Kolumnen

Die holländische Reise

Ich weiß jetzt, was Sie denken, aber so war es gar nicht. Oder so war es zumindest gar nicht geplant. Es ging um das andere Laster. Das mit den Karten und den Chips, nur diesmal nicht online sondern aus holländischem Plastik. Zwei Kumpel und ich auf dem Weg zum „Casino Holland Venlo“.

Direkt hinter der Grenze liegt Venlo und das erste, was man sieht, sind zwei hell erleuchtete Coffee-Shops – die uns selbstverständlich nicht weiter interessierten. Unter anderem, weil wir besseres vorhatten. Das Casino selbst liegt gerade mal 500 Meter Luftlinie von einer monströsen Müllkippe. Ein massiv mieser Geruch liegt in der Luft und man hat Glück, wenn man nicht selbst zu stinken anfängt.

Apropos „Glück“. Gleich beim Eintritt wurde ich auf das meinige hingewiesen. Die mittelalte blonde Empfangsdame, in Stöckelschuhen sicher Einmeterneunzig groß, meckert mich an: „Sie haben Glück, dass wir noch nicht den 2. Februar haben!“ Und auf mein verständnisloses Gesicht setzte sie ein. „Ab 2. Februar würden wir Sie so nicht reinlassen!“. Dabei hatte ich meine schicke Baggy Pants an. Die, die nicht mal bis zu den Kniekehlen hängen, und ein gepflegtes Hoodie oben rum.

Aber egal. Vorbei und rein in den Laden. Drinnen tadellos. Gutes Licht, schöne große Bar, alles ziemlich bunt. Ein schönes Casino. Nicht wirklich groß, aber Platz genug für Black Jack, einige Roulette-Tische und weiter hinten als Objekt der Begierde – das NL Hold´em Cashgame.

Meine Kumpels haben ein wenig niedriger gespielt und ich setzte mich in die 5/5 Blind Partie. Links neben mir einer der Regulars, spricht holländisch mit dem Dealer, kommt aber sicher irgendwo vom Balkan. Dann ein junger sehr tighter Online-Spieler, mit dem ich mich ein wenig austausche, und dann diverse Spieler, die kommen und gehen. Unter anderem ein Türke, der in kürzester Zeit seine erste Lage von € 600 verdonkt, die Welt nicht mehr versteht, wutentbrannt den Tisch verlässt, um wenig später seine zweite Niederlage auszufassen. So gerecht kann Poker sein, aber auch so ungerecht, wenn ich meine eigene Performance betrachte. Mir gelang an dem Abend einfach gar nichts. Ich fand weder die richtigen Spots noch die richtigen Gegner. Doppelt peinlich, weil meine beiden Pokerfreunde, die ja eigentlich was von mir lernen wollten, beide brav Gewinn mitnahmen auf den kleineren Limits.

Ich bin dann noch ein wenig durch das Casino gestreunt und so kam ich mit den zahlreich anwesenden Roulette-Experten ins Gespräch. Eine faszinierende Welt. Für den Menschenschlag ist Roulette zweifelsfrei ein Spiel des Könnens – im Gegensatz zu Poker. Wer am Kessel verliert, hat einfach etwas falsch gemacht in ihren Augen. Dabei machen sie selbst sicher auch eine Menge falsch, wie man aus ihren Mienen entnehmen kann. Jedenfalls an dem Abend war „rot“ angesagt – so wurde es mir zumindest unter dem Siegel der Verschwiegenheit versichert. Geradezu eine krasse Abweichung und praktisch unverlierbar. Gut, dass ich gar nicht leicht zu beeinflussen bin. Um den Schaden vom Pokertisch wieder wett zu machen, setzte ich einen fetten Betrag auf Rot und – richtig geraten – es kam Schwarz. Wie sagte die blonde Riesin beim Empfang so: „Sie haben Glück, dass wir noch nicht den 2. Februar haben!“. Was wäre dann noch passiert? Wäre mir die Decke auf den Kopf gefallen? Oder was hätte das Schicksal noch zu bieten gehabt.

Egal, wir sind dann zu unserem Auto. Eine leichte Brise von der Müllhalde in der Nase und den Vorsatz noch zwischen zwei Optionen zu wählen. Entweder ein gemütliches Fleckchen auf dem höchsten Müllberg zu suchen, um sich kopfüber in den Unrat zu stürzen, oder einem der beiden hell erleuchteten Lokale an der Grenze einen Besuch abzustatten. Aus juristischen Gründen möchte ich das so offen lassen und nicht verraten, wie wir uns letztlich entschieben haben – Peace!


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