Kolumnen

Danke Sebastian Langrock!

Die Sendung „Wer wird Millionär“ vom 11.3.2013 hat Pokergeschichte geschrieben. Niemand hat bisher eine klarere Botschaft für unseren Sport vermittelt als Sebastian gestern Abend. Man sollte sich die Sendung unbedingt ansehen (siehe RTL Now).

Ich kenne Sebastian nicht. Ich weiss nicht, wie erfolgreich er welche Pokerspiele spielt. Es interessiert auch nicht. Sein Auftritt gestern war einfach nur „sau gut“. Er hat hervorragendes Poker gespielt – ganz ohne Chips und natürlich ohne Karten. Er hat von vornherein mit Weitblick agiert, nie den Überblick verloren und ist am Ende vollkommen verdient von Fortuna geküsst worden. Herzlich Glückwunsch!

Was war passiert und wo lagen die Pokermoves im Ratespiel bei Jauch?

„Ich würd’s ihnen gern sagen, muss ich aber nachher machen. Vielleicht brauch ich sie noch mal“, sagt Sebastian nach der 64.000 € Frage zu Günther Jauch auf die Frage, welchen Read er auf ihn zu haben behauptet. Das ist brillant. Es ist hierbei nämlich ziemlich egal, ob Sebastian tatsächlich einen Read auf Jauch hat oder nicht. Er antwortet sympathisch und verlagert trotzdem den Druck auf den Moderator. Dieser wird sich nun fragen „sieht er tatsächlich was?“. Allein dieses Setup erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Sebastian in Zukunft wirklich etwas sehen wird! Well done.

Sebastian schafft es auch im Allgemeinen, Jauch eher für als gegen sich zu stimmen. Er ist nicht allein auf die Beantwortung der Fragen fixiert. Er spielt das Spiel ganzheitlich mit Leib und Seele. Er bezieht auch das Publikum clever mit ein.

„Umso höher es geht, desto ausgeglichener sind die Ausschläge bei den Balken.“ So einfach wie korrekt interpretiert Sebastian das 68% Ergebnis des Publikums bei der 125.000 € Frage. Diese 68% sind viel Wert. Sebastian hat durch sein neutrales Verhalten vor der Publikumsbefragung ein solches Ergebnis ermöglicht, er nimmt es klar wahr und hat „die Eier“, auch darauf zu setzen. Er geht im blinden Vertrauen auf die von ihm gesäte Saat das kalkulierte Risiko ein, mit 500 € nach Hause gejagt zu werden. Sehr guter Move.

„Genaueres Nachdenken bringt mir hier gar nichts. (…) Ich will die Million. Auf geht’s. C.“ Zwischen diesen beiden Zitaten liegen einige Minuten an sehr guten Situationsanalysen. Man sollte sich insbesondere diese Passage genau ansehen und gut zuhören. Sebastian hat nicht in allen Punkten Recht. Das muss er auch nicht haben. Das kann er gar nicht haben. Die Situation ist hoch komplex. Mir gefällt sein Mut Annahmen zu treffen, sein Vertrauen in seine emphatischen Fähigkeiten, eine Situation in ihren Motiven nachzukonstruieren. Ist dies geschehen, so handelt er folgerichtig und dabei messerscharf. Er lässt sich nichts einreden und nimmt die Hürde hoch auf 500.000 €.

Das war’s. Danach passiert etwas, das ebenfalls viel mit Poker gemein hat. Diejenigen, die wenig Glück bemühen, weil sie viel richtig machen, erarbeiten sich gute Spots, die andere niemals erblicken. In einem solchen Spot darf man dann durchaus auch mal „Glück haben“. Ich freue mich für Sebastian, dass er den letzten Schritt zur Million quasi frei Haus geliefert bekam.  Die „20 nach 4“ Frage spielte ihm voll in die Karten. Es schließt sich ein gigantischer Kreis für ihn. Er hatte als Kellner einmal Jauchs Teller abserviert. Da lag das Besteck wohl in der gefragten „Ich bin fertig“-Stellung auf Zwanzig nach Vier. Leicht fällt es hier, einfach nur an Glück oder Schicksal zu glauben. Doch Fakt ist auch, dass Sebastian sich vorbereitet hat und die Frage nicht etwa wusste, weil er gekellnert hat, sondern weil er dieses „unnütze Wissen“ eine Woche vorher in einem Buch über kuriose Fakten gelesen und behalten hatte.

Sebastian vereint die Tugenden, die ein guter Pokerspieler braucht: Ehrgeiz, Fleiß, Kalkül, Ruhe und vieles mehr – zu guter Letzt auch etwas Glück. Jetzt, nach der Sendung, beginnt das eigentliche Spiel für ihn. Es ist nun seine Aufgabe, auch in der neuen Situation ohne unmittelbaren finanziellen Druck ganzheitlich gut zu bleiben. Ich bin gespannt und hoffe das Beste für ihn.

Zahler zocken – Könner kalkulieren

Stephan Kalhamer für
gaming-institute.de


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