Kolumnen

Die Kunst des Nichtscheiterns

Natürlich sind wir alle Gewinner, auch wenn wir manchmal eine Hand freiwillig aufgeben. Natürlich gewinnen wir die meisten Partien und sind bei den meisten Turnieren im oberen Bereich der Auszahlung. Natürlich vermehren wir das gesparte Geld für den Bausparvertrag unserer Kinder bei nächtlichen Cash Game Sessions.

Irreversibele, dennoch kohärente Vermehrung der eigenen Geldscheine. Ja, sie sind da. Und sie kommen immer wieder, immer mehr. Das deutlichste Zeichen unseres Erfolges.

Udo_RegenAber das ist alles nicht so wirklich schlimm; wenn wir lernen, richtig mit Siegen umzugehen. Im Gewinnen steckt auch ein Potential, welches genutzt werden kann. So hat sich das Gewinnen der falsch justierten Kompassnadel über das Bauchgefühl von Christoph Kolumbus als Glücksfall für Amerika herausgestellt. Ohne den Navigationsfehler von ihm gäbe es heute kein Las Vegas, kein Pius und kein NSA-Skandal. Und wir wären alle ein großes Stück ärmer. Und ungeliebter in dieser ansonsten so kalten und herzlosen Welt. Ja, an dieser stelle mal wieder ein Danke an Vegas.

Nutzen wir also unseren Erfolg am Kartentisch auch für andere Dinge des Lebens. Ja; auch wenn viele der geneigten Leser sich jetzt kopfschüttelnd wundern; diese gibt es.

Nirgendwo sonst in unserer modernen Leistungsgesellschaft werden Erfolge so bewundert und so sehr geachtet wie am Pokertisch. Die Sicherheit des Gewinnens ist schon beim Bezahlen des Buy-Ins spürbar. Es kann nur einer gewinnen. Der andere ist es nicht.

Jeder von uns trifft ausschließlich richtige Entscheidungen, setzt keine Hand in den Sand und hat noch nie mit seinem Postflop-Spiel das Ziel verfehlt. Wir haben all die Jahre noch keine Schwäche unseres Spiels entdeckt, nicht preflop und schon gar nicht postflop. Und preriver und postriver sind wir sowie die Besten auf diesem Planeten.

Hütet Euch nicht vor überhöhten Pots; schreckt nicht vor All-Ins in the Dark zurück; Ihr könnt diesen Erwartungen gerecht werden. Es gibt immer mehrere Mitspieler, die es deutlich schlechter können. Meistens sieben bis acht an einem Neuner-Tisch.

Gewinnt Euren triumphalen Siegen etwas Positives ab. Interpretiert Eure Unsterblichkeit an jedem Tisch dieser Welt als Positivum. Auch wenn Jennifer Aniston immer noch nichts von Dir will (sie ist halt letztendlich doch ne blöde Kuh), kannst Du alle anderen Frauen auf diesem Planeten bekommen. Echt. Ehrlich; vertraut mir, ich weiß wovon ich rede.

Gerade in individualistisch orientierten Gesellschaften stellt Gewinnen, stellt der Erfolg eine Erhöhung des Selbstwertgefühles dar. Eure Pflicht als Sieger ist es, diese Kraft an die anderen Spieler weiterzugeben; Eure Pflicht ist es, die anderen Spieler an Eurem Können teilhaben zu lassen.

Rappelt die anderen nach Euren selbstverständlich gewonnen Assen wieder auf, kehrt das fragmentierte Spielverständnis der anderen verständnisvoll zusammen und helft ihnen, auf den Scherben ihrer Existenz etwas Neues aufzubauen. Seid großzügig, gebt Euer Wissen weiter. Überredet sie zu etwas Sinnvollem, helft ihnen, ihre wirklichen Stärken zu entdecken.

Erklärt ihnen auf leicht verständliche, dennoch freundliche Art und Weise, dass auch jeder andere diese und auch die folgende Hände gegen Euch verloren hätte. Und ermuntert sie beispielsweise zu anderen Hobbies.

Lasst sie Topflappen häkeln oder erklärt ihnen die Hamsterdressur; auch dagegen spricht nichts. Lasst sie die hübschesten Topflappen aller Zeiten häkeln. Vielleicht mit dem Kreuz König drauf. Alternativ wäre auch die Karo Neun sehr schmückend. Auch damit kann man reich und berühmt werden. Irgendwie. Vielleicht. Nicht so reich wie Ihr am Pokertisch, aber das steht ja sowieso außer Frage. Und Ihr seid reich. Monetär. Und Ihr werdet immer reicher – an Mitgefühl, an Hilfe, an Ehre, an empathischer Nächstenliebe. Alles Attribute, auf die es schließlich beim Pokern und beim Erfolg ankommt.

Hinweis der Geschäftsleitung: Ja, das hat der Gartenbach wieder mal total intelligent gemacht. Wer sich letzte Woche nicht angesprochen gefühlt hat, kann es heute tun.

Dringende Bitte der Chefredaktion: Ja, auch diesen Artikel bitte nicht ausdrucken! Es wäre ein Skandal, wenn dafür auch noch Bäume sterben müssten. Es reicht, dass hierfür schon viele Pixel ihr Leben lassen mussten.


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