Kolumnen

Glücksspiel vs. Geschicklichkeitspiel: Der redaktionsinterne Streit und die Abstimmung

Am Freitag, als die Lichter in den anderen Redaktionsräumen schon abgedreht waren, saßen zwei Redakteure an ihren Schreibmaschinen im schalen Lichtkegel der Schreibtischlampe und arbeiteten an ihren Artikeln. Irgendwann begannen sie über Glücksspiel und Geschicklichkeit und Eddy Scharf zu reden und ein Streitgespräch entfachte. Das Thema war ebenso verwirrend, wie das zufällig aufgezeichnete Gespräch:

*’klick’*

RBH:…Eddy Scharf hat sich beim Rückzugsgefecht grandios verstolpert und will jetzt auch noch Haltungsnoten für die argumentative Brez’n* die er damals gerissen hat. Da hat er bei Full Tilt jahrelang behauptet dass nur die Besten gewinnen können – und es wurde nicht nur behauptet, nein, es wurde sogar belegt – und jetzt will er nichts mehr davon wissen? Sorry, nicht böse sein, aber Poker ist für mich eindeutig ein Geschicklichkeitspiel!

FS: Blödsinn! Wenn alle am Tisch ein A-Game spielen, ist es eindeutig ein Glücksspiel, weil alle gleich gut sind! Und wir reden nicht von Turnieren der Poker-Pioniere, sondern von solchen, für die Steuer zu bezahlen wäre.

RBH:  Falls alle ein A-Game spielen!  Aber dann kommen Turniererfahrung und  Tells ins Spiel und die zu lesen ist wiederum Geschicklichkeit.

FS: Von dem Starterfeld auf der WSOP haben sicher 100% Turniererfahrung. Da sitzt doch niemand zum ersten Mal am Pokertisch. Manche Spieler haben mehr, manche weniger Turniererfahrung, aber alle haben Turniererfahrung und niemand spielt ein ganzes Turnier hindurch sein A-Game. Wenn einer dann trotzdem weit kommt, dann hatte er Glück – nicht wegen seinem vermeintlichen A-Game.

RBH: Wie definierst du überhaupt Glück? Ein Glücksspiel ist für mich ein Spiel, bei dem ich nur die Regeln kennen muss und sonst keine weiteren Fähigkeiten brauche, um gewinnen zu können. Willst du mir jetzt wirklich erklären, dass jemand, der nur die Spielregeln kennt und sonst noch nie Poker gespielt hat, fähig ist, ein Turnier zu gewinnen? Ist das wirklich deine Argumentation für Glücksspiel?

FS: Dann erklär mir mal wie du mit deinen Poker-Fähigkeiten einen Flip mit Sicherheit gewinnst? Und sag jetzt bitte nicht, dass ein guter Spieler einem Flip aus dem Weg geht. Ohne Flip gewinnst du kein Turnier.

RBH: Trotzdem, Poker ist ein Denksport, der gelernt werden muss, der trainiert gehört, bei dem man sich weiterbilden muss. Die Jungen wissen das schon lange und die Alten leugnen es. Wenn JPJ eine dreimonatige Pokerpause einlegt, setzt  er sich sicher nicht gleich an einen 200/400 PLO Tisch. Wahrscheinlich doch eher zum Aufwärmen mal 5/10, zum Trainieren quasi und zum Form testen. Wenn es Glück wäre, dann müsste Keiner ein Buch lesen ….

FS:: …das auch!

RBH: …bleib bitte ernst. Dann bräuchte es keine Pokerschulen und schon gar keine Gespräche über Pokerhände. Oder reden Roulettespieler nachdem die Kugel auf Schwarz zum Stillstand kam auch darüber was passiert wäre, wenn sie auf Rot zum liegen gekommen wäre, um daraufhin den Sprung der Kugel zu analysieren und in Relation zu ihren Setzverhalten zu stellen und das der Mitspieler auch?

FS: Das ist jetzt dummer Zynismus von dir. Boris Becker war bei seinem Wimbletonsieg 17 Jahre alt und ungesetzt. Sicher eine tolle Leistung. Aber jetzt mal ehrlich. Wieviel Glück hatte Becker bis zum Finale? Und da wird er sicher zustimmen, dass er Glück hatte.

RBH: Deshalb ist Tennis aber kein Glückspiel.

FS: Nein, aber ich bin davon überzeugt, dass der Glücksfaktor in anderen Sportarten eine große Rolle spielt. Zum Beispiel Ski-Alpin: Windböe von oben und der schlechtere Fahrer bekommt nen Schub und wird Erster, der bessere Fahrer, Wind von unten und der wird Vorletzter.

RBH: Ja und? Muss die FIS jetzt mit einer Anzeige wegen unerlaubtem Glücksspiel rechnen, weil sie eine Siegesprämie an den „glücklichen“ Gewinner bezahlen?

FS: Blödsinn! Das Wetter ist eine Pech-oder Glückskomponente bei vielen Sportarten. Oder, bei der Tour de France hat der eine Glück dass er nicht über die Reißzwecke fährt und der andere nicht.

RBH: Die Spielkarte ist die Reißzwecke des Pokerns? Möglich, aber mathematisch geringer. Auf was willst du hinaus?

FS: Der Glücksfaktor ist vorhanden. Er wurde bis heute nur noch nicht berechnet. Wie hoch ist der mathematische Glücksfaktor bei einem Skirennen von Läufer zu Läufer?

RBH: Kann man nicht berechnen.

FS: Egal, vielleicht kommt dabei 5% raus. Und das ist zu wenig, um als Glück oder Pech empfunden zu werden. Beim Poker ist es mehr, also vielleicht 20%, was als Glück oder Pech empfunden wird. Aber ganz klar ist die Glückskomponente oder besser Zufallskomponente viel größer als bei Skifahren oder Schach.  
So gesehen muss man Poker als Glücksspiel sehen.

RBH: Weshalb gibt es dann Seriensieger wie Phil Hellmuth und Hermann Maier?

FS: Das zählt nicht, weil das Genies in ihrem Metier sind. Aber wahrscheinlich ist die Glückskomponente bei Hellmuth oder Maier geringer als bei einem Eddy Scharf und Eddy Scharf ist vieles, aber er ist sicher kein Genie. Deshalb „Free Eddy!!“

RBH: Bleib‘ bitte ernst. Der großartige Eddy ist zweifelsfrei kein Genie, aber glaubt er im Ernst, dass er ein Deepstack Headsup gegen jemanden verliert, der ausschließlich die Spielregeln kennt? Wenn er das wirklich glaubt, dann sollte er sich hinterfragen ob Poker die richtige Wahl des Hobbys war.

FS: Aber es ist möglich und die Profis nennen dann dieses Verlieren: Varianz. Mit dem Wort Varianz haben sich doch die ganzen Profis schon ins Knie geschossen, weil sie dadurch zugeben, dass es Glück und Pech gibt. Deshalb Glücksspiel.  

In die Redaktion kommt TA

TA: Was ist euer Thema?

FS: Glückspiel oder Skill-Game

TA: Noch immer?

FS: Ja

TA: Und was ist mit Sport?

RBH: Nee du heute nich mehr. Das mit Sport besprechen wir ein andermal.
Ist noch Bier hier?

FS: Nein

RBH:  Na, dann lass uns gehen

FS: Und wie verbleiben wir jetzt? Sport, Glück oder Geschick?

RBH: Frag doch die anderen

 

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*Österreichisch: a Brezn (reissen), die
  Deutsch:  Sturz (hinfallen), der


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