Kolumnen

„Ich reise nicht mehr für Sachpreispoker“

Tatsächlich ein Originalzitat. Nicht von mir, sondern von einem anderen Hamburger Nachwuchsspieler. Genauso talentiert wie ich, genauso unerfolgreich wie ich. Ich glaube, ich bin älter und sehe besser aus.

Ich hätte durchaus mal wieder Lust, für ein Sachpreisturnier zu reisen. Wenn die Anfahrt nicht allzu lange ist. Und ich gefahren werde. Und wenn ich dann gerade Zeit hätte. Und Lust. Und wenn ich dort eine adäquate Selektion genießbarer Rotweine vorfinden würde.
Mal wieder back to the roots. Zurück zu den Wurzeln. Den Wurzen alles Übels. So fingen wir damals an mit der Kartenvergleicherei. In einem eher schlecht und schlicht belichteten Kellerraum, der sich aber in der ersten Etage befand, und kurz danach abgerissen wurde. Sit and go – Tische mit jeweiligem Abendfinale. All in in the Dark. Call in the halbdark. Kartenvergleichen at it‘s best.
Lange ist es her. Nein, ich werde nicht die „gute alte Zeit“ bemühen. Dennoch beschleicht mich irgendwie etwas Wehmut bei dem Gedanken. Ich bin halt auch nur ein moderner Mann. Ja, ich schäme mich meiner Tränen nicht. Auch nicht bei Filmen mit Julia Roberts oder Hugh Grant.

Ja, die Sachpreisturnierchen. Der Beginn eines Hypes, den wir alle nah, teilweise hautnah miterleben durften. Ja, wir waren dabei. Von Anfang an. Eine geile Zeit. Die perfekte Welle. Und irgendwie sind wir doch fast alle bis auf wenige Ausnahmen auf dem alten Status stehen geblieben. Trotz diverser Teilnahmen an diversen größeren Events. Letztendlich sind wir immer noch dieselben Fische wie noch vor Jahren. Daran musste ich zuletzt noch denken, als ich mit einem Freund auf dem Fischmarkt von Mallorca war. Abends gab es dann von ihm  auf seiner Terrasse diverse gegrillte Fische. Und danach eine Runde Poker. Just for fun. Sogar komplett ohne Sachpreis. Dafür mit Rotwein und sonstigen Alkoholika. Das Leben besteht nicht nur aus großen Events, bei denen man spätestens im 4. Level rausfliegt. Oder im 5. Level, sollte es mal extrem gut laufen. Oder man erst nach einer Stunde einsteigen.

Alle Spieler meinen, dass es das schwerste ist, die Technik zu beherrschen, doch das ist falsch. Es geht darum das Glück zu beherrschen. Auch wenn Glück was für Anfänger ist oder für Hugh-Grant-Filme. Happy ending.
Lasst uns wieder zurück zu den billigen Anfängen; da tat kein Glück, respektive Pech und das damit verbundene Ausscheiden nicht weh. Kannst du dir selber kein Glück bereiten, schaffe wenigstens einem deiner Mitspieler Schwierigkeiten.

Lasst uns zurückkommen zu mehr Spaß, Freude, Heiterkeit und auch durchaus Unwissen und Alkoholismus beim einzig wahren Kartenspiel. Lasst uns nicht alle Pokerbücher auswendig kennen, lasst uns nicht dreiundzwanzig Hoodies im Schrank haben, inklusive der dazu farblich abgestimmten Sonnenbrillen. Ich glaube, dann werde ich wieder mehr Liebe für das Spiel und meine mitspielenden Mitmenschen entwickeln. Es fällt mir gerade schwer, aber ich bemühe mich. Ehrlich.


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