Kolumnen

Die Gartenbach-Hamburg/Werthan-Las Vegas Telephonate – Klingelton ist schwul und Strukturalisten sind wie Jetlag

Ohne Zwischenfälle in Las Vegas gelandet. Werthan hatte ein wenig Glück, zumal er am Notausstieg einen Platz zugewiesen bekam. Direkt am Notausgang sitzen hilft gegen Flugangst.

Nachdem der Flieger tatsächlich zum Stillstand gekommen, war löste Werthan die schon krampfenden Hände von der Notentriegelung, zog sich die Schwimmweste aus und legte sie schön zusammengefaltet wieder unter seinen Sitz.

Ein „Scheibenwischer“, ist jener am logischen Menschenverstand des Angesprochenen zweifelnde Geste des Händewachelns vor dem (eigenen) Gesicht, die wortlos vorgetragen werden kann, aber auch in Verbindung mit Schimpfworten, welche zwar die Schärfe mancher bösen Worte verschleiern soll, letztlich aber als Beleidigung registriert wird.

Diese Handbewegung sollte man tunlichst vermeiden, selbst dann wenn man von einem der Homeland Securities befragt wird, ob man Mitglied bei der NSDAP war. Wollte er es nicht sehen oder gibt es diese im Affekt getätigte Geste in amerikanischten aller Kulturen nicht?

Kaum im Taxi läutet das Telefon.

Udo: Ich bin’s

Werthan: Ich weiß. Bei den digitalen Telefonen sieht man das am Display und jetzt hast du sogar einen eigenen Klingelton.

Udo: Warum?

Werthan: Wie warum? Das ist die falsche Frage. Frag doch lieber „was“.

Udo: Na gut, also was?

Werthan: James Blunt, Goodbye my Lover

Udo: Das ist schwul

Werthan: Ja

(Pause)

Udo: Hast du im Flieger geschlafen?

Werthan: Nein, aber jetzt hab ich einen Jetlag, der…

Udo: Hör mir jetzt mit dem Jetlag Blödsinn auf. Das fängt ja schon mal damit an, dass es kein deutsches Wort dafür gibt, und jeden, der über Jetlag redet, sofort die Aura eines polyglotten, protzenden Vollidioten umgibt, der ein Minderheitenproblem hat und unter Umgehung aller hanseatischer Zurückhaltung zeigt, dass er ein wichtigtuerischer Knallkopf ist, der auch bereit ist, vor Verhungernden über das Völlegefühl zu jammern und vor Verdurstenden die Problematik beim Wasser bestellen, weil man nicht weiß ob man jetzt Perier oder Evian nehmen soll. Natürlich immer unter der Voraussetzung, dass Reisen etwas erstrebenswertes ist, was seltsamerweise viele Leute tun. Was noch so eine Sache ist, dass nicht einmal du, mein lieber Werthan, einen Jetlag spannend erzählen kannst, sobald das Wort gefallen ist, kommt so eine unwahrscheinliche Langeweile und kurz darauf eine Lähmung über die Menschen. Wenn ich schlafen will, dann höre ich mir keine Jetlag-Geschichten an, sondern lese etwas von französischen Strukturalisten oder die Texte vom Schrabe.

Werthan: Wem?

Udo: Kennst du nicht.


(Pause)

Udo: Wann hast du vor krank zu werden?

Werthan: Wieso soll ich krank werden?

Udo: Weil in den ersten Tagen in Vegas jeder mit einer rinnenden Nase rumrennt und riecht wie ein hoffnungslos überfressener Koalabär. Draußen 111 Grad Fahrenheit – frag mich nicht wieviel das ist, und drinnen im RIO’S hat es gerade mal…

Werthan: Ich dachte so in Woche zwei. Muss ich aber noch mit Rosi absprechen.

Zur Strafe mit Pseudoephedrin ins Bett!


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