Kolumnen

Darum darf Poker Sport sein

Wer fragt, warum Poker Sport sein muss, zieht subtile Grenzen an deren Existenz ich nicht glaube.
Ich antworte hier auf Rosi Grünstäudels interessant diskutierten Beitrag. Ich antworte schlicht als Stephan Kalhamer, weniger als Präsident des Deutschen Poker Sportbundes, auch nicht unbedingt als Pokertrainer oder Autor.

Poker ist groß – und es hat mir sehr viel gegeben. Offensichtliche, aber auch tiefliegende Werte. In meinem Beitrag zu Udo Gartenbachs aktuellem Titel „111 Gründe Poker zu lieben“ habe ich geschrieben „ … Wie nirgends sonst begreife ich unsere große, nasse Kugel wenn ich am filzbespannten Oval sitze. Poker hat mich gelehrt, mehr auf die Qualität meines Tuns statt auf dessen konkretes Ergebnis zu achten. Ich weiß nun, dass man für jeden Erfolg immer ein Stück weit dankbar sein sollte und dass nicht jede Niederlage allein eigenem Verschulden zuzuschreiben ist. Ich glaube den Mix aus Glück und Geschick ebenso verstanden zu haben wie den aus Pech und Unvermögen. …“

Poker ist was du draus machst. Genau deshalb ist es Poker. Genau deshalb ist es ebenso ein perfektes Gegeneinander wie es ein Miteinander ist. Es ist ein Spiel um Ehre oder auch um Geld. Es ist ein Glücksspiel oder auch ein Mindsport. Seine Einfachheit und gleichzeitige Vielseitigkeit macht seinen Reiz aus.

Ich darf Poker Sport nennen. Denn ich spiele das Spiel nachhaltig in einem entsprechenden Rahmen. Meine Entscheidungen vor, während und nach dem Spiel basieren auf disziplinierten Überlegungen – mehrheitlich aus den Bereichen Mathematik und Psychologie. Mir ist absolut klar, dass ich nicht immer einem weiteren Mindsportler gegenübersitze. Ich spiele jeden – und für mich bleibt es stets eine mindsportliche Herausforderung. Oft ist ein wirrer Gedanke sogar schwerer zu erraten als ein brav berechenbarer…

Es wird jedem immer selbst überlassen bleiben, was er aus dem herausragenden Spiel Poker zieht. Ich wünsche jedem, dass er mehr findet als das bloße Ringen mit Fortuna oder blanke Gier.

Explizit will ich auf Rosis fünf Fragen eingehen.

(1) Poker kann jeder gegen jeden spielen und das hat Poker populär gemacht. Warum braucht es ein Ligasystem, bei dem man sich erst für eine Teilnahme qualifizieren muss?)
1.    Richtig. Poker an sich braucht kein Ligensystem. Aber es macht einfach Spaß, in einer Liga organisiert zu spielen, neue Leute kennen zu lernen und dabei messbare Ergebnisse zu erhalten.

(2) Warum soll gerade Poker das Spiel sein, dass als Breitensport klassische Sponsoren für sich gewinnen kann?)
2.    Poker steht zu Fußball wie Social Media zum Fernsehen. Reines Zuschauen ist „sowas von Eighties“. Jeder kann binnen Minuten Poker lernen, es für immer lieben und bis ins hohe Alter selbst spielen. Deshalb ist es ein massives Thema für die Werbeindustrie.

(3) Poker ist Sport laut Definition des DPSB. Meint man damit nicht nur No Limit Hold’em Turniere? Was ist mit all den anderen Varianten und dem Cashgame?)
3.    Der DPSB steht noch am Anfang. Wir beginnen mit Fokus auf NLH in Turnierform und arbeiten uns vor. Cashgame Spielformen passen gedanklich nicht zum Sportgedanken, was keine Wertung ist (vgl. diesbzgl. auch 4. & 5.).

(4) Jeder Sportverband ist auf Mitgliedsbeiträge angewiesen. Warum ist es für einen Pokerspieler besser, seinen „Einsatz“ beim Verband als bei einem Turnier in einem Casino zu leisten?)
4.    Beiträge und Einsätze zu vergleichen ist wie der Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Per Beitrag beteiligt man sich an einem größeren Ganzen. Man ist „dabei“ und stützt ein gemeinsames Ziel: den Pokersport voranzubringen. Dann erst kommen eigene Ziele wie ein Spielangebot. Einsätze sind in allen Aspekten, die mir dazu einfallen, etwas völlig anderes. Es sind Investitionen in sich selbst. Dafür gibt es zu Recht keine non-casino Sponsoren. Für genannten sozialen Sportgedanken hingegen sehe ich durchaus Potential.

(5) Soll Poker in zwei Parallelwelten co-existieren? Oder soll Poker als Sport die uns geläufige Pokerwelt ersetzen?)
5.    Die klassische Casinowelt kann und soll genau so bestehen  bleiben wie sie ist. Poker verdient es, zusätzlich für Menschen zugänglich gemacht zu werden, die es nicht des Geldes wegen spielen, sondern weil sie z.B. das gekonnte Entscheiden im Ungewissen oder der direkte Umgang mit den Geheimnissen anderer Menschen reizt.

Das war’s erst mal von meiner Seite. Ich werde auch im dpsb.org Forum auf die Fragestellungen hier eingehen und manchen Mindsportler dort motivieren, auch hier öffentlich Stellung zu beziehen.

Zahler zocken – Könner kalkulieren

Stephan Kalhamer
kalhamer.de


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