Bewegte Zeiten! German Federation of Poker, International Federation of Poker (IFP), IMSA, IOC, SportAccord, Deutscher Poker Sportbund (DPSB), erste sportlich anerkannte Weltmeisterschaft, Deutsches Team, Pius Heinz. Gigantisches Medienecho, wenig Klarheit. Ich will versuchen, ein wenig aufzuräumen…
Die International Federation of Poker (IFP) wurde im April 2009 im schweizerischen Lausanne gegründet. Damit betrat der Mindsport Poker das Parkett internationaler Sportverbände. Deutschland zog mit seinem nationalen Verband im Oktober 2009 nach. Dieser startete als German Federation of Poker und betonte damit seine Verbundenheit zur IFP. Heute heißen wir Deutscher Poker Sportbund e.V. und dürfen auf eine echte Erfolgsgeschichte zurückblicken.
Bereits im April 2010 erwirkte die IFP die Anerkennung des Pokersports als Mindsport vor der International Mind Sports Association (IMSA). Damit war Poker endlich da angelangt, wo es hingehört: in eine Reihe mit Schach, Bridge oder Go – und somit endlich weg aus der gedanklichen Nachbarschaft zu Roulette oder einarmigen Banditen. Im Nachlauf der Olympischen Sommerspiele 2012 von London wird Poker erstmalig ein Teil der World Mindsport Games sein. So ist der aktuelle Stand.
Dass Poker fälschlicherweise als olympische Disziplin neben Ringen oder Schwimmen gefeiert wurde, entsprang einzig phantasievollen Weiterführungen von falsch verstandenen Halbwahrheiten. Nächstes Ziel von Poker ist eine Zusammenarbeit mit SportAccord, dem wichtigen internationalen Sportdachverband neben dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC).
Das etwas komplizierte Zusammenspiel der verschiedenen federführenden Instanzen ist nun nach bestem Wissen genannt. Ganz ehrlich: Es wird nicht alles so heiß gegessen wie es gekocht wird. Poker bahnt sich einfach seinen Weg in die Mitte einer sportlich denkenden internationalen Gesellschaft. Damit genug der Politik.
Auch national und gerade auf spielerischer Ebene dürfen wir von einer beeindruckenden Erfolgsgeschichte sprechen. Wenige Tage nach Pius Heinz gigantischem Sieg in Vegas traf sich ein von mir nominiertes Deutsches Aufgebot in London und spielte mit 11 anderen Mannschaften um die erste sportlich anerkannte Pokerweltmeisterschaft.
Zehn der elf anderen Teams waren ebenso wie wir „Nationalmannschaften im klassischen Sinne“: ein Teamchef beruft den Kader und man spielt als Team für die eigene Nation. Die USA etwa trat mit Barry Greenstein (als Captain), Vanessa Selbst, Jennifer Leigh, Antonio Esfandiari, Ali Eslami, Isaac Haxton und Matt Matros mit einem beeindruckenden Team an. Doch weder die anderen Nationen noch wir mussten uns verstecken.
Mit Sandra Naujoks, Sebastian Ruthenberg, Hans Martin Vogl, Konstantin Bücherl, Tobias Reinkemeier, Moritz Kranich und Tim Reese brachten wir geballte Pokerkompetenz an die Tische. Besonders möchte ich den guten Teamspirit betonen, für den sich natürlich die Spieler selbst, aber auch unser Verbandsumfeld um die beiden Vizepräsidenten, Jürgen Bachmann und Mike König, sehr verdient gemacht haben.
Ich denke, wir waren die Nation, die dem besonderen Modus der WM am meisten Aufmerksamkeit geschenkt hat. Da wir auch die Nation sind, die den Cup gewonnen hat und sich nun Weltmeister nennen darf, kann es schon sein, dass unser gemeinsames Verständnis für das Spiel unter gleicher Kartenvergabe an allen Tischen (Duplicate Poker) ein Grundstein unseres Erfolgs war.
Wie wurde also gespielt und wer war die zwölfte „Nation“ im Nations Cup?
Zynga, die Pokercommunity des sozialen Netzwerks Facebook, stellte als erste „digitale Föderation“ die zwölfte Nation. Sie ist damit Vorreiter in einem Konzept der IFP, das mittelfristig Brücken zwischen digitaler und realer Ausübung des Mindsports Poker schaffen soll.
Im Nations Cup wurde 6-handed Pot Limit Texas Hold’em gespielt. Es wurden wie im obigen Videolink gezeigt an allen Tischen die gleichen Karten verteilt. Dazu saßen jeweils sechs Nationen an sechs Tischen um jeweils einen Platz versetzt. Wären also in Spiel 1 an Platz 1 AA an Platz 2 22, dann 33, 44, 55 und an Platz 6 66 als Starthände verteilt worden, so hätte jede Nation jeden Spot genau einmal zugeteilt bekommen. Denn auch der Button liegt überall gleich und selbst das Board kommt überall gleich – so es denn kommt. Es gibt pro Hand ein Bettingcap bei 100 BB und nie hat ein Spieler vor einer Hand weniger als 100 BB im Stack. Es herrscht also größtmögliche Vergleichbarkeit zwischen den Aktionen der Spieler.
Wer versteht es im Vergleich zu seinen eigentlichen Gegnern in den selben Spots an den anderen Tischen weniger zu verlieren oder aber mehr zu gewinnen? Nach allen gespielten Händen erringt der beste Saldo pro Seat 6 Punkte für seine Nation. Der Zweitbeste erzielt 5, dann 4, 3, 2 Punkte. Der schlechteste Saldo schließlich bekommt noch einen Zähler fürs Vaterland. Somit kann eine Nation maximal 36 Punkte erringen. Wir wurden mit 24 Punkten vor Brasilien und Spanien (je 22 Punkte) Weltmeister! Gratulation ans Team!
Auch in der Einzelweltmeisterschaft schlugen wir uns gut. Deutschland trat mit 9 Spielern in diesem klassischen MTT an. Die bereits genannten 7 Spieler und ich wurden von Pius Heinz als neunten Starter verstärkt. Wir brachten mit Sandra und Tim zwei Deutsche Spieler aus dem hochkarätigen 135er Starterfeld an den 9er Finaltisch – an „The Table“. Dort erzielte Tim den 8. Platz und Sandra den 6. Platz. Sieger wurde der Spanier Raul Mestre, vor der Engländerin Victoria Coren und dem Brasilianer Igor Trafane. Glückwunsch auch nach Brasilien!
Ein wirklich bewegtes 2011 geht damit in die Schlusskurve. Tolles wurde erreicht, vieles ist auf dem Weg. Wir freuen uns auf alles was Poker ausmacht in 2012. Die typischen Rollercoasterrides zwischen Deeprun und Bad Beat kommen mit Sicherheit wieder auf allen Ebenen – und trotzdem werden sie uns überraschen!? That’s Poker.
Stephan Kalhamer, Präsident
Deutscher Poker Sportbund e.V.