Pokerstrategie

Gaming Institute (Poker) Camp Mallorca 18 – mein Vortragsbogen

Ich beginne mit dem Begriff der Wahrscheinlichkeit, gehe über den Erwartungswert hin zur direkten Poker-Anwendung des ICM-Modells samt seiner Deal-Making-Implikationen. Ich gehe dabei bewusst nicht ins Detail, sondern ummantele die Erlebnisse des live Vortrags.

Poker wird getragen von 2 großen Säulen – sie heißen Mathematik und Psychologie.

Nenne Dich nie einen guten Psychologen per Ausschlussverfahren: Keine Flucht in weiche Wissenschaften nur weil Dir harte Wahrheiten nicht liegen.
Für uns bedeutet das: Du wähnst dich gut in Poker, weißt aber, dass Du nicht rechnen kannst – dann musst Du wohl tolle Reads haben!? 😉

Die „böse“ Mathematik ist kein Hexenwerk. Man rechnet sie eh nicht. Man denkt einfach nach.
Logik ist ihre Sprache; sie will nicht quälen, man darf sie nutzen, ja genießen.

Wann immer Du wissen willst, wie wahrscheinlich etwas ist, denke Dir einen großen Bruchstrich: Oben platzierst du alle Fälle, die Dich interessieren und unten stehen alle denkbaren Fälle überhaupt.

Wie oft kommt Zahl beim Münzwurf? Es interessiert Dich also „überm großen Strich“ exakt die eine (1) Option: Zahl. Denkbar sind zwei (2) Fälle, nämlich Kopf UND Zahl. Deshalb liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Zahl fällt bei 1/2 – und eine „sechs“ beim Würfeln hat 1/6 Auftrittswahrscheinlichkeit.

Ziehe ich eine Karte aus einem echten Poker-Kartendeck und will wissen, wie wahrscheinlich ich eine Bildkarte erwische, dann ist der Weg analog: Mich interessieren in dem 52er-Deck die 4 Buben, 4 Damen, 4 Könige und 4 Asse – also: 16/52.

Wer teilt nun schon gern durch 52? Wir haben uns zu entscheiden! Mühsam und exakt? Oder aber Poker-adaptiert. Es gibt so oder so viel Unsicherheit im Spiel… ist dann ein exaktes Rechnen bis auf das letzte Prozent sinnig? Nein – und das ist fein. Wir dürfen faul sein, aber bitte schlau faul! Wir machen einen kleinen „Fehler“ und teilen die 16 interessanten Karten nicht durch korrekte 52 mögliche, sondern gegen viel leichter zu rechnende 50.

Nun ist durch 50 teilen wie mal 1/50 nehmen und das ist wie mal 2/100 nehmen und für „/100“ gibt es eine Einheit: Prozent! Mein persönliches Ergebnis für 16/52 ist mir also genug genau mit 32% abgeschätzt. Mund abwischen, weitermachen.

Wie wahrscheinlich bekomme ich AK zugeteilt? Das Ass gibt es in 4 Farben und den König auch. Ich kann jedes Ass mit jedem König genau einmal kombinieren und erhalte jeweils eine Ausprägung des für mich eben interessanten Falles: AK. Solche Fälle gibt es also 4×4=16-mal.

Überhaupt denkbar als Starthand ist jede Kombination aus 52 ersten Karten mit 51 zweiten Karten. Da ich dieselbe Starthand halte – ganz egal ob ich erst die Pik Dame und dann die Herz Vier erhalte oder umgekehrt – muss ich alle 52×51 Möglichkeiten noch durch 2 teilen und weiß dann, dass es 1.326 unterscheidbare Starthände gibt. Damit erhalte ich AK mit einer Wahrscheinlichkeit von 16/1.326, was 1,2% entspricht. Für AKs gilt 4/1.326 und für AA 6/1.326.

Wie wahrscheinlich kommt auf dem Board 982-4 bei eigenem JT meine Straße auf dem River? 4 Damen und 4 Siebener sind interessant bei insgesamt 46 denkbaren, weil noch nicht bekannten, Karten aus dem 52er Deck. Die Rechnung lautet also 8/46. Und wieder rechnen wir etwas leger statt „/46“ mit Mal 2 Prozent und schätzen somit die Straßenkomplettierung am River mit 16% ab.

Wahrscheinlichkeiten sind nur die halbe Miete, wenn es ums Gewinnen (am Pokertisch, und auch anderswo) geht. Man kann zu 80% gewinnen und doch ein Verlierer sein. Genauso kann man nur zu 20% gewinnen und ein Sieger sein. Es kommt auch immer darauf an, wie viel man riskiert und wie viel man gewinnen kann. Diese Gegenüberstellung von Wohl und Wehe ist es, was sich Erwartungswert nennt. Er ist das Entscheidungskriterium schlechthin. Wir handeln, wenn es sich lohnt. Und nur dann.

Steht ein Pot bei 1.000 und setzt ein Gegner, so denken wir eh nicht nach, wenn wir uns in Führung wähnen. Nie kann ein Call schlecht sein, wenn man Favorit ist. Denn dann gilt doch folgendes:

Favoritenchance * (Bet(+Pot)) – Dogchance * Bet > 0

Diese vielleicht komplizierte Zeile wird sich nach dem nächsten Beispielast erklären:
Wir gewinnen nur zu 30% und die Wette liegt bei voller Potgröße.

Steigen wir aus, so bleibt unser aktueller Stack konstant. Wir haben nichts zu verlieren und auch nichts zu gewinnen. Der Erwartungswert von Fold ist 0.

Bezahlen wir, so können wir mit einer Wahrscheinlichkeit von 70% 1.000 verlieren oder aber zu 30% 1.000 Pot plus 1.000 gegnerische Wette gewinnen. Der Erwartungswert gießt dies in Form:

30% * 2.000 – 70% * 1.000 = 600 – 700 = -100

Bekommen wir diese Situation also z.B. 10x geboten, so dürfen wir 3 Siege erwarten und diese führen zu zusammengefassten Gewinnen von 6.000. Da wir für diese 3 Siege im selben Zuge leider auch 7 Niederlagen zu erwarten haben, stehen den Gewinnen 7.000 an Verlusten gegenüber. Auf 10 dieser Entscheidungen summiert muss man also mit einem Ergebnis von -1.000 rechnen, was auf die einzelne Entscheidung heruntergebrochen -100 bedeutet. Das genau macht der Erwartungswert. Er bewertet die Erwartung. Ist diese negativ, so ist es besser, nicht zu investieren. Ganz wie im Alltag auch…

Versteht man diese Zusammenhänge so gut, dass man sie leger abschätzen kann, während man sich auf das eigentliche Spiel, den Gegner und die eigene Außenwirkung konzentrieren darf, dann spielt man gutes Poker. Die Zahlen dürfen und sollen im Hintergrund bleiben. Die Mathematik zeigt einem, wie ein Kompass, einfach nur an „wo Norden ist“. Liegt ein Ergebnis knapp, so darf man gerne den „weichen“ zwischenmenschlichen Faktoren den Ausschlag für die konkrete Entscheidung geben.

Gute Pokerspieler surfen in Ihren Entscheidungen leger um mathematische Wahrheiten herum. Ist z.B. etwa 25% korrekt, dann spielt ein Topspieler 21% und ein anderer vielleicht sogar 32%. Nie aber liegen Topspieler bei 7% oder 72%, wenn die Ratio 25% gebietet. Das ist dann kein kreatives Spiel mehr, sondern einfach nur Mist.

Das normale Spiel in seiner Dynamik ist damit gut abgebildet und getroffen. Denn gewonnene Chips bringen beim Cashier ebenso viel wie der verlorene Barwert kostet.

Das Turnierspiel steigert die Rechenkultur um eine weitere Dimension. Denn man tauscht nach persönlichem Turnierabschluss nicht seine Chips 1:1 zurück. Tatsächlich hat am Ende des Turniers eh keiner mehr welche 😉

Jede Platzierung geht in Preisstufen über – und das will gerechnet sein! Hierfür habe ich einige Erklärvideos gemacht:

Teil 1 (30 Min)

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Teil 2 (15 Min)

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Teil 3 (15 Min)

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Hat man das wirklich verinnerlicht, dann versteht man auch die ultimative Pokerentscheidung: Deal-Making; am Finaltable – und auch einfach immer und überall.


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