Kolumnen

Das Glück der Fussballer

Immer wieder interessant finde ich, dass man Poker als Geschicklichkeitsspiel so hartnäckig, ja kämpferisch zu verargumentieren hat, während doch Fußball ebenso hartnäckig wie kämpferisch als Skillgame bejubelt wird.

Dabei haben diese beiden Sportarten hinsichtlich des Zusammenspiels von Glück und Geschick ziemlich viel gemein. Kurzfristig kann hier wie da wirklich alles passieren. Dass etwa die Schalker zu Hause klar ManU unterliegen, wussten wohl noch „mal wieder alle“. Aber dass Real ebenso klar zu Hause Barca unterliegt, können mit vertretbaren Gewissen nur mehr Wenige behaupten. Und diese hatten auch etwas Glück!

(Natürlich verkünden immer die aktuell Glücklichen ihr „Wissen“ besonders lautstark in Bars oder Foren; eben weil sie sich selbst am meisten wundern, dass sie doch tatsächlich mal Recht hatten. Und schon bekommt die schweigende Mehrheit mindestens subtil die Auffassung, dass das Ergebnis mal wieder allen anderen klar war, deshalb wohl für Sachverständige vorhersehbar war und schweigt folglich vor peinlicher Betretenheit gleich weiter…)

Im Siegestaumel will natürlich keiner von Glück sprechen, in der Niederlage von Pech aber schon. Das ist vielleicht die ultimative Hürde, die Poker auf dem Weg zum anerkannten geistigen Kräftemessen zu nehmen hat. Fußball ist quasi „Heads Up“. Jedes zweite Team gewinnt. Mehr noch: ein Unentschieden ist oft als Punktgewinn kommunizier- und damit feierbar.

Ganz anders ist da Poker. Meist foldet man, was unbefriedigend ist. Wenn man in der Hand ist, bekommt man oft nicht die gewünschte Action, was unbefriedigend ist. Wenn man die Action aber bekommt, passt vielleicht der Flop nicht, was unbefriedigend ist. Diese Reihe lässt sich wirklich sehr lange fortsetzten und immer wieder steht der Refrain „was unbefriedigend ist“. Erst ganz am Ende, wenn wirklich einmal alles passt und alles zu uns geht, ja dann sind wir einen Moment lang zufrieden vielleicht sogar glücklich – ehe die nächste Hand schon wieder gefoldet wird…

Ich behaupte, dass sich Poker auch deshalb in seiner Anerkennung als Geschicklichkeitsspiel noch schwer tut, weil es viel mehr emotional negativ behaftete Spielausgänge bietet als positive. Damit handeln viele Gespräche unter Pokerspielern von Niederlagen und damit – weil man ja in der Niederlage nichts dafür können mag – von Pech. Dadurch wird der Eindruck erweckt, dass Poker überwiegend mit Zufall zu tun hat. Im Fussball aber wird häufig und gesellig gefeiert. Dafür will man natürlich nicht einfach Glück verantwortlich machen. Es muss also Geschick sein. Dass Wissenschaftler Letzteres auch anders sehen können, zeigt zum Beispiel dieser interessante Beitrag, der mir Anlass für meine heutigen Überlegungen war:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,754907,00.html

Meiner persönlichen Meinung nach bieten beide Disziplinen genügend Freiraum, sich positiv wie negativ auszuzeichnen und dadurch auf Spielausgänge Einfluss zu nehmen. Ebenso sind beide Disziplinen hinreichend unüberschaubar, dass auch Glück eine Rolle spielt. Wie groß diese jeweils ausfällt, hängt in erster Linie von den jeweiligen Umständen ab.

Bei einem kurzen Bolzplatzkick oder im Elfmeterschießen herrscht viel Zufall. In einem Ligamatch über 90 Minuten schon weniger. Eine ordentliche Meisterschaft schließlich geht sehr häufig an einen wirklich verdienten Sieger. Ebenso rult im Pokersport bei Momentaufnahmen das Glück, aber bereits mittelfristig tritt es mehr und mehr zurück.

Zu Recht gibt es also neben Institutionen wie Barca oder ManU ja auch Institutionen wie Ivey oder Dwan.

Zahler zocken – Könner kalkulieren
Stephan M. Kalhamer für
gambling-institute.de
– calculated gaming –


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