Kolumnen

Gott und die Super Bowl

Es ist jedes Jahr nur eine Frage der Zeit, bis sich in der langen Reihe der Super Bowl Interviews die Sportler, der Trainer und der Clubinhaber bei Gott bedanken müssen. So auch 2010. Nachdem er lange um den heißen Brei herumgeredet hatte, schritt Drew Brees, der Quarterback der New Orleans Saints, ans Werk und dankte Gott für seine unendliche Güte und für den Gewinn des Super Bowl Rings.

Kurz vor der Pressekonferenz hatte Brees seine Mannschaft zu einem Überraschungssieg gegen die Indianapolis Colts und deren legendären Quarterback Peyton Manning geführt, der 2007 selbst den Super Bowl gewann.

Manning erwähnte jedoch in seinem Statement zum Spiel Gott mit keinem Wort, sondern sprach lediglich über Tracy Porter, den Cornerback der New Orleans Saints, der den spielentscheidenden Pass intercepted hatte. Dieser sieht Gott aber wirklich nicht ähnlich.

Ich verlange ja nicht, dass Footballer auch in Wissenschaft und Logik ausgebildet werden. Nein, sie sollen sich auf dem Spielfeld zu meiner Unterhaltung ordentlich kloppen und das Image des modernen Gladiators mit einem Körper aus Stahl in die Welt hinaustragen. Trotzdem schmerzt der vorliegende Fall von „selective Memory“ meinen Gerechtigkeitssinn.

Wieso wird Gott für den Sieg gelobt und für die Niederlage nicht zur Verantwortung gezogen? Und mal ganz generell gefragt, was hat Gott überhaupt mit dem Super Bowl zu tun.

Ich dachte bis dato immer, wahrscheinlich aufgrund meiner sporadischen Teilnahme am humanistischen Bildungssystem, dass „Auge um Auge und Zahn um Zahn“ längst schon von „Liebe deinen Nächsten“ ersetzt worden ist. Wobei dann der moderne Gladiator eigentlich in Birkenstocksandalen mit wallendem Haar den Ball nur aufgrund seiner überragenden Aura über ein Spielfeld aus Wasser zum Touchdown tragen müsste, ohne auch nur einen Mitspieler zu berühren. Holla.

Zurück zum Fall von „selective Memory“: Wenn ich nun als Pokerspieler, anstatt jeden Gewinn mit „meinem überragenden Spiel“ und jeden Verlust mit „meinem fehlenden Glück“ zu rechtfertigen das Eigenschulterklopfen schon behalte, aber das fehlende Glück Gott anlasten würde? Wenn es keinen Gott gibt, wird es ihm herzlich wurst sein, dass ihm etwas angelastet wird.

Wenn es ihn aber gibt, freut er sich über die zusätzliche Aufmerksamkeit, besonders aus der Gruppe der Pokerspieler, die ihn ja sonst nicht damit überschütten. Auch die gerechtere Aufmerksamkeit wird ihn freuen, denn so gerecht wird er schon sein, nicht nur das Lob einheimsen zu wollen. Wir können also alle ein klein wenig zum Gleichgewicht beitragen und die Sportler werden es uns danken, denn die amerikanische Öffentlichkeit lässt sie einfach nicht machen und sagen was sie wollen, ohne mit Sanktionen wie Weihwasserentzug rechnen zu müssen.

Insgeheim hoffe ich mit meinem Vorschlag auf taube Ohren zu stoßen, bin aber recht zuversichtlich, denn solange es irgendwo ein Cashgame oder Turnier gibt, interessiert doch einen Pokerspieler keine Hygiene, Politik oder Religion. Denn Diskussionen am Tisch verlangsamen nur den Spielfluss.


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