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Ein Raubüberfall – Ein Offener Brief und zwei Ahnungslose

Es ist Zeit, das selbstgewählte Schweigen zu brechen. Irgendwann ist es dann genug. Casino-Betreiber, Mitarbeiter und Spieler haben auch ihre Rechte. Vielleicht mag uns so mancher Journalist für eine Gesellschaft von Pariern halten und das könnte uns eigentlich prinzipiell ziemlich egal sein.

Wenn es allerdings anfängt, das Lebenswerk von untadeligen Geschäftsleuten in Gefahr zu bringen, wenn verantwortungsloser Journalismus bereit ist, für eine billige Schlagzeile das Wohl von mehr als hundert Angestellten zu riskieren, dann ist es Zeit, etwas zu tun und etwas zu schreiben.

Die Vorgeschichte. In der Druckausgabe vom 19. Februar 2010 titelt die angeblich drittgrößte österreichische Tageszeitung „ÖSTERREICH“ im Wiener Lokalteil folgende Schlagzeile: „Ocean´s Eleven Coup war von Casino-Chef geplant”. Der Artikel bezieht sich auf einen Überfall auf eine große Spielhalle im Wiener Prater. Vier vermummte Täter hatten eine weibliche Angestellte überwältigt, diese – laut Polizeibericht mit vorgehaltener Waffe – gezwungen, den Safe zu öffnen, um dann mit einer gewaltigen Beute zu fliehen.
Drei Tage später nahm die Polizei vier dringend Tatverdächtige fest, und unter denen befindet sich mit Heinz N. der jüngere Bruder von einem der beiden Geschäftsführer des Cardcasinos Montesino.
Ferner ist es richtig, dass der mir persönlich oberflächlich bekannte Heinz N. selbst auch Angestellter der Montesino Entertainment Group war. Selbstverständlich gilt weiterhin die Unschuldsvermutung und alles was von der ÖSTERREICH-Berichterstattung übrig bleibt ist, dass der jüngere Bruder eines führenden Mitabeiters des Montesino einer Straftat verdächtigt wird. – Das ist tragisch und für den älteren Bruder, der mir seit Jahren als untadeliger Geschäftsmann bekannt ist, sicher keine leichte Sache. Noch dazu, wo er sich immer bemüht hat, seinem doch augenscheinlich strauchelnden Bruder Heinz etwas Halt und eine Aufgabe zu geben. Genau so, wie man das von einem älteren Bruder erwarten kann.

Ausdrücklich möchten wir von Pokerfirma.de Raubüberfälle keinesfalls schick, witzig oder verzeihlich finden. Ich weiß aus leidvoller Erfahrung, wie es ist, wenn einem eine Waffe angesetzt wird und das ist definitiv ein traumatisches Erlebnis, das man niemandem wünschen kann. Sollte das Gericht Heinz N. und die drei anderen Verdächtigen schuldig sprechen, werden sie das Urteil wohl verdient haben. Für den Fall bleibt zu hoffen, dass diese unfreiwillige Zäsur in einem etwas aus den Fugen geratenem Leben Anlass für einen Neubeginn sein wird.

Streng verwahren müssen wir uns allerdings gegen den Artikel im ÖSTERREICH vom 19.2.2010 und auch gegen die die Veröffentlichung in der Online-Ausgabe des Verlages. Mein Versuch auf der Online-Seite einen Kommentar zu posten ist gescheitert. Mein kritischer Beitrag wurde einfach nicht freigeschaltet, obwohl ich mich extra mit meinem vollen Namen registriert hatte.

Laut Nutzungsbedingungen behält sich der Verlag vor, Kommentare, die „rassistisch“ oder „sittenwidrig“ sind zu löschen. Das kann ich für meine Zeilen ausschließen. Das dritte Kriterium, meinen Kommentar nicht zuzulassen, wäre laut Nutzungsbedingungen der Seite, wenn es sich um „beleidigende Inhalte“ handeln würde. – Nun drei inhaltlich korrekte Sätze in gutem Deutsch mag man bei ÖSTERREICH als beleidigend empfinden. Unbekanntes provoziert auf reflexartige Weise tiefsitzende Ängste. Ich habe mich jetzt gezwungenermaßen zu einem offenen Brief entschlossen. Da der Autor des zitierten Artikels seinen Beitrag mit „hab“ zeichnet und ich trotz Studiums des dünnen Impressums keinen ganzen Namen konstruieren konnte, bleibe ich in der Anrede bei Herr „hab“.

Lieber Herr „hab“

Ich weiß, man hat es nicht leicht. Druck von allen Seiten, die Arbeitszeiten sind hart und unangenehm und das große Geld ist weit weg. Irgendwie verständlich, dass man sich da nicht allzusehr in jede Story vertiefen kann und möchte. Manchmal ist das, was passiert auch nicht so spannend und spektakulär, wie es der Chefredakteur gerne hätte. Dann erfindet man ein wenig was dazu, feilt ein wenig an den Fakten und mit der entsprechend dramatischen Headline gibt das irgendwie eine halbwegs lesbare Story.
Leider haben Sie sich da mit Ihrem Artikel „Ocean´s Eleven-Coup war von Casino-Chef geplant“ an ein Thema gewagt, von dem Sie rein gar nichts verstehen. Der kurze Text strotzt vor inhaltlichen Fehlern. Ihnen sind Strukturen und Zusammenhänge der Branche offensichtlich nicht einmal ansatzweise bekannt. Ihr marginales Wissen stammt maximal aus dem Konsum von schlechten TV-Krimis und auch da haben Sie nicht gut aufgepasst.

Dem von Ihnen als Referenz genannte „Insider“ kann man im besten Fall Ahnungslosigkeit zugestehen. Im schlimmsten Fall allerdings muss man davon ausgehen, dass bewusst Stimmungsmache gegen einen Mitbewerber betrieben wird. Bezüglich der unglücklichen Wahl Ihres Informanten möchte ich Sie ausdrücklich von jeder Schuld freisprechen. Sie wissen es einfach nicht besser und einen wahren „Casino-Insider“ würden Sie nicht erkennen, säße selbiger auf dem werten Schoße.

Fangen wir mal mit der ungelenken Schlagzeile an:„Ocean´s Eleven Coup war von Casino-Chef geplant“. Nun „Chef“ ist zwar keine exakte Berufsbezeichnung, aber es wird dem Leser eine hierarchische Bedeutung vermittelt, die einfach absolut nicht gegeben war. Der zur Zeit in Untersuchungshaft befindliche Heinz N. war vom Posten des „Casino-Chefs“ soweit entfernt, wie Sie vom Literaturnobelpreis – oder, um in Ihrem Jargon zu bleiben, vom „Literaturnobelpreis-Chef“.

Einen bewaffneten Raubüberfall zu begehen, ist doch suchtkranken und geistig limitierten Personen vorbehalten. Das Verhältnis Strafe, Risiko und Beute ist mehr als übel. Mag man als schlampiger und nicht allzu schlauer Mensch Unterschlupf in einer Redaktion finden können, ist das schön und sozial wunderbar, für einen „Casino-Chef“ muss man mehr auf dem Kasten haben. Einen 24-Stunden-Betrieb zu führen, gehört in der Kategorie Logistik und Personalführung zu einer der größten Herausforderungen. Da plant man nicht – wie von Ihnen suggeriert – mal eben zwischendurch einen „Ocean’s Eleven Coup“.

Sie zitieren in Ihrem Artikel einen „Insider“, der sich zu Heinz N. folgendermaßen äußert: „Er war Floorman, also quasi Geschäftsführer für den gesamten Spielbereich“. Nun das Schlüsselwort in dem Satz ist „quasi“. Wenn man will, kann man das auch so stehen lassen. Für den Spielbereich ist der Floorman tatsächlich während seines Dienstes die oberste Instanz. Nur der Begriff „Geschäftsführer“ ist einfach nicht angebracht und durch das kleine determinierende „quasi“ nicht ausreichend relativiert. Der Floorman hat die letzte Entscheidungsgewalt, falls es mal zu Unstimmigkeiten am Spieltisch kommt und er darf auch selbstverständlich einen Mitarbeiter strafweise nach Hause schicken und seine Meinungen und Vorschläge werden in der tatsächlichen Geschäftsführung ein offenes Ohr finden. Nicht mehr und nicht weniger und ich selbst durfte schon Vorgesetzter von etlichen herausragenden und kompetenten Floormännern sein.
Aber gehen wir weiter im Zitat, denn jetzt wird es wirklich absurd – umgangssprachlich, ob der Verantwortungslosigkeit würde man jetzt sagen, jetzt wird es wirklich „kriminell“. Der Insider: „Der hat natürlich gewusst, wann bei der Konkurrenz die Automaten ausgeräumt werden.“ – Mir fällt da der Satz ein, dass ein Narr in einem Satz mehr Dummes sagen kann, als ein Rabbi in einem ganzen Buch zu widerlegen vermag. Nun, zum Rabbi hat es bei mir noch nicht gereicht. Ich fühle mich außer Stande, diesen Satz sachlich zu zerpflücken. Kann nur den Kopf schütteln und dem Herrgott danken, dass Menschen wie Sie und Ihr „Insider“ nicht als Verkehrspilot, Herzchirurg oder auch nur als Installateur die Welt verunsichern. Sie beide sind schon dort, wo Sie in der Regel wenig Schaden anrichten. Nur bleiben Sie besser bei den Berichten über DJ Ötzis Frisur und Bierzeltfesten.

Vielleicht ein paar kleine Hinweise zur journalistischen Moral für zukünftige Artikel. Wenn, wie im konkreten Fall, die Staatsanwaltschaft ermittelt, gilt die Unschuldsvermutung weiterhin. Das ist Staatsbürgerrecht und mehr als eine Phrase, die Sie dann pflichtgemäß unten dran hängen. Informieren Sie sich zumindest ansatzweise über die Zusammenhänge, bevor Sie in so heiklen Bereichen zu schreiben beginnen. Ich hoffe ja, dass man Sie juristisch belangen wird für den grob falschen Satz, den Sie über Ihren Artikel stellen: „Wie im Film. Geschäftsführer der Konkurrenz steckt hinter dem Prater-Casino-Raub“. Diesmal sogar ohne das mildernde „quasi“ vor dem „Geschäftsführer“. Ganz abgesehen davon, dass der „Begriff“ Konkurrenz in dem Zusammenhang völlig absurd und irreführend verwendet wird. Wie soll eine Automatenhalle im Prater schon rein geographisch „Konkurrenz“ für ein Cardcasino im 11. Bezirk sein? Da könnten Sie genauso das Eisgeschäft in der Innenstadt als „Konkurrenz“ für den Kebab-Stand an der Peripherie hernehmen. – Aber was mach ich mir da unnötige Mühe. Dafür habe ich jetzt keine Zeit. Ich habe soeben unter Ihrem Artikel eine weitere Schlagzeile entdeckt, die mich beschäftigt. Überzeile:„Insgesamt kamen acht Schafs-Babys in Schönbrunn zur Welt!“ und Schlagzeile: „Sechs Schafs-Zwillinge im Zoo“. Mal ganz unter uns Kollegen, wurde der Artikel nach Rücksprache mit einem „Mathematik-Insider“ oder einem „Schafs-Insider“ geschrieben und steckt da vielleicht irgendwie der „Zoo-Chef“ dahinter? – Ich werde die Sache verfolgen und verbleibe mit kollegialem Gruss.

Götz Schrage – Chefredakteur (aber nicht Pokerfirma-Chef)


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