Kolumnen

Dem Lars seine Badehosen

Es gibt viele hübsche Dinge auf diesem Planeten. Daneben gibt es einige Dinge, die man übersieht und ignoriert. Und dann gibt es viel Unschönes. Kriege, Krankheiten, Steuerbescheide, Schwiegermütter und korkende Weine. Und auch Badehosen in schrecklichen Farben und mit unverständlichen Mustern. Zuletzt noch zuhauf im Urlaub gesehen. Täglich. Optische Belästigung der Miturlauber. Getragen in vollster Überzeugung.

Bei unser aller Lieblingskartenvergleichsspiel bestechen auch einige Mitspieler durch eine Ignoranz modischer Richtlinien. Und durch ignorantes Vortragen sprachlicher Sünden. Vorgetragen in vollster Überzeugung kommt beispielsweise der Sunshot nie an, nur bei den anderen immer. Ja, wenn man schon nicht mit Können beeindrucken kann, dann wenigstens mit Schwachsinn. Im übrigen auch seit langen Jahren mein Lebensmotto. Und auf dem Flop hatte ich noch die Nuts. Auch einer meiner Lieblingsaussagen von Mitspielern, die das Spiel ähnlich spekulativ beherrschen wie ich. Rudimentäre Ahnung hilft halt auf dem Turn nicht immer weiter. Ja, ja, der Flop. Und die Nuts auf eben diesem.

Ein Pokerspiel besteht aus 52 Karten. Mit diesen gibt es insgesamt 1.326 Kombinationen der Starthände. Geht man preflop davon aus, das viele Kombinationen identisch sind und ordnet diese deckungsgleichen Starthände in entsprechende Gruppen, bleiben 169 diverse Starthände übrig. 78 gleichfarbige Kombinationen, 78 Kombinationen in unterschiedlichen Farben und 13 Paare. So weit so schön. Aber unser geliebtes Spiel hört ja nicht mit dem Anschauen und Vergleichen der Starkarten auf; vielmehr fängt es ja nun erst an, lustig und spannend zu werden. Nun kommt der Flop. Und mit ihm sensationell große Wahrscheinlichkeiten und sensationell große Möglichkeiten. Zu jeder beliebigen Starthand; egal ob es Asse sind oder 10 2 in Pik; existieren 19.600 unterschiedliche Flops. Die muss man erstmal treffen. In der Regel schaffen wir das nur jedes dritte Mal. Aber dann, ja dann geht es richtig ab. Weil wir dann die Nuts haben. Schon auf dem Flop. Meistens nur auf dem Flop, weil danach ja noch Karten kommen und nicht jeder Mitspieler bereit ist, jetzt schon auszusteigen. Diese Fische.

All you need is Chips. Und die Hoffnung, dass die Nuts bleiben. Da schwanken wir dann wieder zwischen Realität und Romantik. Die sich aber meistens nicht erfüllt; was meistens nicht unbedingt der Fall ist. Meistens kommen Schmerzen. Der Turn schmerzt uns, er beleidigt uns, er erzürnt uns. Wie ein ungezogenes, pubertierendes Kind. Trotzdem lieben wir es. Wir können doch gar nicht anders. Ein im Kleinhirn verankerter Botenstoff entdeckt zwar die Pein, überdeckt sie aber sofort wieder. Poker hat ein medizinwissenschaftlich noch nicht gänzlich entschlüsseltes Bindungshormon. Im Prinzip müsste Poker sogar für Milcheinschuss sorgen.

Ja, die Nuts. Und der Flop. Und die Gegenspieler. Ja, Poker ist kein Ponyhof. Aber ein Ritt. Ein Ritt auf der Rasierklinge. Und wir sitzen dort ohne Sattel. Und fühlen uns wohl. Auch das sind hirnbedingte Gefühle. Das laute Dopamin sorgt für vordergründige Ekstase. Hingegen sichert uns der leise, heimliche Oxytocin-Rausch das Gefühl der Zugehörigkeit und des Wohlbefindens. Selbst in dem Wissen, dass unsere Nuts gleich Geschichte sein werden. Und dann müssen wir wieder lernen, mit Verlusten zu leben. Aber Poker lehrt uns, immer wieder aufzustehen, den Staub abzuschütteln und nach vorne zu blicken. Energisch und optimistisch. Wir lernen das durch Poker automatisch, da wir mehr Hände verlieren als gewinnen. Das haben wir bereits akzeptiert, es ist Bestandteil unseres Spiels.

Poker lehrt uns, dass ein nicht gewonnener Pot einem Verlust gleichkommt. Im Laufe eines Spiels lassen wir viel zu viele Gelegenheiten aus, ein paar Chips mitzunehmen und sie vor uns stapeln zu können. Nicht, weil wir es nicht wollen würden. Wir hätten es sogar sehr gerne gemacht, aber der Dealer hat dieses mit dem Turn und dem River unmöglich gemacht. Ja, es sind meistens die Dealer, die uns die Nuts zertrümmern. Diese Nussknacker. Nur lilafarbene Badehosen mit Paisley-Muster sind schrecklicher.

Um diese Kolumne dann doch noch friedlich, fröhlich und hübsch zu beenden, gibt es wieder mal ein Foto von meinem Hund.

foto kolumne badejose


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