Kolumnen

Eine platonische Hassliebe

So, da bin ich also wieder. Zurück aus einer selbstauferlegten Kreativpause. Ich wollte nicht mehr über Poker nachdenken, nicht mehr über Poker schreiben und hatte von dem ganzen Business die Nase halbwegs voll. Aber mich verbindet dann wohl doch eine platonische Liebe mit den Karten, die mich zurückdrängt zu Stift und Papier.

Außerdem bin ich alt und brauch das Geld. Und Pokerfirma schüttet mich zu mit unglaublicher Kohle. Drei Kolumnen und ich bin in der Lage, das neue Full Tilt Format mitzuspielen.

Und alles auch noch steuerfrei. Vom Chefredakteur nachts in mehr als zwielichtigen Etablissements in einer Plastiktüte überreicht und die Hälfte ging dann direkt für harte alkoholische Getränke und leichte, alkoholisierte Mädels raus. Alles natürlich platonisch. Natürlich. Und ja, ich bekenne: Geld alleine macht nicht unglücklich. Also bin ich wieder zurück beim Schreiben über das einzig wahre Kartenspiel und ich bekenne, dass ich es liebe. Manchmal. Meistens hasse ich es. Aber am Ende des Tages überwiegt wieder die Liebe. Deshalb werde ich ab sofort wieder meinen geneigten Lesern mit mehr oder weniger sinnfreien aneinandergereihten Wörtern belästigen.

Ich weiß, dass mich manche als Irren bezeichnen. Lieber aber sind mir aber all die Menschen, die mich für einen Künstler halten. So sehe ich mich nämlich auch. Ich habe nichts gelernt, kann aber vieles. Aber nichts richtig. Im Prinzip kann ich gar nichts. Deshalb muss ich schreiben. Da es für andere Branchen nicht gereicht hat, bin ich also im Pokerjournalismus gestrandet. Aber ich werde mich nicht beklagen, das ist halt das Los aller großen Künstler. Absonderung von geistreichen Variationen über ein Thema; und der Zuschauer, der Leser mag es nicht. Jede echte künstlerische Gestaltung ist eine Verbindung und Verschmelzung von Ernst und Spiel. Auch das eine Parallele zum Poker.

Und es ist tatsächlich ein ernstes Spiel; mein Schreiben. Es erlaubt sich einen ungeheuerlichen und scheinbar sinnlosen Verschleiß an Gefühlen, Seele, Schönheit, Anmut, Charme, an Kraft der Lenden und des Geistes, um zur Verwirklichung eines neuen Textes zu gelangen.

Ich bin nur dafür verantwortlich, was ich schreibe, nicht dafür, was der Leser versteht – oder verstehen will. Ich schreibe ausdrücklich experimentell, bringe das jeweils mir innewohnende Weltgefühl mit ein und bin nicht immer stolz auf die Unvernunft meiner doch eher beschränkten formalen Mittel.

Auch das beweist eine Duplizität zu unserem nicht immer so geliebten Kartenspiel. Ich sehe, wie junge und auch alte Menschen, aus den verschiedensten Ländern, aus den verschiedensten Schichten der Gesellschaft, von reicher oder armer Herkunft, von unterschiedlichsten Geisteshaltungen, von schlankem oder überfetteten Körperbau, von echter Abenteuerlust und auch Begeisterung getrieben, zusammenströmen, mit gierigen Sinnen und oft überwachen Augen, manchmal hinter Sonnenbrillen verborgen, nächtelang der augenscheinlich einzigen Leidenschaft frönen, Wert oder Unwert in Begriffe zu fassen versuchen, damit ihr Eigenstes zu geben glauben, und sich am Pokertisch zu verwirklichen. In einer gegenständlichen Vielheitlichkeit mit reicher Ausprägung und seltsamen Calls. Sie suchen nicht Harmonie, sondern Ausdruck, nicht Schönheit, sondern Charakter und sie suchen die Chips der anderen.

Das verbindet uns Künstler. Ich, der scheinbar dumpfe Ekstatiker, dessen Schreiberei oft nur Selbstbefreiung und platonische Selbstbefriedigung zu sein scheint, der von allen Unverstandene, muss mir selber künstlerische Schranken setzen. Die vergewaltigende Kraft meiner Worte zwingt mich in ihrer überbordenden Wirkung dazu.

Ich weiß, als realistisch geprägter Künstler, natürlich, dass meine künstlerische Gestaltung begrenzt ist. Darüber vermag auch die Bewunderung, die mir entgegengebracht wird, nicht hinwegzutäuschen. Die Begrenztheit ist durch die ungeheuerliche psychische Intensität und Ausschließlichkeit bedingt. Sie verwirklicht einen Grenzfall der Kunst, entstanden aus einem schöpferischen existentiellen Bedürfnis. Ich unterwerfe mich für meine Leser gerne dieser herrischen Forderung, anverwandle mich ihr bis zur Selbstaufgabe und erlebe sie als geniale Manifestation der Aussage; als ein ornamentales Refugium, mit einer explosiven Schlagkraft wie nie vorher und wie nie nachher auftretbar sein werden wird. Gestaltet mit einer mir antrainierten ungemeinen seelischen und geistigen Großräumigkeit; sicherlich mit einer eigenwilligen, dennoch faszinierenden Ausprägung, mit Grazie und sensibilisiertem Realismus. Eine kräftige Korrektheit, mit der ich aus der Stille hervortrete, von Gedanken bewegt und von Leidenschaft erfasst. Meine Schreiberei ist der Ausdruck einer naiven Beziehung zum Leben und zum Pokern.

Es ergeht mir beim Schreiben ähnlich wie beim Pokern; oft beschleicht mich ein Gefühl der Enge, eine eigentümliche Beklemmung und ich fühle mich wie auch der malende Kollege van Gogh in der Banlieue der Kunst. Ich beuge mich, egal ob beim Schreiben oder beim Folden, hin und wieder fasziniert, meistens aber gequält über eine enge Welt, die ich mit beschränkten Mitteln zu meistern habe. Unheimlich, mit welcher Lapidarität ich das Leben, das Wirken und auch Texas Holdem angehe, ohne rechte Bewegungsspannungen und –intensitäten. Das zeichnet einen großen Künstler aus. Mich ebenso wie Phil Ivey.

Wir beide wirken oft verwirrt und manieriert. Trotzdem voller Schöpferkraft, Tatendrang und mit einer nachdenklichen stimmenden, extrem betonten, großkurvigen Nachhaltigkeit. So sind der Phil und ich. Auch sonst verbindet uns einiges, aber das darf ich hier aus Rücksicht und auch aus Angst vor seinen Anwälten nicht schreiben.

Das Leben ist ein Spiel. Meine Kunst auch. Auch wenn viele behaupten, das es lediglich das morbid anmutende Bedürfnis nach Aufmerksamkeit ist, nach einem Schlagwort in der Szene, nach Onanie, nach einer bestehen bleibenden Formel in der Arabeske, nach einer Dekoration des eigenen Namens; so ist es aber dennoch auch Ausdruck eines gesunden und kräftigen Temperaments, das den Mut zur Freigiebigkeit im schriftlichen Ausdruck hat; sicherlich auf eine vielfach irritierende Weise. Skizzenhaft, manchmal sogar gewollt fragmentarisch, von einer, ja ich lobe mich selber, genialen Wurstigkeit, die nur darum nicht abstößt, weil in ihr immer noch so viel latente Kraft, so viel echte Vision, so viel Geist und auch Charme verwirklicht ist, das man zuletzt sich als besiegt erklärt.

Natürlich macht auch das einen Teil meines tragisch anmutenden Versuches aus, über Poker aus einer anderen Sichtweise zu schreiben. Um alle zu begeistern. Ein solches Unternehmen kann nie gelingen. Weil ich das Unmögliche will, bleibt mir vielleicht das Mögliche versagt. So geht es aber anderen auch, siehe Phil Hellmuth beim Cash Game.

Ich werde auch zukünftig, dieses wird wahrscheinlich von einigen als Drohung angesehen, meine schöpferische Individualität beibehalten, um lesbar formale Reaktionen zu schaffen. Es mutet an, als sei der Zeitgeist selber dabei nach einem großen Grundplan vorgegangen, und ich bin lediglich ein Erfüllungsgehilfe, der nicht immer auf dem richtigen Pfad der Denke und des Argumentierens wandelt. Natürlich irre ich manchmal. Alle Künstler irren, vor allem die großen. Das ist normal, fast schon elegisch zwanghaft. Siehe Platon. Mehr Beweise für diese meine mit großer Vehemenz vorgetragenen These findet man täglich mehrfach bei allen Sachpreisevents, auch hier irren die Künstler. Intelligenz ordnet sich dabei gerne der Leidenschaft, dem Unverständnis und dem Unvermögen unter.

Meine Intelligenz, so vermute ich, reicht gerade so weit, als sie für meine Schreiberei, vor allem aber meine Spielerei unbedingt reichen muss, was selbstverständlich auch genügt, was allerdings aus welchem Sachverhalt auch immer bestimmte Gefahren sich ergeben lässt.

Ich weiß, ich bin kein Mensch der schon bei der ersten Begegnung Sympathie erweckt. Ich fühle, dass ich ein Mann im besten Alter bin, der ein Kind in sich erhalten hat und diesem auch häufig genug erlaubt, sich zu entfalten, herauszukommen und sich zur Geltung zu bringen. Ich bin ein Mann von kleiner Gestalt, nicht in englischem Tuch gewandt, mit zu großen Extremitäten bestraft und dennoch leide ich nicht. Nicht mal bei Oneoutern, die mich derzeit mit fast schon religiöser Permanenz ereilen. Auch das ein Schicksal großer Künstler.

Ich weiß, ich habe ein wunderbares Auge für Szenerien, für hübsche Frauen, für Rotwein; ich besitze eine tiefe Seele und einen reichen Geist. Ich sehe beseelt und schreibe vergeistigt. Es wirkt einfach, aber wer wagt es, meine Schreiberei als einfach zu bezeichnen? Meine Einfachheit ist einfach der Ausdruck der Weisheit und der nicht einmal ungesunden Primitivität; es ist vielmehr eine Einfachheit der Wirkung als eine solche der Mittel. Besessenheit und wüste Träume sind Triebfeder des Schaffens, der Kunst, des stilistischen Ausdruckes. Man muss schon schlechten Glaubens sein, um den Mut zur Behauptung zu finden, dass der Mann, der fähig ist, solche Idee zu haben, und den Mut, diese dann auch noch zu schreiben, um sie der Gesellschaft nahezubringen, kein Künstler sei. Doch, ich bin ein Künstler.

Meine Rückkehr in den Pokerzirkus ist ein Bekenntnis. Ein Bekenntnis zum Poker, welches ich mit herrlichem Pathos vortragen werde; zugleich ist es eine Flucht in das Licht; diese Angst bedingt die Intensität und die Leuchtkraft meiner Worte.

Ja, ich bin zurück. Und ich weiß, dass ich nicht wirklich weiß, was ich mit diesen Zeilen ausdrücken wollte. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass es die meisten Leser ebenfalls nicht verstehen werden. Das Wunder der Gestaltung, das Geheimnis des schöpferischen Prozesses wird sicherlich den meisten verborgen bleiben; dennoch nicht das Erlebnis des Betrachters schmälern.

In vielen Fällen ist schon die Tatsache, dass uns ein Werk packt oder verschreckt, ein Beweis dafür, dass wir einem großen Kunstwerk gegenüberstehen, einer der großartigsten Kompositionen überhaupt. Und damit ist diese meine Komposition, mein Erstlingswerk vollendet. Danke Pokerfirma, dass ich hier schreiben darf, was immer mir im umnebelten Hirn umhergeistert.

Jetzt ein Gläschen roter Traubensaft, dann geh ich donken. Ich werde wie niemals dieses Kunstwerk gegenlesen, sonst würde mir auffallen, dass der Prosa dieser Zeilen die Dichtheit fehlt, die Gleichmäßigkeit der Sprache in ihrer syntaktischen Fügung, der überzeugende Rhythmus und die Klarheit der Interpretationen. Sollen sich doch die Leser damit rumschlagen. Ich geh jetzt pokern; in der Tat etwas, welches ich noch schlechter als das Schreiben beherrsche. Es gibt Dinge im Leben, die werden maßlos überschätzt: vegetarisches Essen, platonische Beziehungen, auf dem Arm tätowierte nackte Frauen oder Spielkarten, Flitterwochen und natürlich die Kolumnen von Gartenbach. Aber, da müssen wir ab sofort alle durch. Ich bin wie ich bin. Die einen kennen mich, die anderen können mich.


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