Kolumnen

Du wirst kleiner, wenn du weinst

Du wirst immer nur noch kleiner, wenn du weinst. Irgendwann hat dich sogar dein Schatten satt.
Kleiner werden ist nicht gut. Gar nicht gut. Größe ist entscheidend. Doch, es kommt auf die Größe an. Wenn auch nur auf die illusionistische und für die anderen Augen optische Größe. Mach dich und deine Hand größer als sie ist. Das geht nicht mit Tränen in den Augen.

Wenn du’s nicht allmählich besser mit dir meinst, findest du bald nicht mal mehr im Spiegel satt.
Poker ist nun mal ein Spiegelbild deiner selbst. Wenn du dich schon an den Tisch setzt und genau weißt, dass der Flip verloren geht, wirst du ihn auch nicht gewinnen. Mein es besser mit dir und rede dir die Nuts ein. Ich beispielsweise rede mir auch täglich vor dem Spiegel ein, dass ich extrem gut aussehe. Und mittlerweile glaube ich das auch.

Bis man trostlos zwischen bitterkalten Fingern letztes Mitleid wie ein welkes Blatt zerreibt.
Ihr bekommt kein Mitleid, höchstens Häme und falschen Trost. Bei jedem noch so welken Blatt, was euer Monster so richtig von hinten rannimmt. Denn natürlich ist es nach dem Flop ein Flop. Ein totaler Flop. Und nach dem Flop ist vor dem Fold. Und natürlich kennst du die Nuts nur vom Hörensagen. So ist das halt. Mir geht es doch nicht anders.

Ich hab nie gesagt, du musst um mich zu mögen, mich ganz verstehen.
Natürlich versteht man Poker nie so ganz. Aber genau darum geht es doch. Dein Gegenüber wird es auch nie begreifen. Ehrlich, der ist genauso schlecht wie du. Es sei denn, ich sitze mit dir am Tisch. Ich bin garantiert schlechter.

Du wirst kleiner wenn du weinst. Plötzlich hast du nur noch Unrecht.
Es gibt nun mal keine Gerechtigkeit. Die einen haben immer mehr Geld als du. Die anderen habe immer die hübscheren Weiber. Und die dickeren Autos. Und die anderen gewinnen halt jeden Flip. So ist das nun mal im Leben. Oder findest du es gerecht, dass der HSV sich nicht direkt für die Champions League qualifiziert hat ?

Ich hab nie gesagt, ich mag dich gerne leiden sehen.
Es ist in der zwingenden Natur der Sache, das beim Poker gelitten wird. Werden muss. Einer muss nicht happy sein. Entweder der andere. Oder du. Akzeptiere das. Oder such dir ein anderes Hobby. So was emotional ungefährliches wie Häkeln. Topflappen zum Muttertag oder einen Schal in vier verschiedenen Farben für die scharfe Nachbarin. Nur, bitte, hör mit der Heulerei auf. Ertrage deine Seelenpein wie ein echter Kerl. Auch wenn du Manuela heißt.

Auf der Leinwand steht nicht Ende, sondern Schluss. Bitte zwing mich nicht zu einem Gnadenschuss.
Oder in unserer Fachsprache übersetzt – Seat Open. Auch ich habe dieses Statement in meine Richtung gesprochen schon sehr oft gehört. Ich kenne den Gnadenschuss. Aufstehen unter seltsamen Blicken der Mitspieler und nach Hause fahren. Aber so ist das nun mal. Einer muss ja der Erste sein. Der erste, der aufstehen muss.

Du wirst immer nur noch kleiner, wenn du weinst. Das hat unsere gute Sache nicht verdient.
Und Poker ist eine verdammt gute Sache. Etwas verdammt Geiles. So wie die Wiedervereinigung von Abba. Oder wie meine heutige Kolumne. Oder wie mein Call in the dark für Fold Equity. Weil runner runner immer wieder der Second Schrott kommen kann.

PS, übrigens, abschließend, persönliche Anmerkung des Autors: Mit meinen dazugehörigen pokerrelevanten Einfügungen war dieser Text übrigens aus dem gleichnamigen Lied von Heinz Rudolf Kunze; einer der größten Poeten der deutschen Musik. Ich bin schon seit langer, langer Zeit ein großer Bewunderer seiner musikalischen Kunst.


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