Kolumnen

FACS – „Daniel Negreanu ist…“

Jürgen Stephan ist FACS Spezialist. Facial Action Coding System wäre dann die korrekte Beschreibung von etwas, vor dem man irgendwie Angst haben kann, denn wer lässt sich schon gerne durchschauen wie ein Fensterglas in einem Hausfrauen-Werbespot. Wehren kannst du dich nicht, aber erkennen. Ob es das besser macht?

Jürgen, du Du bist FACS – Coder. Das klingt nach CSI und irgendwie spannend. Was zum Teufel macht einer mit deinem Job?

Ich beobachte Menschen.

Das klingt jetzt eher ein wenig seltsam. Hattest du deshalb schon mal Probleme mit der Polizei?

Nein, ich sitze nicht mit Feldstecher in Bäumen, sondern ich beobachte Gesichter. Jeder Mensch hat eine Mikromimik. Das heißt, wenn jemand redet oder irgendetwas tut, dann laufen im Gesicht Bewegungen ab. Die kann man nicht verhindern und ich bin ausgebildet, solche Dinge zu sehen und zu deuten.

Auf was müsste ich da zum Beispiel achtgeben?

Viele verstecken sich ja hinter Sonnenbrillen oder Hoody und glauben damit gut versteckt zu sein. Aber zum Beispiel gehört die Muskulatur am Hals genauso dazu wie der Mund oder die Stirn. An sich gehört der ganze Körper dazu. In dem Moment, in dem eine Emotion ausgelöst wird, zum Beispiel bei einem großen Pot, verändert sich der Körper. Der Puls wird schneller, der Blutdruck steigt, die Pupillen erweitern und die Haut rötet sich; vom limbischen System werden Emotionen ausgelöst, etwa wenn gute Karten kommen.
Gerade vorhin hab ich einen Spieler beobachtet und wie es sich später herausstellte, hatte er „innerlich gegrinst“. Dieses Grinsen sieht man an den kleinen Säcken unter den Augen. Natürlich gib es Leute die haben sehr extreme Tränensäcke…

Udo Gartenbach bekommt jetzt bald zwei tschechische Modells, die ihm seine Tränensäcke wie eine Schleppe hinterher tragen….

…aber genau unter diesen Säcken, sieht man den freundlichen Gesichtsausdruck. Diese Emotion ist nur für einen ganz kurzen Moment im Gesicht erkennbar. FACS kann dies dann erkennen, also ich.

Woher nimmst du die …

Woher nimmst du die Arroganz zu behaupten, dass du so etwas kannst?

Ich wollte es etwas charmanter ausdrücken.

Einerseits habe ich viele Jahre im Sicherheitsbereich gearbeitet. Unter anderem auch bei der Polizei und der Bundeswehr. Ich hatte immer mit Menschen zu tun. Bei Coachings hab ich dann bemerkt, dass ich die Mimik von Menschen gut lesen kann. Da wusste ich noch gar nichts von FACS, das war so um 1998. Irgendwann hab ich mich dann schlau gemacht und einen Professor in den USA entdeckt, der das erforscht hat und jetzt unterrichtet. Bei ihm hab ich mich dann zertifizieren lassen.

Danke, das hilft mir jetzt in meiner Sichtweise, dass mein Spiel mathematisch perfekt ist, aber nur meine Nerven mit mir durchgehen. Wie erkenne ich es?

Es ist schwierg, weil es verschiedene Spielertypen gibt. Udo zum Beispiel ist ein sehr lauter Spieler, ein sehr nervöser Spieler. Er hat von Haus aus einige Ticks und bei ihm kommt das Schlucken immer wieder vor. Ihm könnte man sagen, dass er auf das Schlucken etwas aufpassen soll. Daniel Negreanu ist auch ein sehr lauter Spieler. Der macht nichts anderes, als Spieler zu provozieren, dann schaut er auf die Emotion, dann sticht er wieder irgendwo rein, sieht die Reaktion bestätigt und mit diesem Wissen spielt er dann die Gegner aus. Negreanu hat sich auch in den USA schulen lassen.

Sag mir doch bitte etwas, mit dem ich was anfangen kann. Das ist mir jetzt irgendwie zu unkonkret.

Verachtung zum Beispiel. Wenn der Mundwinkel leicht nach oben geht. Dieses Zucken kann man jetzt analysieren mit, „es ist eben nur ein Zucken gewesen“, oder aber, was das Richtigere wäre, „er freut sich jetzt, er fühlt sich überlegen“. Dieses „Lesen“ hängt natürlich immer von der Situation ab. Wenn man die Gesichtsbewegungen in einen Kontext setzt, das heißt analysiert, dann kommt man automatisch auf die Wahrheit.
Das passiert ja auch im täglichen Leben. Wenn dir jemand etwas erzählt und der Mundwinkel geht leicht und kurz nach unten, dann ist das nur die kleine Schwester davon, wie wenn man beide Mundwinkel tief nach unten zieht. Das heißt, die Situation der Geschichte hatte für den Erzähler etwas unangenehmes.

Kannst du eigentlich mit irgendjemanden normal reden, ohne ihn zu analysieren?

Naja, bei dir fällt es mir schwer.

Klar, das ist ja auch mein ausdrucksloses Interviewgesicht. Dagegen wirkt das Pokerface von Matthias Kurtz wie das strahlende Lächeln eines Mädchens auf einer Blumenwiese.

Matze

Ich gebe zu, es fällt mir schwer, nicht zu analysieren, aber es bessert sich.

Du sagst doch, dass man diese Gesichts-Tells gar nicht verhindern kann. Worin liegt dann deine Trainerfähigkeit, wenn man das nicht wegtrainieren kann?

Nein, ich kann sie nicht wegtrainieren, sondern ich kann dir nur zeigen, wie du die Tells am Gegner erkennst. Wegtrainieren geht nicht.

Erklär es mir.

Wenn ein Signal durch das Hirn geschickt wird, dann geht das durchs limbische System und vor den Cortex. Der Cortex ist das, was wir unter „Verstand“ verstehen. Das limbische Sysem steuert unsere gesamte Gefühlslage, wie Freude, Trauer und so weiter. Natürlich im Zusammenspiel mit Hormonen.
Dieses System gibt die Befehle an das Gesicht, wie, du bist jetzt traurig, ekelst dich oder hast Angst. Von diesen Gesichtsausdrücken gibt es sieben universale. Ich kann diese Gesichtsausdrücke zeigen, ich kann aber dem Gehirn nicht sagen, dass es keine Gefühle mehr haben soll.

Pius Heinz ist ’ne coole Sau. Der sicher nicht oder?

Selbst Pius Heinz zeigte Gefühle. Ich hab den ganzen Finaltisch der WSOP analysiert und Pius zeigt sehr wohl Gefühle. Genauso wie seine Gegner. Es gibt eine Szene von Eoghan O’Dea , der bricht kurz nach einem Reraise All-in von Heinz förmlich zusammen. Nochmals: Ich kann nur zeigen wie das aussieht, wenn jemand innerlich zusammenbricht. Durch mich kannst du die Emotionen deuten, allerdings muss man aber auch gut beobachten können.

Das schreit jetzt nach einer Werbeeinschaltung. Also bitte du hast 30 Sekunden.

Ich biete Seminare an, aber nicht nur für Pokerspieler, sondern auch für Geschäftsleute, Sicherheitsfirmen und auch für die Personalchefs in großen Konzernen. Im März sind wieder drei Termine, die kann man auf der micromimics.de ersehen. Für Pokerspieler kostet das €299.

Das ist dann speziell für Pokerspieler?

Es ist zumeist eine bunte Mischung. Von Führungskräften, über Ärzte, bis hin zum Amateurpokerspieler ist da meistens alles dabei. Ich gehe sehr auf Poker ein, aber es geht ja nicht nur um Poker sondern darum, generell die Gesichter und deren Mimik zu erkennen. Wir haben da einen „Anfangstest“. Die Leute sehen sich in etwa 50 Bilder an und sie sollen sagen, welche Emotion sie sehen. Die wirklich sehr Guten, haben zwischen 60 und 70 Prozent, der Durchschnitt liegt bei 50, 60 Prozent. Nach dem Training weit höher. Im weiterführenden Seminar geht es um Videotraining und die tiefergreifende Analyse.

Braucht die Menschheit das wirklich?

In Sicherheitsbelangen wird es genutzt, zum Beispiel beim Zoll. In den USA sowieso. An allen amerikanischen Flughäfen gibt es ausgebildete FACS-Leute. CIA, FBI und alle anderen Geheimdienste nutzen FACS. In Deutschland kommt es langsam und ich bin einer der Vorreiter.

Moment, die Werbezeit ist schon verbraucht. Aber heißt das, dass ich das nächste Mal, wenn ich nach Amerika fliege, von so einem von der Homeland Security gefilzt werde, nur weil ich mit dem Mundwinkel zuckte?

Nein, das passiert bei den „Interviews“. Harmlose Fragen wie, „Wo kommen Sie denn her?“, „Haben Sie irgendetwas mitgebracht?“. Fragen, die im Zusammenhang mit der Situation stehen. Falls der Interviewte bei so einer Antwort lügt, dann sieht das der Zollbeamte.

Das setzt aber immer ein Schuldgefühl voraus…

Natürlich muss eine Emotion vorhanden sein. Ein Psychopath oder ein Soziopath, der keine Gefühle zeigt, ist nicht zu lesen.

Sagtest du zuvor nicht gerade, dass ich sehr schwer zu lesen sei?

Ja, sagte ich.

Ich danke für das Gespräch!

Gerne!

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