Da treffen Welten aufeinander: Während in Las Vegas die WSOP stattfindet, wird am anderen Ende der Erde die hohe Kunst des Fussballs zelebriert. Dazwischen leidet der Kolumnist. Geschichten über die armen Gestalten in Las Vegas: kennen wir, haben wir alle schon gehört. Aber keine ist so schlimm wie meine. Dabei kann ich nicht einmal was dafür. Während sich die Welt über Italiens Run auf den WM-Titel empört, muss ich arme Sau zur WSOP nach Las Vegas. Und nein – nicht zum Spielen. Ich habe wegen Arbeit quasi Anwesenheitspflicht.
Das Jahr hat gerade erst begonnen, und ich befinde mich bereits in den Vorbereitungen zur WSOP 2010. Wann und warum ist plötzlich die Horrorvorstellung eingetreten, mehrere Monate vorauszuplanen? Das bin ich nicht gewöhnt, wollte ich nie gewöhnt sein – und ich werde mich wohl auch nicht daran gewöhnen.
Und so sitze ich nun hier und versuche etwas lustlos, mich für einen Flug in die Wüste zu entscheiden. Einen möglichst späten, um das lasvegaische Chaos nicht allzulang aushalten zu müssen? Oder doch lieber etwas früher, um mich vor der Arbeit entspannt einem WSOP-Side-Event oder Side-Side-Event (sprich Venetian & Co.) widmen zu können?
Es wird das dritte Jahr sein, dass ich beim Main Event der WSOP mit Media-Ausweis dabei sein werde. Bereits vor dem ersten Mal nahm ich mir fest vor, bald selbst auf Bracelet-Jagd zu gehen. Bisher hat es allerdings weder mit dem Jagdversuch noch mit dem Bracelet geklappt – hauptsächlich wegen meines erwähnten Unvermögens, vorauszuplanen. Nötig wäre der Antritt schon länger. Und sei es nur, um auf die Frage „Was? Du warst bei der WSOP? Cool, welche Events hast du denn gespielt?“ endlich eine würdige Antwort zu haben. Leider gibt es heuer einen zentralen Punkt, der mir einen Strich durch die sowieso nie aufgestellte Rechnung macht. Und der steigert meinen Verdruss an Las Vegas weiter … Aber diesmal ist nicht die Stadt selbst daran schuld.
Am 11. Juni beginnt in Südafrika die Fußball-Weltmeisterschaft. (Da fällt mir auf: Zufall, dass an diesem Tag das Ladies-Only-Event der WSOP startet? Egal.) Mit italienischem Pass konzentrieren sich meine Gedanken schon seit Monaten auf dieses Groß-Event und die (hoffentlich erfolgreiche) Verteidigung unseres Titels. Wie soll ich mich auf Board und Gegner konzentrieren, wenn ich weiß, dass mein Team gerade verzweifelt versucht, einen 92.-Minute-Elfmeter gegen Paraguay zu bekommen?
Ich hab’ auch schon alles ausgerechnet. Nach einem Auftaktdebakel kämpft sich Italien noch auf Platz 2 der Gruppe F, im Achtelfinale wartet hoffentlich ein guter Gegner, damit die Jungs wissen, dass ihnen jemand zuschaut und der Frisurenaufwand mit gutem Fußball (den sie theoretisch drauf hätten) untermauert wird. Bis dahin sitz’ ich noch in Europa und schau’ mir das alles zur besten Tageszeit mit reichlich Bier und Chips im Fernsehen an. Das heißt: Der Juni ist fast komplett verplant – und vorher fliege ich sicher nicht nach Vegas.
Am 1. Juli muss ich aber doch dort sein. Trifft sich gut, dass der 30. Juni und 1. Juli spielfreie Tage sind (im World Cup, nicht der WSOP). Danach folgt die kritische Phase. Kurz hatte ich gehofft, dass sich mittels Schlafverzicht Arbeit und „Vergnügen“ vereinen lassen würden; leider finden viele Spiele in Südafrika jedoch am frühen Nachmittag amerikanischer Zeit statt. Die Viertelfinali am 2. und 3. Juli werde ich sicher noch irgendwie in meinen Zeitplan integrieren können, zumal das italienische gegen Brasilien um acht Uhr morgens beginnt (in Las Vegas eine äußerst gute Zeit für einen freien Platz im Terminkalender).
Dann wird mir bei der Planung aber kurz schlecht: Halbfinale am 6. bzw. 7. Juli – natürlich genau, wenn es an Tag 1B und 1C des Main-Events so richtig zur Sache geht. Soll ich sicherheitshalber schon an meiner Mir-ist-übel-ich-kann-heute-nicht-Miene und -Stimme arbeiten? Es ist viel zu lange her, dass ich die bzw. mich vor der Schulbank gedrückt habe, und seither hab’ ich eigentlich nichts mehr mit der Schauspielerei am Hut. Vielleicht ist jetzt endlich der richtige Zeitpunkt gekommen, mir einen dieser Oldschool-tragbaren Fernseher zu kaufen. Inzwischen gibt’s die vielleicht sogar in die Linse eines Fotoapparats verbaut, dann schaut es sogar danach aus, als würde ich arbeiten – und ich bekomme kaum Probleme mit den Officials. Ich sehe schon, das wird kompliziert. Seufz! Eines wird zumindest sicher klappen: das WM-Finale. An dieser Stelle mein Dank an die Turnierplaner der WSOP dafür, dass der 11. Juli vollkommen veranstaltungsfrei ist. Die Chancen stehen gut, dass dies bloß Zufall ist, aber seit dem Confederation-Cupfinale könnte sich ja auch in den USA eine Vorfreude auf die WM breitgemacht haben. Und da ich fast ausschließlich mit europäischen Pokerspielern verkehren werde (Qualifier von bwin), sind die Aussichten auf einen hervorragenden Fußballnachmittag mehr als gut.
Den Frust über die unglückliche Überschneidung meiner zwei Lieblingssportarten habe ich mir jetzt zur Genüge vom Leib geschrieben. Geholfen hat’s nicht. Wie auch? Ich schiebe die Entscheidung lieber noch etwas auf, Zeit ist ja genug. Bleibt zu hoffen, dass ich nicht irgendwo ein Preisausschreiben mit WSOP-Package gewinne!
Wer sich beim Lesen von meiner Hysterie hat anstecken lassen, ist zwar selbst schuld, kann aber vielleicht mit dem folgenden Zeitplan etwas anfangen. Nicht vergessen: Events ziehen sich über mehrere Tage – und es wäre doch schade, am Final Table aussitzen zu müssen, nur weil Fußball eben wichtiger ist. .