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Das Montesino oder der Verzicht auf Redundanz

Die architektonische Entwicklung der Menschheit vollzieht sich im Vergleich zur sonstigen Evolution in hohem, sich immer noch beschleunigendem Tempo. Nachdem der plastifizierte Größenwahn im vegas‘schen Sinne in unseren Breiten zum Glück keinen Einzug halten konnte, weil der Europäer sich weniger gerne den selbstüberhebenden stilistischen Grausamkeiten des Amerikanismuses hingibt, fand er die Befreiung im Sinne seiner Praktikabilität.

Genauso wie im Wiener Montesino. Selbstverständlich ist die Auseinandersetzung mit ungewohntem eine sozialkognitive Lehre, welche, wie schon das Wort besagt auf Erfahrung basiert. Bei der Arbeit des Architekten Raimund Crammer für das Montesino stand nicht nur die Funktionalität, sondern auch die Loslösung des überladenen im Vordergrund. Die Abspaltung vom hedonistischen Zeitgeist und hin zu schlichten Formen, gelangte im Montesino zur Perfektion. Keine Glitterwelt welche ablenkt von der eigentlichen, in sich verspielten Entität, des Pokerns. Die Inhaber des Montesinos, waren grundlegende Dinge wichtig in der Locationfindung. Zum einen die Verkehrsanpassung, welche durch eine U-Bahn direkt zum Haus führt sowie durch die Tangenten Nähe mehr als nur gegeben ist. Somit gibt es in Wien wenige Plätze welche diese Voraussetzungen erfüllen. Die Aufbruchstimmung eines todgeglaubten Bezirkes, durch die Umwandlung der alten Gasometer in ein modernes Wohn- und Einkaufviertels tat ihr übriges. Auch die infrastrukturelle Nähe der Konzerthalle, des Entertainmentcenters und des Einkauftempels erfüllt ihren Werbewert, welcher sich dem Zulauf des Casinos als positiv darstellt, was wiederum dem Spieler zu Gute kommt, zumal er auf Grund dieser Tatsache gut besuchte Pokertische finden kann.

Weiters dachten sich die Eigner in den Spieler hinein, dessen Ambitionen in erster Linie im Spiel besteht und weniger in ausladenender architektonischer Onanie, sondern die wohl eher in der Bequemlichkeit des Angebotes liegt. Das Restaurant zentral gelegen und nur für die Zeit des Grand Slam Turnieres zwei Stockwerke nach unten gelegt, was zugegeben ein wenig charmanter Einfall war, aber auf Grund des Zulaufes der momentan laufenden Veranstaltung aus platztechnischer Notwendigkeit bestimmt worden war, was aber die Qualität des Angebotenen in keiner Weise mindert. Der Spielbereich zeigt durch das verzichten auf Redundanz auf unkitschige Art, metaphorisch das wesentliche der Menschheitsthemen, Begierde, Verrat, Rausch, Leid, Verlust und Gewinn, was zusammengefasst das Leben eines Pokerspielers widerspiegelt. Tageslicht und die Möglichkeit von frischer Luft mit nicht absenten Blick auf den Stephansdom, findet sich kaum in einem anderen Casino der Stadt oder sogar des Kontinents wieder.

Das Montesino steht als ein Vertreter der „straight architecture“, der „reinen Zweckmäßigkeit “, die, der Tradition der Abscheulichkeiten in der Casinoplanung folgend, einer strengen Ästhetik verpflichtet ist und sich demonstrativ gegen das beliebte „wir machen einen auf Las Vegas“ richten soll, das mit seinem Stil von manchem selbsternannten Kritiker als „unfertig“ empfunden wird. Durch den in beruhigendes weinrot ausgestatteten Spielerbereich wird aber trotz der Funktionalität keine Kühle, sondern vielmehr eine angenehme Stimmung vermittelt, was auf den Umgang der Kontrahenten übergreifen dürfte, ohne es jedoch jemals in Langeweile ausarten zu lassen. Man wundert sich über den groben Gesamteindruck und ist verblüfft von der Eleganz, die sich im Nahbereich zeigt.


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