu einem scheintoten Zombie am Tisch.

Und immer schön relaxt. Total entspannt, verankert im Hier und Jetzt. Zurücklehnen und genießen. Sollen sich doch erst mal die anderen gegenseitig raushauen. So erreicht man locker das vierte Level. Und dann ist auch schon bald der Final Table in Sichtweite. Möge der Pokal unser sein.

Ja, Poker ist manchmal einfach. Zu spielen, nicht unbedingt zu verstehen. Es gibt auch keine Patentrezepte aufgrund Komplexität, es gibt keine Standardlösungen aufgrund unkomfortabler Kombinationen, es gibt keine allgemeingültige Antwort auf die brennenden Fragen aufgrund er kompletten Komplikationen. Die jedes Mal wieder ganz anders sind. Bei Poker gibt es realistisch gesehen auf jede Frage unterschiedliche Antworten. Eine einzige davon ist richtig wirksam und bindend – wer am Ende alle Chips hat, hat alles richtig gemacht. So einfach kann Poker dann doch letztendlich sein. Das fängt schon mit den Assen als Starthand an. Einfach folden. Wegschmeißen. Auch wenn man im Big Blind ist und vorher nicht erhöht wurde. Weg damit. So kann man sie nämlich nicht verlieren.

Und auch heute werde ich mir wieder meine neusten Pokerklamotten anziehen und ins Geld kommen. Mindestens.

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