Kolumnen

Der kleine Las Vegas- und WSOP 2010 – Survival Guide

Alle Jahre wieder gibt es mit der WSOP (World Series of Poker, 28. 5. bis 17. 7. 2010) in Las Vegas das ganz besondere Highlight für Pokerspieler aus aller Welt. Und alle Jahre wieder werdenvorher in den diversen Foren immer dieselben Fragen gestellt. Viele dieser Fragen klingen für WSOP- und Las-Vegas-Experten ziemlich dumm … aber wenn man sich selber nur ein wenig zurückversetzt, stellt man fest, dass man noch vor wenigen Jahren vielleicht selbst froh war, Antworten auf die eigenen „dummen“ Fragen zu bekommen. Auch wenn ich selber nie in Las Vegas gelebt habe, ist die Stadt inzwischen eine Art zweite Heimat für mich geworden. Seit ich mein Augenmerk vollständig auf Poker gelegt habe, sind die weltweiten Optionen größer und die Besuche in „Sin City“ etwas weniger geworden. Zu der Zeit, als ich noch in Sachen Black Jack als Kartenzähler unterwegs war, hat mich mein Weg allerdings rund vier- bis fünfmal im Jahr in diese einzigartige Stadt geführt. Daher erschlägt mich Las Vegas inzwischen nicht mehr mit seinen Eindrücken. Überraschen kann mich die Stadt, die sich in regelmäßigen Abständen neu erfi ndet, aber jedes Mal wieder.

DIE ANREISE

Beginnen wir doch am Anfang – bei der Anreise. Las Vegas erreicht man sehr komfortabel aus der Luft. Direktflüge aus Deutschland bietet zum Beispiel Condor an. Ansonsten gibt es viele Varianten mit einer Zwischenlandung in den USA (z. B. Atlanta). Wer stattdessen lieber die – oftmals günstigeren – Flüge nach Los Angeles wählt, muss sich dann noch auf eine fünfstündige Reise durch die Wüste machen. Aber ob aus der Luft oder auf dem Landweg – spätestens, wenn die Silhouette der Stadt das erste Mal im Blickfeld erscheint, stellt man fest, wie anders diese Stadt ist. Die Skyline ist einzig- artig. Und das vor kurzem fertiggestellte Zentrum am Strip („City Center“) ist zwar nicht unbedingt schön, aber doch sehr beeindruckend.


VON DISNEYLAND ZUM GLASPALAST – EINE STADT ERFINDET SICH NEU

Leider sind die Zeiten der Themenhotels inzwi- schen vorbei, und die Glaspaläste im Stile des Wynn, Encore, Aria etc. beginnen die Skyline zu dominieren. Ich fi nde das schade – aber ich bin auch mit dem „Disneyland für Erwachsene“ (NYNY, MGM Grand, Paris, Mirage, Treasure Island etc.) großgeworden. Andere vor mir haben den Abstieg von Downtown, die Sprengung des Stardust oder noch früher des Sands und des Dunes für den Untergang „ihres“ Las Vegas gehalten. Und so fi ndet jede Generation ihr ur-eigenes Las Vegas, schwelgt in Erinnerungen und wird doch vom aktuellen Las Vegas mit in die Zukunft genommen. All diese Hotelcasinos – ob alt oder jung – haben eine große Zahl von Zimmern zu füllen. Da mag es wenig überraschen, dass 14 der 20 größten Hotels der Welt in Las Vegas zu fi nden sind. Möglichkeiten zum Übernachten findet man daher in dieser Stadt mehr als genug. Wie komfortabel es sein soll, ist letztendlich, wie immer in dieser Stadt, nur eine Frage des Geldes.


GEWONNEN – WAS NUN?

Wenn man gut vorbereitet ist, passiert unter Umständen das Erhoffte … man schafft es ins Geld. Und schon hat man neben dem Ritterschlag eines WSOP-Cashes ein weiteres
Problem: Die US-Finanzbehörde möchte nämlich von Nicht-Amerikanern satte 30 Prozent vom Preisgeld einbehalten. Doch glücklicherweise gibt es zwischen den USA und Deutschland ein entsprechendes Abkommen, dass das verhindert. Ungünstigerweise reicht der bloße Nachweis, dass man Deutscher ist, hier nicht aus. Ohne das entsprechende Formular und die Erteilung einer Internationalen Steuernummer (ITIN) geht gar nichts. Während es Harrah’s früher egal war und man die Spieler hier dem eigenen Schicksal überlassen hat, hat man inzwischen erkannt, wie wichtig die Besucher aus dem Ausland für das Event sind. Daher gibt es seit letztem Jahr einen Service, der dafür sorgt, dass das entsprechende Formular korrekt ausgefüllt wird und man umgehend seine ITIN erhält. Ohne die muss man sich das Geld nämlich mühsam und kostenintensiv von den US-Finanzbehörden wieder zurückholen.


AUCH IN LAS VEGAS HAT ALLES SEINEN PREIS

Die Zeiten, in denen es die Übernachtung fast für lau gab, wenn man nur ein bisschen gespielt hat, sind leider vorbei. Vom Glücksspiel alleine kann auch Las Vegas nicht mehr leben. Umgekehrt hat man erkannt, was für ein Umsatzvolumen mit Hotelzimmern erzielt werden kann. Aber bereits ab etwa 65 Dollar pro Nacht fi ndet man schon sehr schöne Zimmer. Da runter gibt es auch noch eine Menge. Allerdings sollte man dann auch bereit sein, Abstriche in der Qualität zu machen. Um die besten Preise zu fi nden, empfi ehlt es sich neben den üblichen Anbietern im Internet ruhig auch immer wieder direkt auf den jeweiligen Hotelseiten zu suchen. Oft wird man da positiv überrascht sein. Als Teilnehmer an der WSOP hat man ein Anrecht auf vergünstigte Zimmer. Aber hier ist nicht alles Gold, was glänzt. Natürlich ist es sehr angenehm, direkt im Rio zu wohnen, aber in preislicher Hinsicht sind auch die WSOP-Raten selten wirklich konkurrenzfähig. Was weiterhin sehr günstig ist, ist das Essen. Bezahlbare gute Buffets gibt es immer noch an vielen Stellen. Aber auch hier gilt: Richtig gute Qualität kostet meist doch ein bisschen mehr. Wer dazu bereit ist, sollte sich defi nitiv einmal das Buffet im Bellagio sowie das Seafood-Buffet im Rio gönnen. Was man aber eventuell beim Essen mehr ausgibt, kann man dann spätestens beim Trinken wieder einsparen – denn die Getränke gibt es am Spieltisch immer noch umsonst. Allerdings sollte der eine Dollar Trinkgeld für die Bedingung selbstverständlich sein. Genau der ist es nämlich, wovon das Service-Personal in den Casinos üblicherweise leben muss. Ein Festgehalt gibt es dort nicht. Was man sich als Besucher der WSOP aber unbedingt leis- ten sollte, ist ein Mietwagen. Und diesen wiederum sollte man am besten von Deutschland aus über einen deutschen Anbieter buchen. Wer direkt bei den amerikanischen Anbie- tern anmietet, zahlt unterm Strich meist das Doppelte. Aber die Mobilität lohnt sich, denn so richtig Spaß macht die Stadt erst mit der Unabhängigkeit eines Autos. Schließlich gibt es hier weit mehr als nur den berühmten „Las Vegas Strip“. Und der Austragungsort der WSOP, das Rio Hotel und Casino, liegt eben nicht zentral am Strip, sondern ein wenig abseits westlich davon. Nicht soweit, dass man nicht theoretisch auch laufen könnte – aber wer mag das bei deutlich über 30 Grad Celsius in der prallen Sonne wirklich gerne tun? Und romantisch ist die Strecke, die direkt über die Autobahn führt, auch nicht gerade.


DIE ANMELDUNG – JETZT WIRD’S ERNST

Man muss sich aber nicht nur Zeit nehmen … der richtige Zeitpunkt ist ebenfalls ein wichtiges Kriterium.Es gibt keinen größeren Fehler,als sich für ein WSOP-Event erst ein oder zwei Stunden vor Turnier start einzukaufen. Wenn man Pech hat, steht man nämlich stundenlang in einer Schlange und setzt sich dann genervt statt ausgeruht an seinen Platz im Turnier. Oder noch schlimmer, man bekommt nur einen Platz auf der Warteliste. Dabei könnte man es sich so einfach machen: Die Kassen haben praktischrund um die Uhr geöffnet. Nach 20 Uhr ist hier meist nichts mehr los, und man hat sein Ticket innerhalb von wenigen Minuten in der Tasche. Zumindest, wenn man zwei weitere wichtige Eigenheiten beachtet hat: Um sich für ein Turnier bei der WSOP anzumelden, braucht man eine sogenannte Player’s Card. Bei Harrah’s ist das die „Total Rewards“-Karte. Ohne die bekommt man kein Turnierticket. Also zuerst mit Ausweis oder Führerschein am Player’s-Card-Schalter vorbei (den gibt es natürlich auch neben demTurnierbereich), und der Punkt ist abgehakt. Der zweite Teil braucht unter Umständen etwas mehr Vorbereitung. In dieser Stadt ist Bargeld ja so ziemlich das Wichtigste, was es gibt. Natürlich kann man sein Essen und vieles andere wie bei uns mit Kreditkarte bezahlen. Aber für bestimmte Dinge sollte man ausreichend Bargeld dabei haben: kleine Scheine für diverse Trinkgelder (Valet, Gepäckservice, Getränke etc.) und große Scheine für die WSOP. Denn sein Buy-In kann man vor Ort leider eben nicht mit der Kreditkarte bezahlen. Also genug Bargeld oder Traveler Cheques aus Deutschland mitnehmen, sonst könnte man über hohe Gebühren und zu geringe Freigrenzen an den Geldautomaten stolpern. Aber auch mit Bargeld kann man Pech haben, wenn man nicht aufpasst. Beträge von mehr als 10.000 Dollar in bar (oder Traveler Cheques) sind bei der Einreise in die USA unbedingt anzugeben. Sonst könnte das Geld statt in ein Pokerturnier sehr schnell in die Taschen der US-Finanzbehörde fl ießen. Mit potentieller Geldwäsche ist bei den Amerikanern nicht zu spaßen. Natürlich kann man Geld auch vorab telegrafi sch zum Casino schicken und dort deponieren oder seine Buy-Ins auf diesem Weg bezahlen. Aber persönlich konnte ich mich mit dieser Variante nie wirklich anfreunden. Wer dazu mehr wissen will, sollte vielleicht auch einmal George Danzer fragen … der musste vor zwei oder drei Jahren einmal feststellen, dass er schneller als sein Geld in Las Vegas angekommen war. Ganz schlecht, in einer Stadt, wo Geld nun mal das wichtigste Gut ist.


WSOP – DER ERSTE EINDRUCK

Da kann man seine Zeit sinnvoller verbringen. Und Zeit ist genau das, was man sich nehmen sollte. Wer zum ersten Mal zur WSOP kommt (selbst wenn er vorher schon mal inLas Vegas war), sollte die Eindrücke auf sich wirken lassen. Was einen hier erwartet, ist nicht nur irgendein Turnierbereich. Der Amazon-Room (der bisherige Hauptsaal) beherbergte zu seinen Spitzenzeiten mehr als 2.000 Spieler und eine nicht gerade kleine Anzahl von Zuschauern. Der „Pavilion“, der neue Hauptsaal, ist sogar noch um einiges größer und wird sicher noch eindrucksvoller sein. Wer diese Atmosphäre zum ersten Mal erlebt, wenn er sich bereits an den Turniertisch setzt, kann sich davon leicht erschlagen wollen. Also erst mal schauen und genießen! Und genießen kann man. Kaum einer ist immun gegen das Aufgebot an bekannten Pokerspielern, das sich hier tummelt. Auch wenn nur ein Teil der Tische direkt einsehbar ist, kann man regelmäßig bekannte Pros beim Pokern beobachten – oder man läuft ihnen auf den Gängen quasi direkt in die Arme. Am besten erreicht man den Turnierbereich (der im Konferenzzentrum des Rio liegt) übrigens von der Rückseite des Casinos aus. Man verzichtet also auf einen Parkplatz im vorne gelegenen Parkhaus und parkt lieber auf der rückwärtigen Freifl äche. Dann hat man zwar bei seiner Rückkehr ein ziemlich aufgeheiztes Auto – spart sich aber kilometerlange Fußmärsche durchs gesamte Casino.


DIE GOLDMEDAILLE DER POKERSPIELER

Was uns auch schon wieder direkt zurück zur WSOP führt: Wer gute Turnierstrukturen sucht, sollte sein Geld nicht unbedingt in ein WSOP-Turnier stecken. Die Qualität der Struktur hat sich seit letztem Jahr zwar um ein Vielfaches verbessert – trotzdem kommen sie bei weitem nicht an das heran, was Venetian und Caesars zu bietenhaben. Warum also dann überhaupt ein WSOP-Event spielen? Weil neben dem in Summe viel höheren Preisgeld das WSOP-Bracelet wohl nur mit einer olympischen Goldmedaille verglichen werden kann. Jedes Jahr gibt es knapp über 50 Turniere auf der WSOP, bei denen ein Bracelet vergeben wird. Jedes Jahr erreicht daher nur eine Handvoll aus Tausenden hoffnungsvollen Spielern das beinahe Unmögliche. Jeder, der meine anderen Artikel auf Pokerfi rma gelesen hat, weiß genau, dass ich ein Turnierstruktur-Freak bin. Aber gegen 41 legendäre Jahre WSOP bin auch ich nicht immun. Vor 41 Jahren hat nämlich mit ein paar wenigen Spielern das begonnen, was heute eine Massenbewegung ist. Und die WSOP selbst hat einen großen Anteil daran, dass Poker auch bei uns heute überhaupt so populär geworden ist.


ALLES HAT EIN ENDE …

Wer am Ende die Stadt wieder auf dem Luftweg verlässt, sollte unbedingt genügend Zeit einplanen. Die Schlangen an den Flughafenkontrollen sind oft länger, als einem lieb ist. Und wenn ich lang sage, dann meine ich auch wirklich lang. Man sollte nicht vergessen, dass die WSOP zwar einige tausend Spieler anlockt – das ist aber nur ein kleines Häufchen im Vergleich zu dem, was sonst noch so in dieser Stadt los ist. Schon die meist zur selben Zeit stattfi ndende Schuhmesse zieht mit mehreren zehntausend Besuchern ein Vielfaches an Teilnehmern an. Und wehe dem, der gerade in einen Messe-Abreisetag gerät! Irgendwie ist in Las Vegas aber immer Messe. Ansonsten gilt aber für die meisten nach ihrem ersten Besuch der berühmte Satz von Arnold Schwarzenegger: „I’ll be back“ … spätestens zur nächsten WSOP, wenn es wieder darum geht, ein Stück Poker-Geschichte mitzuschreiben. Nach der WSOP ist halt vor der WSOP.


DIE P-WÖRTER: POKER & PAUSE

Aber ob gewonnen oder verloren – man sollte sich auch seine Pausen gönnen. Natürlich kommt man zum Spielen in diese Stadt. Und auch ich tue mich immer sehr schwer, mich dieser Atmosphäre zu entziehen. Aber gerade wenn man etwas länger hier ist, können die langen Turniere sehr schnell an der Substanz zehren. Also mal raus aus dem Turniersaal und die übrigen Attraktionen genießen! Da gibt es die Dinge, die nichts kosten und trotzdem schön sind (etwa die Fountains of Bellagio und die Freemont Street-Lichtershow in Downtown) und natürlich viele interessante Shows. Für die gilt dasselbe wie für die Hotels: Qualität kann richtig schnell teuer werden. Und die besten Shows (z. B. „O“, Cirque Du Soleil) sind oft auch auf lange Zeit ausgebucht. Wer trotzdem flexibel seinmöchte und ein bisschen Wartezeit nicht scheut, kann ab 12 Uhr mittags an der Fashion Show Mall (gegenüber dem Wynn Casino) für Vorstellungen am selben Abend echte Schnäppchen ergattern. Wer ganz raus aus der Stadt will und ein bisschen mehr Zeit hat, findet in den Red Rock Mountains ein Paradies zum Bergwandern oder besucht Lake Mead oder den Grand Canyon. Oder wie wäre es mit einem Tag im Death Valley? Die Möglichkeiten in und um Las Vegas sind fast unbegrenzt. Mir würde noch so viel mehr einfallen – aber im Heft soll ja auch noch Platz für andere Artikel bleiben. Außerdem ist es auch immer wieder schön, etwas selber zu entdecken. Anregungen gab es ja nun genug; jetzt ist es an Ihnen, mit offenen Augen durch eine der faszinierendsten Städte der Welt zu gehen.


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